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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Gartenkunst

wo er sich nicht ganz von der Wohnung gelöst hat, das Herrenhaus als Aus¬
gangs- und Mittelpunkt des Gartens und begreifen, von ihm ausblickend, alle
Teile der Gärten jeweils als Ausdruck geistig-körperlicher Bedürfnisse eines
fürstlichen Menschen, eines adligen Standes oder einer geistigen Gemeinschaft.
Sucht man heute nach ähnlich geschlossenen Zentren und untersucht -- wie es
bei Gelegenheit des Planes eines großen Hamburger Stadtparkes geschehen ist
(s. Lichtwark S. 65) -- die Bedürfnisse der sozial oder örtlich gebundenen Kreise,
welche heute wieder dem Gartenbau zuneigen, so stößt man beschämt auf die
geistige Armut dieser Zeit, die zwar einen ungeheuren Wust von Stoffen auf¬
gehäuft hat, aber nicht vermochte, das Leben in starke Formen zu binden
und das Äußere in schönen und festen Gesetzen zu gestalten. Denn in den
Plänen zum Hamburger Stadtpark, für den ohne die Kosten des Grunderwerbs
fast 1^/2 Millionen Mark ausgeworfen wurde, sind wie in allen bürgerlichen
Anlagen des letzten halben Jahrhunderts der Bierausschank und das Kaffeehaus
wieder das beherrschende Zentrum geworden und sprechen deutlich für das wesent¬
liche Bedürfnis der städtischen Bevölkerung. Gewiß, man hat hier und an
anderen Stellen nach den guten Anregungen der Künstler die schlimmsten Irrwege
verlassen und nähert sich in den Einzelteilen wieder einer strengen Auffassung
der Gartenkunst: man hat die Schlängelwege und kleinen Abhänge verlassen
und will regelmäßige Wasserbecken, offene Haine, flache Spielwiesen und Sport¬
plätze schaffen; aber diese Teile bilden kein gesetzmäßiges Ganzes, und man braucht
nur die Pläne der neueren Anlagen neben die der alten Gärten zu halten, um
hier sofort das Gefühl eines geistigen Zwanges, dort einer örtlichen Willkür zu
spüren. Die Anreger der großen städtischen Anlagen haben nach amerikanischem
Vorbild -- fast möchte man sagen Snobismus -- ein wenig das Bild des alten
hellenischen Olympia vor Augen, aber sie mögen bedenken, daß sich aus der
Summe von Vergnügungslokal und volkshygienischen Einrichtungen so wenig
eine Stätte hoher Kultur bilden läßt, wie die heutigen Sportübungen allein
einen griechischen Körper aufzubauen vermöchten. Die Künstler, denen solche
Aufgaben übertragen werden, haben ein Recht -- solange ihr Schaffen rein ist
und keine unehrlichen Kompromisse schließt --, sie in ihrem Sinne zu lösen,
aber der Kompromiß beginnt freilich schon, wenn sie für scheinbare Bedürfnisse
ein willkürliches Gehäuse schaffen. Sie wie die Urheber sollen vor allem vor
dem Überflüssigem zurückschrecken und nicht aus Prunksucht in leeren Überschwang
verfallen. Uns tut heute not, eine Jugend heraufzuführen -- wir haben an
anderer Stelle erklärt, von welchem Zentrum wir sie genährt glauben--, welche
wieder eine geistige Gemeinschaft bindet, und die aus ihren Notwendigkeiten
die Gesetze und Gebilde eines hohen Lebens erzeugt; dazu genügt aber auch in
der neuen Gartenkunst, zunächst auf die einfachsten Formen zurückzugehen und
bei den schlichtesten Anfängen zu beharren, bis sie sich, ganz mit dem neuen
Geiste erfüllt, von innen selbst weiterbilden.




