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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Organisation des südwestafrikamschen Bodenkredits

burgs Zeiten eine ganze Reihe von Leuten mit Unterstützung der Negierung in
der Kolonie angesiedelt worden sind, die außer der staatlichen Subvention kein
oder nur geringes Betriebskapital besaßen. Soweit diese Leute nicht inzwischen
verkracht sind, sind sie ganz tüchtige Farmer geworden, die teilweise ihr leidliches
Auskommen haben, ohne jedoch sich entwickeln zu können, teilweise auch an den
Folgen von Fehlschlagen leiden. Diesen Leuten auf die Beine und weiter zu
helfen, ist eine moralische Pflicht der Regierung.

Nun gibt es aber auch zahlreiche Farmer draußen, die mit einem an sich
ausreichenden Betriebskapital begonnen haben. Sie haben sich gutes Land gekauft,
haben solide Baulichkeiten errichtet und ihre Farm sachgemäß "bestockt", d. h. einen
nach landläufigen Begriffen ausreichenden Viehbestand geschaffen. An sich haben
sie jetzt ganz gut zu leben. Aber das genügt ihrem Streben nicht, sie wollen
die Farmwirtschaft auf eine höhere Stufe bringen. Sie wollen ihr Vieh durch
Kreuzung mit anderen Rassen veredeln, sie wollen Bewässerungsanlagen errichten
oder ihren Grund und Boden durch Dränagearbeiten verbessern, Straußenzucht
anfangen und was der wirtschaftlichen Möglichkeiten in Südwest mehr sind.
Aber dazu haben sie kein Geld und auch keinen Kredit.

Schon lange zerbricht man sich in kolonialen Kreisen die Köpfe über das
Problem der Kreditbeschaffung in den Kolonien, bedauerlicherweise hat sich aber
die Kolonialverwaltung an diesen Erwägungen nicht beteiligt, sondern die Lösung
der Frage immer wieder privater Initiative zugeschoben. Obwohl Dernburg
offenbar den Kern der Sache wohl erkannt und bei seiner Anwesenheit in der
Kolonie der Vertretung der Farmer versprochen hatte, für die Gründung eines
staatlichen Kreditinstituts Sorge zu tragen, hat er nachher die einschlägigen
Bestrebungen wieder auf die falsche Fährte gelenkt, indem er auf die Lösung
der Frage im Wege des Personalkredits auf genossenschaftlicher Grundlage
hinwies. Als gewiegter Finanzmann muß er sich doch eigentlich darüber klar
gewesen sein, daß dies im besten Fall ein Notbehelf für kleine Geldnöte sein
kann, allenfalls eine Hilfe für Kleinstedler. Die extensive Latifundienwirtschaft
der großen Farmer braucht zur Verbesserung und rationellen Gestaltung ihrer
Wirtschaftsmethoden langfristige Kredite zu billigen Bedingungen, wie sie nur
auf dem Wege großzügiger staatlicher Organisation des Bodenkredits zu beschaffen
sind. Es handelt sich, wie gesagt, in Südwest nur zum Teil um Leute, die in
Not sind, vielmehr auch um solche, die sich mit Hilfe des Kredits entfalten wollen,
und es liegt ebensosehr im öffentlichen Interesse, wie in dem der Leute selbst,
daß ihnen dies ermöglicht wird. In der Heimat kann sich ein Landwirt, der
mit genügendem Kapital eine solide Wirtschaft geschaffen hat, unschwer billigen
Hypothekarkredit zum Zweck von Verbesserungen des Betriebs beschaffen, in
Südwestafrika gibt es noch gar keine Grundlagen zur Berechnung privaten
Bodenkredits. Der Farmer ist also in der gleichen Lage viel schlechter gestellt
als sein Berufsgenosse in der Heimat. Und das ist ein auf die Dauer für die
Entwickelung der Kolonie unhaltbarer Zustand. Wir sind zweifellos schon heilte


