Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Rassedienst darstellt? Zunächst fällt im Daseinskampf der Völker die Kopfzahl, die Volks¬ Natürlich ist nicht Steigerung der Quantität der Nachkommenschaft um Rassedienst darstellt? Zunächst fällt im Daseinskampf der Völker die Kopfzahl, die Volks¬ Natürlich ist nicht Steigerung der Quantität der Nachkommenschaft um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318785"/> <fw type="header" place="top"> Rassedienst</fw><lb/> <p xml:id="ID_2196" prev="#ID_2195"> darstellt? Zunächst fällt im Daseinskampf der Völker die Kopfzahl, die Volks¬<lb/> vermehrung schwer ins Gewicht. Freilich erscheint nicht die ausgiebigste Ver¬<lb/> mehrung um jeden Preis, über das Maß hinaus, welches durch die jeweilig<lb/> verfügbaren Existenzmittel gegeben ist, als erstrebenswertes Ziel. Jedoch ist die<lb/> Gefahr, daß durch eine Volksvermehrung anstrebende Politik chronische Über¬<lb/> völkerung bei uns entstehen könnte, wohl nicht allzu groß. Abstufung der<lb/> Steuerkasten nach Maßgabe der Kinderzahl ist sehr zu empfehlen; man darf<lb/> allerdings nur eine geringe Wirkung dieser Einrichtung erhoffen. Rechtliche und<lb/> anderweitige Festigung des Familienverbandes möchte wohl in gleicher Richtung<lb/> günstig wirken. Die Scheidung kinderloser Ehen könnte erleichtert werden. Am<lb/> wichtigsten bliebe aber die mit allen Mitteln der Erziehung usw. anzustrebende<lb/> Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Freiwillige Ehelosigkeit des gesunden,<lb/> vollwertigen Menschen müßte als Pflichtverletzung gegen die Nation gelten; die<lb/> brave Erziehung einer tüchtigen Kinderschar, einer Zahl, wie sie ordentlich<lb/> gepflegt und herangebildet werden kann, müßte als eine aller Ehren werte<lb/> öffentliche Leistung geachtet und tunlichst erleichtert werden. Kinderlosigkeit<lb/> müßte als Unglück angesehen werden. Solche Anschauungen haben Völker stark<lb/> und groß gemacht. Einfluß und Beispiel führender Kreise könnten auch wohl<lb/> bei uns in dieser Richtung etwas erreichen. Beschränkung der Kinderzahl um<lb/> des Luxus und der Repräsentation willen sollte als Schande gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2197" next="#ID_2198"> Natürlich ist nicht Steigerung der Quantität der Nachkommenschaft um<lb/> jeden Preis erstrebenswert, sondern auf die Qualität kommt es vor allem an.<lb/> Hier kommen wir zu den eigentlichen Zielen der Eugenik. Es gilt, die rohe,<lb/> brutale Naturauslese, den grausamen Untergang der erblich Schwachen, Kranken,<lb/> intellektuell oder moralisch Minderwertigen, für kommende Generationen aus¬<lb/> zuschalten und überflüssig zu machen; es gilt, das angeborene Elend zu ver¬<lb/> hindern, indem die Fortpflanzung derjenigen Bevölkerungselemente gehemmt<lb/> wird, deren Nachkommenschaft ein Unglück für diese selbst und eine Gefahr für<lb/> die Nation bedeutet. Schwachsinnigen, Krüppeln, Geisteskranken usw. soll in<lb/> jeder Form ihr schweres Dasein erleichtert werden; aber im Namen der Humanität<lb/> wie der Rassetüchtigkeit muß verhindert werden, daß sie ihr Unglück durch Fort¬<lb/> pflanzung vermehren und auf künftige Geschlechter erblich übertragen. Nicht<lb/> nur direkter staatlicher Zwang, sondern auch moralischer Einfluß und andere<lb/> Motive können der Fortpflanzung der Minderwertigen, der erblichen Übertragung<lb/> ihres Unglücks, entgegengestellt werden. Mit Recht bezeichnet Schallmayer es<lb/> als engsichtig, wenn man die Eugenik in praktischen Gegensatz zu sozialer Für¬<lb/> sorge und hygienischem Schutz für die Schwachen zu bringen sucht. Die Eugenik<lb/> kämpft für die Zukunft des Menschengeschlechtes und fordert opferfreudige Arbeit<lb/> für dies Ziel. Sie bedarf der gleichen altruistischen, hilfsbereiten Gesinnung,<lb/> die zur Bekämpfung des Unglücks in der gegenwärtigen Generation erforderlich<lb/> ist (auch der Eugeniker Ploetz u. a. betonen diesen Gedanken), und dazu des<lb/> weiten Blickes, der allein wirksame Bekämpfung sozialer Schäden ermöglicht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0502]