Die neue Gartenkunst

wo er sich nicht ganz von der Wohnung gelöst hat, das Herrenhaus als Aus¬
gangs- und Mittelpunkt des Gartens und begreifen, von ihm ausblickend, alle
Teile der Gärten jeweils als Ausdruck geistig-körperlicher Bedürfnisse eines
fürstlichen Menschen, eines adligen Standes oder einer geistigen Gemeinschaft.
Sucht man heute nach ähnlich geschlossenen Zentren und untersucht — wie es
bei Gelegenheit des Planes eines großen Hamburger Stadtparkes geschehen ist
(s. Lichtwark S. 65) — die Bedürfnisse der sozial oder örtlich gebundenen Kreise,
welche heute wieder dem Gartenbau zuneigen, so stößt man beschämt auf die
geistige Armut dieser Zeit, die zwar einen ungeheuren Wust von Stoffen auf¬
gehäuft hat, aber nicht vermochte, das Leben in starke Formen zu binden
und das Äußere in schönen und festen Gesetzen zu gestalten. Denn in den
Plänen zum Hamburger Stadtpark, für den ohne die Kosten des Grunderwerbs
fast 1^/2 Millionen Mark ausgeworfen wurde, sind wie in allen bürgerlichen
Anlagen des letzten halben Jahrhunderts der Bierausschank und das Kaffeehaus
wieder das beherrschende Zentrum geworden und sprechen deutlich für das wesent¬
liche Bedürfnis der städtischen Bevölkerung. Gewiß, man hat hier und an
anderen Stellen nach den guten Anregungen der Künstler die schlimmsten Irrwege
verlassen und nähert sich in den Einzelteilen wieder einer strengen Auffassung
der Gartenkunst: man hat die Schlängelwege und kleinen Abhänge verlassen
und will regelmäßige Wasserbecken, offene Haine, flache Spielwiesen und Sport¬
plätze schaffen; aber diese Teile bilden kein gesetzmäßiges Ganzes, und man braucht
nur die Pläne der neueren Anlagen neben die der alten Gärten zu halten, um
hier sofort das Gefühl eines geistigen Zwanges, dort einer örtlichen Willkür zu
spüren. Die Anreger der großen städtischen Anlagen haben nach amerikanischem
Vorbild — fast möchte man sagen Snobismus — ein wenig das Bild des alten
hellenischen Olympia vor Augen, aber sie mögen bedenken, daß sich aus der
Summe von Vergnügungslokal und volkshygienischen Einrichtungen so wenig
eine Stätte hoher Kultur bilden läßt, wie die heutigen Sportübungen allein
einen griechischen Körper aufzubauen vermöchten. Die Künstler, denen solche
Aufgaben übertragen werden, haben ein Recht — solange ihr Schaffen rein ist
und keine unehrlichen Kompromisse schließt —, sie in ihrem Sinne zu lösen,
aber der Kompromiß beginnt freilich schon, wenn sie für scheinbare Bedürfnisse
ein willkürliches Gehäuse schaffen. Sie wie die Urheber sollen vor allem vor
dem Überflüssigem zurückschrecken und nicht aus Prunksucht in leeren Überschwang
verfallen. Uns tut heute not, eine Jugend heraufzuführen — wir haben an
anderer Stelle erklärt, von welchem Zentrum wir sie genährt glauben—, welche
wieder eine geistige Gemeinschaft bindet, und die aus ihren Notwendigkeiten
die Gesetze und Gebilde eines hohen Lebens erzeugt; dazu genügt aber auch in
der neuen Gartenkunst, zunächst auf die einfachsten Formen zurückzugehen und
bei den schlichtesten Anfängen zu beharren, bis sie sich, ganz mit dem neuen
Geiste erfüllt, von innen selbst weiterbilden.




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[0171] Die neue Gartenkunst wo er sich nicht ganz von der Wohnung gelöst hat, das Herrenhaus als Aus¬ gangs- und Mittelpunkt des Gartens und begreifen, von ihm ausblickend, alle Teile der Gärten jeweils als Ausdruck geistig-körperlicher Bedürfnisse eines fürstlichen Menschen, eines adligen Standes oder einer geistigen Gemeinschaft. Sucht man heute nach ähnlich geschlossenen Zentren und untersucht — wie es bei Gelegenheit des Planes eines großen Hamburger Stadtparkes geschehen ist (s. Lichtwark S. 65) — die Bedürfnisse der sozial oder örtlich gebundenen Kreise, welche heute wieder dem Gartenbau zuneigen, so stößt man beschämt auf die geistige Armut dieser Zeit, die zwar einen ungeheuren Wust von Stoffen auf¬ gehäuft hat, aber nicht vermochte, das Leben in starke Formen zu binden und das Äußere in schönen und festen Gesetzen zu gestalten. Denn in den Plänen zum Hamburger Stadtpark, für den ohne die Kosten des Grunderwerbs fast 1^/2 Millionen Mark ausgeworfen wurde, sind wie in allen bürgerlichen Anlagen des letzten halben Jahrhunderts der Bierausschank und das Kaffeehaus wieder das beherrschende Zentrum geworden und sprechen deutlich für das wesent¬ liche Bedürfnis der städtischen Bevölkerung. Gewiß, man hat hier und an anderen Stellen nach den guten Anregungen der Künstler die schlimmsten Irrwege verlassen und nähert sich in den Einzelteilen wieder einer strengen Auffassung der Gartenkunst: man hat die Schlängelwege und kleinen Abhänge verlassen und will regelmäßige Wasserbecken, offene Haine, flache Spielwiesen und Sport¬ plätze schaffen; aber diese Teile bilden kein gesetzmäßiges Ganzes, und man braucht nur die Pläne der neueren Anlagen neben die der alten Gärten zu halten, um hier sofort das Gefühl eines geistigen Zwanges, dort einer örtlichen Willkür zu spüren. Die Anreger der großen städtischen Anlagen haben nach amerikanischem Vorbild — fast möchte man sagen Snobismus — ein wenig das Bild des alten hellenischen Olympia vor Augen, aber sie mögen bedenken, daß sich aus der Summe von Vergnügungslokal und volkshygienischen Einrichtungen so wenig eine Stätte hoher Kultur bilden läßt, wie die heutigen Sportübungen allein einen griechischen Körper aufzubauen vermöchten. Die Künstler, denen solche Aufgaben übertragen werden, haben ein Recht — solange ihr Schaffen rein ist und keine unehrlichen Kompromisse schließt —, sie in ihrem Sinne zu lösen, aber der Kompromiß beginnt freilich schon, wenn sie für scheinbare Bedürfnisse ein willkürliches Gehäuse schaffen. Sie wie die Urheber sollen vor allem vor dem Überflüssigem zurückschrecken und nicht aus Prunksucht in leeren Überschwang verfallen. Uns tut heute not, eine Jugend heraufzuführen — wir haben an anderer Stelle erklärt, von welchem Zentrum wir sie genährt glauben—, welche wieder eine geistige Gemeinschaft bindet, und die aus ihren Notwendigkeiten die Gesetze und Gebilde eines hohen Lebens erzeugt; dazu genügt aber auch in der neuen Gartenkunst, zunächst auf die einfachsten Formen zurückzugehen und bei den schlichtesten Anfängen zu beharren, bis sie sich, ganz mit dem neuen Geiste erfüllt, von innen selbst weiterbilden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/171>, abgerufen am 03.07.2024.