Organisation des südwestafrikamschen Bodenkredits

burgs Zeiten eine ganze Reihe von Leuten mit Unterstützung der Negierung in
der Kolonie angesiedelt worden sind, die außer der staatlichen Subvention kein
oder nur geringes Betriebskapital besaßen. Soweit diese Leute nicht inzwischen
verkracht sind, sind sie ganz tüchtige Farmer geworden, die teilweise ihr leidliches
Auskommen haben, ohne jedoch sich entwickeln zu können, teilweise auch an den
Folgen von Fehlschlagen leiden. Diesen Leuten auf die Beine und weiter zu
helfen, ist eine moralische Pflicht der Regierung.

Nun gibt es aber auch zahlreiche Farmer draußen, die mit einem an sich
ausreichenden Betriebskapital begonnen haben. Sie haben sich gutes Land gekauft,
haben solide Baulichkeiten errichtet und ihre Farm sachgemäß „bestockt", d. h. einen
nach landläufigen Begriffen ausreichenden Viehbestand geschaffen. An sich haben
sie jetzt ganz gut zu leben. Aber das genügt ihrem Streben nicht, sie wollen
die Farmwirtschaft auf eine höhere Stufe bringen. Sie wollen ihr Vieh durch
Kreuzung mit anderen Rassen veredeln, sie wollen Bewässerungsanlagen errichten
oder ihren Grund und Boden durch Dränagearbeiten verbessern, Straußenzucht
anfangen und was der wirtschaftlichen Möglichkeiten in Südwest mehr sind.
Aber dazu haben sie kein Geld und auch keinen Kredit.

Schon lange zerbricht man sich in kolonialen Kreisen die Köpfe über das
Problem der Kreditbeschaffung in den Kolonien, bedauerlicherweise hat sich aber
die Kolonialverwaltung an diesen Erwägungen nicht beteiligt, sondern die Lösung
der Frage immer wieder privater Initiative zugeschoben. Obwohl Dernburg
offenbar den Kern der Sache wohl erkannt und bei seiner Anwesenheit in der
Kolonie der Vertretung der Farmer versprochen hatte, für die Gründung eines
staatlichen Kreditinstituts Sorge zu tragen, hat er nachher die einschlägigen
Bestrebungen wieder auf die falsche Fährte gelenkt, indem er auf die Lösung
der Frage im Wege des Personalkredits auf genossenschaftlicher Grundlage
hinwies. Als gewiegter Finanzmann muß er sich doch eigentlich darüber klar
gewesen sein, daß dies im besten Fall ein Notbehelf für kleine Geldnöte sein
kann, allenfalls eine Hilfe für Kleinstedler. Die extensive Latifundienwirtschaft
der großen Farmer braucht zur Verbesserung und rationellen Gestaltung ihrer
Wirtschaftsmethoden langfristige Kredite zu billigen Bedingungen, wie sie nur
auf dem Wege großzügiger staatlicher Organisation des Bodenkredits zu beschaffen
sind. Es handelt sich, wie gesagt, in Südwest nur zum Teil um Leute, die in
Not sind, vielmehr auch um solche, die sich mit Hilfe des Kredits entfalten wollen,
und es liegt ebensosehr im öffentlichen Interesse, wie in dem der Leute selbst,
daß ihnen dies ermöglicht wird. In der Heimat kann sich ein Landwirt, der
mit genügendem Kapital eine solide Wirtschaft geschaffen hat, unschwer billigen
Hypothekarkredit zum Zweck von Verbesserungen des Betriebs beschaffen, in
Südwestafrika gibt es noch gar keine Grundlagen zur Berechnung privaten
Bodenkredits. Der Farmer ist also in der gleichen Lage viel schlechter gestellt
als sein Berufsgenosse in der Heimat. Und das ist ein auf die Dauer für die
Entwickelung der Kolonie unhaltbarer Zustand. Wir sind zweifellos schon heilte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/14>, abgerufen am 26.06.2024.