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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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dieser Ausnahme im übrigen streng darauf gehalten, daß alle anderen Waffen
mit Bezug auf Rang und Gehalt gleichen Schritt mit der Hauptwaffe, mit der
Infanterie, hielten. Dieser durchaus normale, den Lebensinteressen jeder Armee
entsprechende Zustand besteht übrigens in den anderen europäischen Heeren und
ebenso im japanischen noch heute. Er wurde bei uns bei der Verdoppelung
der Feldartillerie und Vermehrung der Fußartillerie verlassen. Die Jnfanterie-
regimentskommandeure, deren Hauptaugenmerk naturgemäß darauf gerichtet sein
muß, ihre Truppe vollzählig zu erhalten, d. h. für einen geeigneten Nachwuchs
zu sorgen, hoffen mit der Besserung der Beförderungsverhältnisse auch wieder
den Strom der Offizieranwärter in die Infanterieregimenter zu leiten. Vorüber¬
gehend mag tatsächlich eine solche Wirkung eintreten. Aber es ist doch sehr die
Frage, ob eine solche Maßregel auf die Dauer Erfolg versprechen kann. Wir
glauben es nicht. Denn dieselben Stagnationserscheinungen, die für die In¬
fanterie offen zutage liegen, machen sich in steigendem Maße auch bei der zweit¬
größten Waffe, bei der Feldartillerie, bemerkbar. Nur die Fußartillerie und die
technischen Truppen stehen zurzeit günstiger, weil sie mit Rücksicht auf allerlei
technische Fortschritte vermehrt werden müssen. Wenn diese Konjunktur vorüber¬
gegangen sein wird, dürften sich auch für die technischen Truppen die Beförderungs¬
verhältnisse ungünstiger gestalten und zwischen den einzelnen Waffengattungen
wäre der Ausgleich wieder hergestellt.

Doch damit ist weder der Armee noch der Infanterie im besonderen gedient.
Wie schon im Heft 10 hervorgehoben wurde, bedarf die Armee junger, leistungs¬
fähiger Männer gerade in den Stellungen vom Hauptmann bis zum Regiments¬
kommandeur einschließlich. Die oben wiedergegebenen Vorschläge berücksichtigen
diese Forderung gar nicht. Denn bei der heutigen Regelung des Offizier¬
ersatzes gibt es nur ein Mittel, das Heer vor überalterten Offizieren zu schützen:
die Verabschiedung. Wer keine Aussicht hat, mit dem funfzigsten Lebensjahr
die Stellung des Regimentskommandeurs zu erreichen, müßte im Interesse der
Schlagfertigkeit der Armee den aktiven Heeresdienst verlassen. Bei dem heutigen
Alter unserer Offiziere müßten weit über tausend Hauptleute und Majors
pensioniert werden, um der angegebenen Bedingung gerecht zu werden. Wer
aber wollte es im Hinblick auf die vielfache dadurch hervorgerufene Not wagen,
einen solchen Vorschlag zu vertreten? Wer wollte es wagen, das Elend, in dem
Tausende ehemaliger Offiziere schon jetzt leben, noch zu vergrößern? -- Die Heeres¬
verwaltung sucht den an sie gestellten technischen Anforderungen gerecht zu werden
durch Vorpatentierung solcher Offiziere, die nach jeder Richtung eine Gewähr
dafür bieten, mit Erfolg als höhere Führer, mindestens aber als Regiments¬
kommandeure verwendet werden zu können. Die Vorpatentierungen beschränken sich
deshalb nicht mehr auf die Generalstabsoffiziere und Adjutanten, sondern auch auf
tüchtige Frontoffiziere. In dieser Ausdehnung der Vorpatenticrung mag eine
gewisse Gewähr für die Verjüngung der höheren Offiziere liegen. Aber die
Gewähr ist beeinträchtigt durch die Gefahr, daß mit den Vorpatentierungen


