Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Refornworschläge für die deutschen Universitäten

bestehen wollen oder bestanden haben, die Ablegung der Doktorprüfung nur wegen
der damit erlangten Würde erfolgt, so entspricht diesem exzeptionellen Charakter
der Promotion auch die Höhe der Promotionsgebühren, die den mit Abnahme
der Prüfung verknüpften sachlichen und persönlichen Aufwand übersteigen. Der
erzielte Überschuß fließt der Regel nach in die Fakultätskasse und wird nach
gleichen Teilen unter die Fakultätsmitglieder verteilt. Infolgedessen erhalten
nicht nur Fakultätsmitglieder, die bei der betreffenden Prüfung nicht mitgewirkt
haben, einen Teil von der Promotionsgebühr, sondern auch die Examinatoren
unter den Fakultisten einen höheren, als ihren wirklichen Leistungen bei der Prüfung
entspricht. Hierzu tritt noch die auffällige Erscheinung, daß die einzelnen Uni¬
versitäten in sehr verschiedenen: Grade an den alljährlich stattfindenden Promo¬
tionen beteiligt sind. Dies geht zweifellos aus den in der eingangs erwähnten
Broschüre mitgeteilten Tabellen hervor, in denen die in den beiden Studienjahren
15. August 1906 bis 15. August 1907 und 15. August 1909 bis 15. August 1910
an den einzelnen deutschen Universitäten stattgefundenen Promotionen mit den
während dieser Studienjahre daselbst immatrikulierten Studenten unter Beifügung
des prozentualen Verhältnisses zur Gesamtzahl der an sämtlichen Universitäten
erfolgten Promotionen und Immatrikulationen verglichen worden sind.

Die Ursachen, aus denen die Promotionslustigen einzelne Universitäten
besonders bevorzugen, können auf der günstigen Lage oder sonstigen Annehm¬
lichkeit der Universitätsstadt beruhen. Auch können besondere Erleichterungen
des Studiums, vorzügliche Unterrichtsinstitute oder Krankenhäuser oder auch
hervorragende Lehrer einzelner Spezialfächer die Studenten anlocken. Alle diese
Gründe sind freilich ausgeschlossen, wenn, wie dies nachweislich gar nicht selten
der Fall ist, diejenigen, die sich auf einer Universität den Doktortitel erworben
haben, vorher gar nicht dort Studenten gewesen sind. Hiernach scheinen in der
Tat gewisse Universitäten mit Vorliebe lediglich zum Zwecke der Promotion auf¬
gesucht zu werden, und man wird zu der Vermutung gedrängt, daß die, die sie
zu diesem Behufe aufsuchen, dort leichter als anderswo ihr Ziel erreichen zu
können hoffen. Erwägt man nun, daß gegenwärtig ein starker Zustrom von
Promovenden den Fakultäten nicht unbedeutende- pekuniäre Vorteile einbringt,
so läßt sich kaum in Abrede stellen, daß die zurzeit an den deutschen Universitäten
übliche Verwendung der aus der Ausübung des Promotionsrechtes der Fakultäten
fließenden Einnahmen in Verbindung mit dem verschiedenen Umfange der Aus¬
übung dieses Rechtes seitens verschiedener Fakultäten geeignet erscheint, auf die
Handhabung des Promotionsrechtes seitens einzelner Fakultäten ein ungünstiges
Licht zu werfen und dadurch das Ansehen des aus den deutschen Universitäten
erworbenen Doktortitels zu schädigen.