Rassedienst
darstellt? Zunächst fällt im Daseinskampf der Völker die Kopfzahl, die Volks¬
vermehrung schwer ins Gewicht. Freilich erscheint nicht die ausgiebigste Ver¬
mehrung um jeden Preis, über das Maß hinaus, welches durch die jeweilig
verfügbaren Existenzmittel gegeben ist, als erstrebenswertes Ziel. Jedoch ist die
Gefahr, daß durch eine Volksvermehrung anstrebende Politik chronische Über¬
völkerung bei uns entstehen könnte, wohl nicht allzu groß. Abstufung der
Steuerkasten nach Maßgabe der Kinderzahl ist sehr zu empfehlen; man darf
allerdings nur eine geringe Wirkung dieser Einrichtung erhoffen. Rechtliche und
anderweitige Festigung des Familienverbandes möchte wohl in gleicher Richtung
günstig wirken. Die Scheidung kinderloser Ehen könnte erleichtert werden. Am
wichtigsten bliebe aber die mit allen Mitteln der Erziehung usw. anzustrebende
Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Freiwillige Ehelosigkeit des gesunden,
vollwertigen Menschen müßte als Pflichtverletzung gegen die Nation gelten; die
brave Erziehung einer tüchtigen Kinderschar, einer Zahl, wie sie ordentlich
gepflegt und herangebildet werden kann, müßte als eine aller Ehren werte
öffentliche Leistung geachtet und tunlichst erleichtert werden. Kinderlosigkeit
müßte als Unglück angesehen werden. Solche Anschauungen haben Völker stark
und groß gemacht. Einfluß und Beispiel führender Kreise könnten auch wohl
bei uns in dieser Richtung etwas erreichen. Beschränkung der Kinderzahl um
des Luxus und der Repräsentation willen sollte als Schande gelten.
Natürlich ist nicht Steigerung der Quantität der Nachkommenschaft um
jeden Preis erstrebenswert, sondern auf die Qualität kommt es vor allem an.
Hier kommen wir zu den eigentlichen Zielen der Eugenik. Es gilt, die rohe,
brutale Naturauslese, den grausamen Untergang der erblich Schwachen, Kranken,
intellektuell oder moralisch Minderwertigen, für kommende Generationen aus¬
zuschalten und überflüssig zu machen; es gilt, das angeborene Elend zu ver¬
hindern, indem die Fortpflanzung derjenigen Bevölkerungselemente gehemmt
wird, deren Nachkommenschaft ein Unglück für diese selbst und eine Gefahr für
die Nation bedeutet. Schwachsinnigen, Krüppeln, Geisteskranken usw. soll in
jeder Form ihr schweres Dasein erleichtert werden; aber im Namen der Humanität
wie der Rassetüchtigkeit muß verhindert werden, daß sie ihr Unglück durch Fort¬
pflanzung vermehren und auf künftige Geschlechter erblich übertragen. Nicht
nur direkter staatlicher Zwang, sondern auch moralischer Einfluß und andere
Motive können der Fortpflanzung der Minderwertigen, der erblichen Übertragung
ihres Unglücks, entgegengestellt werden. Mit Recht bezeichnet Schallmayer es
als engsichtig, wenn man die Eugenik in praktischen Gegensatz zu sozialer Für¬
sorge und hygienischem Schutz für die Schwachen zu bringen sucht. Die Eugenik
kämpft für die Zukunft des Menschengeschlechtes und fordert opferfreudige Arbeit
für dies Ziel. Sie bedarf der gleichen altruistischen, hilfsbereiten Gesinnung,
die zur Bekämpfung des Unglücks in der gegenwärtigen Generation erforderlich
ist (auch der Eugeniker Ploetz u. a. betonen diesen Gedanken), und dazu des
weiten Blickes, der allein wirksame Bekämpfung sozialer Schäden ermöglicht.
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