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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Till Euleilspisgsl

Hat mich des armen Schelmen Not bekehrt. --

Ist denn ein Schalk zu sein ein strafbar Ding?
Schalk sein heißt doch des Menschen Wert zu kennen,
Der tief hier drinnen eine Würde trägt,
Und doch nicht ab die Schellenkleider legt. --

Der Weise steht nicht weit. Doch seine Würde,
Die -- merkt es wohl! - an sich schon komisch ist.
Läßt ihn nur Würde sehn, und all die Lumpenbürde,
Die der Gevatter nach der Elle mißt,
Die übersieht er, will er übersehen
Und wähnt mit Weisheit ihnen beizukommen
Der Narr! Denn Weisheit kann nur Weisheit frommen!
Und alles, was den Menschen macht so klein.
Sein Kleid, sein Geld, sein Stolz und seine Launen,
Die Sitte, seines Lebens Kampf, - kurz alles,
Was einen Gott zu einem Spötter macht,
Kann heilen nur, wer göttlich Lachen lacht! --

Was ist der Mensch? Ein Sehender, der blind!
In Mannesbrust ein unbewußtes Kind!
Tragöde ist er, wenn der Schrei nach oben,
Nach Wahrheit, seine Brust ihm schier zerreißt.
Doch Komödiant, wenn er das Haupt erhoben
An dieses Lebens bunter Tafel speist.
Dann kommt der Schalk und setzt ihn ins Parkett:
"Ich bitt dich, laß mich eine Weile spielen!
Denn deine Weise war so wundernett,
Du mußt sie selbst einmal von außen fühlen."
Dann spielt er ihm das Stücklein lustig vor, --
Man lacht und bessert sich -- und mit Humor!


Grober:

Ich bitt, Herr Beistand, nur zur Sache sprecht.

Mich dünkt, das tat ich eben, wahr und recht.


Eulenspiegel:

Doch wenn ihr wollt in Einzelheiten gehen,
Dann frag ich euch: -- Was gilt wohl dem die Acht,
Die ihr als Zaun um eure Bettstatt macht,
Was gilt sie dem, der freier Wahrheit Fackel
Sich Träger fühlt? -- Ihn schrecken keine Grenzen:
Und allen Volkes tölpischen Spektakel
Sucht lustig er ein Festes aufzuschwänzen.
Der Stände Wappenstolz und Überhebung
Hielt er den Spiegel ihres Unwerth vor,
Ein bittrer Trank, der zur Belebung
Des wahren Adels führen sollt empor. --
Was hat dem Kaiser er getan? Ich wett, es dachte
Mit keinem Deut er an des Kaisers Würde!
Ihm kam es nur drauf an, daß er verlachte
Der Formen Übermaß, des Lebens Bürde-,
Und hat er Spott getrieben dabei gleich, --
's galt nicht dem Kaiser, glaubt mir, - 's galt nur euch!


Grober:

Dann um so schlimmer, wenn er das gewagtl

War besser, wenn dies Wort nicht wär gesagt:


Eulenspiegel:
Till Euleilspisgsl

Hat mich des armen Schelmen Not bekehrt. —

Ist denn ein Schalk zu sein ein strafbar Ding?
Schalk sein heißt doch des Menschen Wert zu kennen,
Der tief hier drinnen eine Würde trägt,
Und doch nicht ab die Schellenkleider legt. —

Der Weise steht nicht weit. Doch seine Würde,
Die — merkt es wohl! - an sich schon komisch ist.
Läßt ihn nur Würde sehn, und all die Lumpenbürde,
Die der Gevatter nach der Elle mißt,
Die übersieht er, will er übersehen
Und wähnt mit Weisheit ihnen beizukommen
Der Narr! Denn Weisheit kann nur Weisheit frommen!
Und alles, was den Menschen macht so klein.
Sein Kleid, sein Geld, sein Stolz und seine Launen,
Die Sitte, seines Lebens Kampf, - kurz alles,
Was einen Gott zu einem Spötter macht,
Kann heilen nur, wer göttlich Lachen lacht! —

Was ist der Mensch? Ein Sehender, der blind!
In Mannesbrust ein unbewußtes Kind!
Tragöde ist er, wenn der Schrei nach oben,
Nach Wahrheit, seine Brust ihm schier zerreißt.
Doch Komödiant, wenn er das Haupt erhoben
An dieses Lebens bunter Tafel speist.
Dann kommt der Schalk und setzt ihn ins Parkett:
„Ich bitt dich, laß mich eine Weile spielen!
Denn deine Weise war so wundernett,
Du mußt sie selbst einmal von außen fühlen."
Dann spielt er ihm das Stücklein lustig vor, —
Man lacht und bessert sich — und mit Humor!