Das beste Mittel zur Verbesserung dieses Mißstandes könnte in denjenigen
Bestimmungen gefunden werden, die bei der Übertragung des Promotionsrechtes
an die deutschen Technischen Hochschulen über die Verwendung der Prüfungs¬
gebühren in grundsätzlicher Übereinstimmung der beteiligten Bundesstaaten getroffen


Refornworschläge für die deutschen Universitäten

bestehen wollen oder bestanden haben, die Ablegung der Doktorprüfung nur wegen
der damit erlangten Würde erfolgt, so entspricht diesem exzeptionellen Charakter
der Promotion auch die Höhe der Promotionsgebühren, die den mit Abnahme
der Prüfung verknüpften sachlichen und persönlichen Aufwand übersteigen. Der
erzielte Überschuß fließt der Regel nach in die Fakultätskasse und wird nach
gleichen Teilen unter die Fakultätsmitglieder verteilt. Infolgedessen erhalten
nicht nur Fakultätsmitglieder, die bei der betreffenden Prüfung nicht mitgewirkt
haben, einen Teil von der Promotionsgebühr, sondern auch die Examinatoren
unter den Fakultisten einen höheren, als ihren wirklichen Leistungen bei der Prüfung
entspricht. Hierzu tritt noch die auffällige Erscheinung, daß die einzelnen Uni¬
versitäten in sehr verschiedenen: Grade an den alljährlich stattfindenden Promo¬
tionen beteiligt sind. Dies geht zweifellos aus den in der eingangs erwähnten
Broschüre mitgeteilten Tabellen hervor, in denen die in den beiden Studienjahren
15. August 1906 bis 15. August 1907 und 15. August 1909 bis 15. August 1910
an den einzelnen deutschen Universitäten stattgefundenen Promotionen mit den
während dieser Studienjahre daselbst immatrikulierten Studenten unter Beifügung
des prozentualen Verhältnisses zur Gesamtzahl der an sämtlichen Universitäten
erfolgten Promotionen und Immatrikulationen verglichen worden sind.

Die Ursachen, aus denen die Promotionslustigen einzelne Universitäten
besonders bevorzugen, können auf der günstigen Lage oder sonstigen Annehm¬
lichkeit der Universitätsstadt beruhen. Auch können besondere Erleichterungen
des Studiums, vorzügliche Unterrichtsinstitute oder Krankenhäuser oder auch
hervorragende Lehrer einzelner Spezialfächer die Studenten anlocken. Alle diese
Gründe sind freilich ausgeschlossen, wenn, wie dies nachweislich gar nicht selten
der Fall ist, diejenigen, die sich auf einer Universität den Doktortitel erworben
haben, vorher gar nicht dort Studenten gewesen sind. Hiernach scheinen in der
Tat gewisse Universitäten mit Vorliebe lediglich zum Zwecke der Promotion auf¬
gesucht zu werden, und man wird zu der Vermutung gedrängt, daß die, die sie
zu diesem Behufe aufsuchen, dort leichter als anderswo ihr Ziel erreichen zu
können hoffen. Erwägt man nun, daß gegenwärtig ein starker Zustrom von
Promovenden den Fakultäten nicht unbedeutende- pekuniäre Vorteile einbringt,
so läßt sich kaum in Abrede stellen, daß die zurzeit an den deutschen Universitäten
übliche Verwendung der aus der Ausübung des Promotionsrechtes der Fakultäten
fließenden Einnahmen in Verbindung mit dem verschiedenen Umfange der Aus¬
übung dieses Rechtes seitens verschiedener Fakultäten geeignet erscheint, auf die
Handhabung des Promotionsrechtes seitens einzelner Fakultäten ein ungünstiges
Licht zu werfen und dadurch das Ansehen des aus den deutschen Universitäten
erworbenen Doktortitels zu schädigen.