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dieser Ausnahme im übrigen streng darauf gehalten, daß alle anderen Waffen
mit Bezug auf Rang und Gehalt gleichen Schritt mit der Hauptwaffe, mit der
Infanterie, hielten. Dieser durchaus normale, den Lebensinteressen jeder Armee
entsprechende Zustand besteht übrigens in den anderen europäischen Heeren und
ebenso im japanischen noch heute. Er wurde bei uns bei der Verdoppelung
der Feldartillerie und Vermehrung der Fußartillerie verlassen. Die Jnfanterie-
regimentskommandeure, deren Hauptaugenmerk naturgemäß darauf gerichtet sein
muß, ihre Truppe vollzählig zu erhalten, d. h. für einen geeigneten Nachwuchs
zu sorgen, hoffen mit der Besserung der Beförderungsverhältnisse auch wieder
den Strom der Offizieranwärter in die Infanterieregimenter zu leiten. Vorüber¬
gehend mag tatsächlich eine solche Wirkung eintreten. Aber es ist doch sehr die
Frage, ob eine solche Maßregel auf die Dauer Erfolg versprechen kann. Wir
glauben es nicht. Denn dieselben Stagnationserscheinungen, die für die In¬
fanterie offen zutage liegen, machen sich in steigendem Maße auch bei der zweit¬
größten Waffe, bei der Feldartillerie, bemerkbar. Nur die Fußartillerie und die
technischen Truppen stehen zurzeit günstiger, weil sie mit Rücksicht auf allerlei
technische Fortschritte vermehrt werden müssen. Wenn diese Konjunktur vorüber¬
gegangen sein wird, dürften sich auch für die technischen Truppen die Beförderungs¬
verhältnisse ungünstiger gestalten und zwischen den einzelnen Waffengattungen
wäre der Ausgleich wieder hergestellt.

Doch damit ist weder der Armee noch der Infanterie im besonderen gedient.
Wie schon im Heft 10 hervorgehoben wurde, bedarf die Armee junger, leistungs¬
fähiger Männer gerade in den Stellungen vom Hauptmann bis zum Regiments¬
kommandeur einschließlich. Die oben wiedergegebenen Vorschläge berücksichtigen
diese Forderung gar nicht. Denn bei der heutigen Regelung des Offizier¬
ersatzes gibt es nur ein Mittel, das Heer vor überalterten Offizieren zu schützen:
die Verabschiedung. Wer keine Aussicht hat, mit dem funfzigsten Lebensjahr
die Stellung des Regimentskommandeurs zu erreichen, müßte im Interesse der
Schlagfertigkeit der Armee den aktiven Heeresdienst verlassen. Bei dem heutigen
Alter unserer Offiziere müßten weit über tausend Hauptleute und Majors
pensioniert werden, um der angegebenen Bedingung gerecht zu werden. Wer
aber wollte es im Hinblick auf die vielfache dadurch hervorgerufene Not wagen,
einen solchen Vorschlag zu vertreten? Wer wollte es wagen, das Elend, in dem
Tausende ehemaliger Offiziere schon jetzt leben, noch zu vergrößern? — Die Heeres¬
verwaltung sucht den an sie gestellten technischen Anforderungen gerecht zu werden
durch Vorpatentierung solcher Offiziere, die nach jeder Richtung eine Gewähr
dafür bieten, mit Erfolg als höhere Führer, mindestens aber als Regiments¬
kommandeure verwendet werden zu können. Die Vorpatentierungen beschränken sich
deshalb nicht mehr auf die Generalstabsoffiziere und Adjutanten, sondern auch auf
tüchtige Frontoffiziere. In dieser Ausdehnung der Vorpatenticrung mag eine
gewisse Gewähr für die Verjüngung der höheren Offiziere liegen. Aber die
Gewähr ist beeinträchtigt durch die Gefahr, daß mit den Vorpatentierungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/198>, abgerufen am 26.06.2024.