Grober:

Ich bitt, Herr Beistand, nur zur Sache sprecht.

Mich dünkt, das tat ich eben, wahr und recht.


Eulenspiegel:

Doch wenn ihr wollt in Einzelheiten gehen,
Dann frag ich euch: — Was gilt wohl dem die Acht,
Die ihr als Zaun um eure Bettstatt macht,
Was gilt sie dem, der freier Wahrheit Fackel
Sich Träger fühlt? — Ihn schrecken keine Grenzen:
Und allen Volkes tölpischen Spektakel
Sucht lustig er ein Festes aufzuschwänzen.
Der Stände Wappenstolz und Überhebung
Hielt er den Spiegel ihres Unwerth vor,
Ein bittrer Trank, der zur Belebung
Des wahren Adels führen sollt empor. —
Was hat dem Kaiser er getan? Ich wett, es dachte
Mit keinem Deut er an des Kaisers Würde!
Ihm kam es nur drauf an, daß er verlachte
Der Formen Übermaß, des Lebens Bürde-,
Und hat er Spott getrieben dabei gleich, —
's galt nicht dem Kaiser, glaubt mir, - 's galt nur euch!


Grober:

Dann um so schlimmer, wenn er das gewagtl

War besser, wenn dies Wort nicht wär gesagt:


Eulenspiegel:
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[0638] Till Euleilspisgsl Hat mich des armen Schelmen Not bekehrt. — Ist denn ein Schalk zu sein ein strafbar Ding? Schalk sein heißt doch des Menschen Wert zu kennen, Der tief hier drinnen eine Würde trägt, Und doch nicht ab die Schellenkleider legt. — Der Weise steht nicht weit. Doch seine Würde, Die — merkt es wohl! - an sich schon komisch ist. Läßt ihn nur Würde sehn, und all die Lumpenbürde, Die der Gevatter nach der Elle mißt, Die übersieht er, will er übersehen Und wähnt mit Weisheit ihnen beizukommen Der Narr! Denn Weisheit kann nur Weisheit frommen! Und alles, was den Menschen macht so klein. Sein Kleid, sein Geld, sein Stolz und seine Launen, Die Sitte, seines Lebens Kampf, - kurz alles, Was einen Gott zu einem Spötter macht, Kann heilen nur, wer göttlich Lachen lacht! — Was ist der Mensch? Ein Sehender, der blind! In Mannesbrust ein unbewußtes Kind! Tragöde ist er, wenn der Schrei nach oben, Nach Wahrheit, seine Brust ihm schier zerreißt. Doch Komödiant, wenn er das Haupt erhoben An dieses Lebens bunter Tafel speist. Dann kommt der Schalk und setzt ihn ins Parkett: „Ich bitt dich, laß mich eine Weile spielen! Denn deine Weise war so wundernett, Du mußt sie selbst einmal von außen fühlen." Dann spielt er ihm das Stücklein lustig vor, — Man lacht und bessert sich — und mit Humor! Grober: Ich bitt, Herr Beistand, nur zur Sache sprecht. Mich dünkt, das tat ich eben, wahr und recht. Eulenspiegel: Doch wenn ihr wollt in Einzelheiten gehen, Dann frag ich euch: — Was gilt wohl dem die Acht, Die ihr als Zaun um eure Bettstatt macht, Was gilt sie dem, der freier Wahrheit Fackel Sich Träger fühlt? — Ihn schrecken keine Grenzen: Und allen Volkes tölpischen Spektakel Sucht lustig er ein Festes aufzuschwänzen. Der Stände Wappenstolz und Überhebung Hielt er den Spiegel ihres Unwerth vor, Ein bittrer Trank, der zur Belebung Des wahren Adels führen sollt empor. — Was hat dem Kaiser er getan? Ich wett, es dachte Mit keinem Deut er an des Kaisers Würde! Ihm kam es nur drauf an, daß er verlachte Der Formen Übermaß, des Lebens Bürde-, Und hat er Spott getrieben dabei gleich, — 's galt nicht dem Kaiser, glaubt mir, - 's galt nur euch! Grober: Dann um so schlimmer, wenn er das gewagtl War besser, wenn dies Wort nicht wär gesagt: Eulenspiegel:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/638>, abgerufen am 22.07.2024.