Das beste Mittel zur Verbesserung dieses Mißstandes könnte in denjenigen
Bestimmungen gefunden werden, die bei der Übertragung des Promotionsrechtes
an die deutschen Technischen Hochschulen über die Verwendung der Prüfungs¬
gebühren in grundsätzlicher Übereinstimmung der beteiligten Bundesstaaten getroffen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318553"/>
            <fw type="header" place="top"> Refornworschläge für die deutschen Universitäten</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1305" prev="#ID_1304"> bestehen wollen oder bestanden haben, die Ablegung der Doktorprüfung nur wegen<lb/>
der damit erlangten Würde erfolgt, so entspricht diesem exzeptionellen Charakter<lb/>
der Promotion auch die Höhe der Promotionsgebühren, die den mit Abnahme<lb/>
der Prüfung verknüpften sachlichen und persönlichen Aufwand übersteigen. Der<lb/>
erzielte Überschuß fließt der Regel nach in die Fakultätskasse und wird nach<lb/>
gleichen Teilen unter die Fakultätsmitglieder verteilt. Infolgedessen erhalten<lb/>
nicht nur Fakultätsmitglieder, die bei der betreffenden Prüfung nicht mitgewirkt<lb/>
haben, einen Teil von der Promotionsgebühr, sondern auch die Examinatoren<lb/>
unter den Fakultisten einen höheren, als ihren wirklichen Leistungen bei der Prüfung<lb/>
entspricht. Hierzu tritt noch die auffällige Erscheinung, daß die einzelnen Uni¬<lb/>
versitäten in sehr verschiedenen: Grade an den alljährlich stattfindenden Promo¬<lb/>
tionen beteiligt sind. Dies geht zweifellos aus den in der eingangs erwähnten<lb/>
Broschüre mitgeteilten Tabellen hervor, in denen die in den beiden Studienjahren<lb/>
15. August 1906 bis 15. August 1907 und 15. August 1909 bis 15. August 1910<lb/>
an den einzelnen deutschen Universitäten stattgefundenen Promotionen mit den<lb/>
während dieser Studienjahre daselbst immatrikulierten Studenten unter Beifügung<lb/>
des prozentualen Verhältnisses zur Gesamtzahl der an sämtlichen Universitäten<lb/>
erfolgten Promotionen und Immatrikulationen verglichen worden sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1306"> Die Ursachen, aus denen die Promotionslustigen einzelne Universitäten<lb/>
besonders bevorzugen, können auf der günstigen Lage oder sonstigen Annehm¬<lb/>
lichkeit der Universitätsstadt beruhen. Auch können besondere Erleichterungen<lb/>
des Studiums, vorzügliche Unterrichtsinstitute oder Krankenhäuser oder auch<lb/>
hervorragende Lehrer einzelner Spezialfächer die Studenten anlocken. Alle diese<lb/>
Gründe sind freilich ausgeschlossen, wenn, wie dies nachweislich gar nicht selten<lb/>
der Fall ist, diejenigen, die sich auf einer Universität den Doktortitel erworben<lb/>
haben, vorher gar nicht dort Studenten gewesen sind. Hiernach scheinen in der<lb/>
Tat gewisse Universitäten mit Vorliebe lediglich zum Zwecke der Promotion auf¬<lb/>
gesucht zu werden, und man wird zu der Vermutung gedrängt, daß die, die sie<lb/>
zu diesem Behufe aufsuchen, dort leichter als anderswo ihr Ziel erreichen zu<lb/>
können hoffen. Erwägt man nun, daß gegenwärtig ein starker Zustrom von<lb/>
Promovenden den Fakultäten nicht unbedeutende- pekuniäre Vorteile einbringt,<lb/>
so läßt sich kaum in Abrede stellen, daß die zurzeit an den deutschen Universitäten<lb/>
übliche Verwendung der aus der Ausübung des Promotionsrechtes der Fakultäten<lb/>
fließenden Einnahmen in Verbindung mit dem verschiedenen Umfange der Aus¬<lb/>
übung dieses Rechtes seitens verschiedener Fakultäten geeignet erscheint, auf die<lb/>
Handhabung des Promotionsrechtes seitens einzelner Fakultäten ein ungünstiges<lb/>
Licht zu werfen und dadurch das Ansehen des aus den deutschen Universitäten<lb/>
erworbenen Doktortitels zu schädigen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1307" next="#ID_1308"> Das beste Mittel zur Verbesserung dieses Mißstandes könnte in denjenigen<lb/>
