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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Neue Faktoren und Tendenzen in der Weltpolitik
von Arthur Dix

ur den Anteil unserer Volkswirtschaft an der weltwirtschaftlichen
Zukunftsentwicklung ist die sorgsame Beobachtung aller welt¬
politischen Vorgänge*) so wichtig, weil die künftigen wirtschaftlichen
Wettbewerbsbedingungen von dem Gange der Weltpolitik ungemein
abhängig sind. Daß bei uns das Verständnis hierfür aber nur
spät und langsam erwacht ist. hat immerhin erklärliche Gründe für uns, die
wir erst vor vier Jahrzehnten als einheitliche Großmacht in die europäische
Politik eintraten und zunächst alle Aufmerksamkeit auf die Sicherung unserer
Stellung innerhalb dieser europäischen Politik zu verwenden hatten.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erst begannen die kriegerischen
Ereignisse, die sich außerhalb Europas abspielten, das Verständnis der bis dahin
an einen engeren Horizont gewöhnten Europäer für den modernen Begriff der
Weltpolitik zu wecken. Wir in Deutschland zumal, die wir erst vor kurzen: in
den neuen Nahmen des Deutschen Reiches hineingewachsen waren und in der
äußeren Politik zunächst nicht anderes kannten als das Streben nach Erhaltung
des europäischen Gleichgewichtes, wollten uns zunächst in den neuen Begriff der
Weltpolitik nicht recht hineinfinden. Sprach der große Rhetor auf dem Throne
von dem Deutschen Reich als Weltmacht, so verbanden in falschen geschichtlichen
Analogien die Hörer im eigenen Lande damit ganz irrige Vorstellungen von
einem Imperium im alten Sinne der einseitigen Weltherrschaft, die zu erstreben
den: Deutschen Reiche in der Tat absolut fern liegt. Sie hatten sich noch nicht
daran gewöhnt, "mit Weltteilen zu denken" und zu begreifen, daß in einer
Zeit, in der alle räumlichen Entfernungen ganz anders zusammenschrumpfen
denn je zuvor, auf dem weiten Raume der fünf Erdteile, deren ganzes Gebiet



*) Vgl. die Aufsätze desselben Verfassers in Ur. 23 und 24 dieses Jahrganges.
Grenzboten III 1911 1


Neue Faktoren und Tendenzen in der Weltpolitik
von Arthur Dix

ur den Anteil unserer Volkswirtschaft an der weltwirtschaftlichen
Zukunftsentwicklung ist die sorgsame Beobachtung aller welt¬
politischen Vorgänge*) so wichtig, weil die künftigen wirtschaftlichen
Wettbewerbsbedingungen von dem Gange der Weltpolitik ungemein
abhängig sind. Daß bei uns das Verständnis hierfür aber nur
spät und langsam erwacht ist. hat immerhin erklärliche Gründe für uns, die
wir erst vor vier Jahrzehnten als einheitliche Großmacht in die europäische
Politik eintraten und zunächst alle Aufmerksamkeit auf die Sicherung unserer
Stellung innerhalb dieser europäischen Politik zu verwenden hatten.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erst begannen die kriegerischen
Ereignisse, die sich außerhalb Europas abspielten, das Verständnis der bis dahin
an einen engeren Horizont gewöhnten Europäer für den modernen Begriff der
Weltpolitik zu wecken. Wir in Deutschland zumal, die wir erst vor kurzen: in
den neuen Nahmen des Deutschen Reiches hineingewachsen waren und in der
äußeren Politik zunächst nicht anderes kannten als das Streben nach Erhaltung
des europäischen Gleichgewichtes, wollten uns zunächst in den neuen Begriff der
Weltpolitik nicht recht hineinfinden. Sprach der große Rhetor auf dem Throne
von dem Deutschen Reich als Weltmacht, so verbanden in falschen geschichtlichen
Analogien die Hörer im eigenen Lande damit ganz irrige Vorstellungen von
einem Imperium im alten Sinne der einseitigen Weltherrschaft, die zu erstreben
den: Deutschen Reiche in der Tat absolut fern liegt. Sie hatten sich noch nicht
daran gewöhnt, „mit Weltteilen zu denken" und zu begreifen, daß in einer
Zeit, in der alle räumlichen Entfernungen ganz anders zusammenschrumpfen
denn je zuvor, auf dem weiten Raume der fünf Erdteile, deren ganzes Gebiet



*) Vgl. die Aufsätze desselben Verfassers in Ur. 23 und 24 dieses Jahrganges.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/13>, abgerufen am 29.12.2024.