Bestimmungen gefunden werden, die bei der Übertragung des Promotionsrechtes<lb/>
an die deutschen Technischen Hochschulen über die Verwendung der Prüfungs¬<lb/>
gebühren in grundsätzlicher Übereinstimmung der beteiligten Bundesstaaten getroffen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] Refornworschläge für die deutschen Universitäten bestehen wollen oder bestanden haben, die Ablegung der Doktorprüfung nur wegen der damit erlangten Würde erfolgt, so entspricht diesem exzeptionellen Charakter der Promotion auch die Höhe der Promotionsgebühren, die den mit Abnahme der Prüfung verknüpften sachlichen und persönlichen Aufwand übersteigen. Der erzielte Überschuß fließt der Regel nach in die Fakultätskasse und wird nach gleichen Teilen unter die Fakultätsmitglieder verteilt. Infolgedessen erhalten nicht nur Fakultätsmitglieder, die bei der betreffenden Prüfung nicht mitgewirkt haben, einen Teil von der Promotionsgebühr, sondern auch die Examinatoren unter den Fakultisten einen höheren, als ihren wirklichen Leistungen bei der Prüfung entspricht. Hierzu tritt noch die auffällige Erscheinung, daß die einzelnen Uni¬ versitäten in sehr verschiedenen: Grade an den alljährlich stattfindenden Promo¬ tionen beteiligt sind. Dies geht zweifellos aus den in der eingangs erwähnten Broschüre mitgeteilten Tabellen hervor, in denen die in den beiden Studienjahren 15. August 1906 bis 15. August 1907 und 15. August 1909 bis 15. August 1910 an den einzelnen deutschen Universitäten stattgefundenen Promotionen mit den während dieser Studienjahre daselbst immatrikulierten Studenten unter Beifügung des prozentualen Verhältnisses zur Gesamtzahl der an sämtlichen Universitäten erfolgten Promotionen und Immatrikulationen verglichen worden sind. Die Ursachen, aus denen die Promotionslustigen einzelne Universitäten besonders bevorzugen, können auf der günstigen Lage oder sonstigen Annehm¬ lichkeit der Universitätsstadt beruhen. Auch können besondere Erleichterungen des Studiums, vorzügliche Unterrichtsinstitute oder Krankenhäuser oder auch hervorragende Lehrer einzelner Spezialfächer die Studenten anlocken. Alle diese Gründe sind freilich ausgeschlossen, wenn, wie dies nachweislich gar nicht selten der Fall ist, diejenigen, die sich auf einer Universität den Doktortitel erworben haben, vorher gar nicht dort Studenten gewesen sind. Hiernach scheinen in der Tat gewisse Universitäten mit Vorliebe lediglich zum Zwecke der Promotion auf¬ gesucht zu werden, und man wird zu der Vermutung gedrängt, daß die, die sie zu diesem Behufe aufsuchen, dort leichter als anderswo ihr Ziel erreichen zu können hoffen. Erwägt man nun, daß gegenwärtig ein starker Zustrom von Promovenden den Fakultäten nicht unbedeutende- pekuniäre Vorteile einbringt, so läßt sich kaum in Abrede stellen, daß die zurzeit an den deutschen Universitäten übliche Verwendung der aus der Ausübung des Promotionsrechtes der Fakultäten fließenden Einnahmen in Verbindung mit dem verschiedenen Umfange der Aus¬ übung dieses Rechtes seitens verschiedener Fakultäten geeignet erscheint, auf die Handhabung des Promotionsrechtes seitens einzelner Fakultäten ein ungünstiges Licht zu werfen und dadurch das Ansehen des aus den deutschen Universitäten erworbenen Doktortitels zu schädigen. Das beste Mittel zur Verbesserung dieses Mißstandes könnte in denjenigen Bestimmungen gefunden werden, die bei der Übertragung des Promotionsrechtes an die deutschen Technischen Hochschulen über die Verwendung der Prüfungs¬ gebühren in grundsätzlicher Übereinstimmung der beteiligten Bundesstaaten getroffen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/270
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/270>, abgerufen am 26.06.2024.