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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Aus Briefen der Wertherzeit

Darmstadt, Montag den 9. August 1779.

Herr Kirchenrath Mieg von Heidelberg, der kürzlich hier gewesen, ver¬
sichert, aus einer guten Quelle zu wissen, daß Herr Hofrath Lessing wegen
seines Rathaus ein Geschenk von einigen 1000 Thalern von der Berliner
Judenschaft erhalten habe. Ich bezweifle die Wahrheit dieser Erzählung gar
sehr. Sie werden am besten wissen können, was daran ist.

. . . Vogler ist vor 5 Tagen wieder nach Mannheim zurückgereiset, kommt
aber vor dem 25ten d. M. wieder hierher, weil an diesem Tage die Lampedo
vor dem Erbprinzlichen Hofe abermals gegeben werden soll. Wir werden
hier immer musikalischer.




Boie an I. H. Voß:

Hannover, den 9. Oktober 1779.

Herder ist nun einmal Herder, der seine Sonderlichkeiten hat und behalten
wird, dabei aber auch doch viel Gutes hat.




Petersen an Nicolai:

Darmstadt, Freitags den 22. Oktober 1779.

, ... Der Herzog von Weimar ist in Begleitung des Geheimraths Göthe
zu Ende des Septembers hier vorbei) geritten nach der Schweiz; sie wollen
Schlossern zu Emmendingen und Lavatern zu Zürich, unter Andern, besuchen,
und auf der Rückreise einige Tage hier bleiben. Merck ist ihnen biß Frank¬
furt entgegengeritten und hat sie auch noch einige Stunden von hier biß in
die Bergstraße begleitet. Es sind Nachrichten hier, daß sie einige Tage zu
Emmendingen bey Schlossern und in Zürich bey Meister Johann Caspar sich
aufgehalten. Meister Johann Caspar wird zur Verherrlichung dieses hohen
Besuchs und zur Canonisierung des Herzogs von Weimar noch einen Band
Fragmente in der höchsten Kraftsprache herausgeben.

sÜber den Aufenthalt in Darmstadt auch auf der Rückreise vergl. meine
Mitteilungen "Ungedruckte Merck-Briefe" im "Archiv für das Studium der
neuern Sprachen" 1910. S. 273 ff.1




Darmstadt, Montags den 22. November 1779.

. . . Der Herzog von Weimar ist mit seinem ersten Minister Göthe und
dem Oberjägermeister v. Wedel 2 Tage bey Schlossern zu Emmendingen
gewesen, der seine Freude über das dem Amthause widerfahrene Heil in
einem Briefe an Merken ausgeschüttet hat, der sie dem Herzoge bey seiner
Rückreise durch unsere Stadt unterthänigst zu Füßen zu legen nicht ermangeln
wird. Jselin haben sie in Basel nicht besucht; denn Jselin gehört nicht zur
Rotte Herder, Lavater und Göthe; waren aber zwey Tage in Zürich bey
Johann Caspar, der über diesen Besuch so entzückt ist, daß er nächstens wieder,
bisher ungesehen, seine Gankelsprnnge vor dem Publikum machen wird.


Grenzboten I 1911 78
Aus Briefen der Wertherzeit

Darmstadt, Montag den 9. August 1779.

Herr Kirchenrath Mieg von Heidelberg, der kürzlich hier gewesen, ver¬
sichert, aus einer guten Quelle zu wissen, daß Herr Hofrath Lessing wegen
seines Rathaus ein Geschenk von einigen 1000 Thalern von der Berliner
Judenschaft erhalten habe. Ich bezweifle die Wahrheit dieser Erzählung gar
sehr. Sie werden am besten wissen können, was daran ist.

. . . Vogler ist vor 5 Tagen wieder nach Mannheim zurückgereiset, kommt
aber vor dem 25ten d. M. wieder hierher, weil an diesem Tage die Lampedo
vor dem Erbprinzlichen Hofe abermals gegeben werden soll. Wir werden
hier immer musikalischer.




Boie an I. H. Voß:

Hannover, den 9. Oktober 1779.

Herder ist nun einmal Herder, der seine Sonderlichkeiten hat und behalten
wird, dabei aber auch doch viel Gutes hat.




Petersen an Nicolai:

Darmstadt, Freitags den 22. Oktober 1779.

, ... Der Herzog von Weimar ist in Begleitung des Geheimraths Göthe
zu Ende des Septembers hier vorbei) geritten nach der Schweiz; sie wollen
Schlossern zu Emmendingen und Lavatern zu Zürich, unter Andern, besuchen,
und auf der Rückreise einige Tage hier bleiben. Merck ist ihnen biß Frank¬
furt entgegengeritten und hat sie auch noch einige Stunden von hier biß in
die Bergstraße begleitet. Es sind Nachrichten hier, daß sie einige Tage zu
Emmendingen bey Schlossern und in Zürich bey Meister Johann Caspar sich
aufgehalten. Meister Johann Caspar wird zur Verherrlichung dieses hohen
Besuchs und zur Canonisierung des Herzogs von Weimar noch einen Band
Fragmente in der höchsten Kraftsprache herausgeben.

sÜber den Aufenthalt in Darmstadt auch auf der Rückreise vergl. meine
Mitteilungen „Ungedruckte Merck-Briefe" im „Archiv für das Studium der
neuern Sprachen" 1910. S. 273 ff.1




Darmstadt, Montags den 22. November 1779.

. . . Der Herzog von Weimar ist mit seinem ersten Minister Göthe und
dem Oberjägermeister v. Wedel 2 Tage bey Schlossern zu Emmendingen
gewesen, der seine Freude über das dem Amthause widerfahrene Heil in
einem Briefe an Merken ausgeschüttet hat, der sie dem Herzoge bey seiner
Rückreise durch unsere Stadt unterthänigst zu Füßen zu legen nicht ermangeln
wird. Jselin haben sie in Basel nicht besucht; denn Jselin gehört nicht zur
Rotte Herder, Lavater und Göthe; waren aber zwey Tage in Zürich bey
Johann Caspar, der über diesen Besuch so entzückt ist, daß er nächstens wieder,
bisher ungesehen, seine Gankelsprnnge vor dem Publikum machen wird.


Grenzboten I 1911 78
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[0631] Aus Briefen der Wertherzeit Darmstadt, Montag den 9. August 1779. Herr Kirchenrath Mieg von Heidelberg, der kürzlich hier gewesen, ver¬ sichert, aus einer guten Quelle zu wissen, daß Herr Hofrath Lessing wegen seines Rathaus ein Geschenk von einigen 1000 Thalern von der Berliner Judenschaft erhalten habe. Ich bezweifle die Wahrheit dieser Erzählung gar sehr. Sie werden am besten wissen können, was daran ist. . . . Vogler ist vor 5 Tagen wieder nach Mannheim zurückgereiset, kommt aber vor dem 25ten d. M. wieder hierher, weil an diesem Tage die Lampedo vor dem Erbprinzlichen Hofe abermals gegeben werden soll. Wir werden hier immer musikalischer. Boie an I. H. Voß: Hannover, den 9. Oktober 1779. Herder ist nun einmal Herder, der seine Sonderlichkeiten hat und behalten wird, dabei aber auch doch viel Gutes hat. Petersen an Nicolai: Darmstadt, Freitags den 22. Oktober 1779. , ... Der Herzog von Weimar ist in Begleitung des Geheimraths Göthe zu Ende des Septembers hier vorbei) geritten nach der Schweiz; sie wollen Schlossern zu Emmendingen und Lavatern zu Zürich, unter Andern, besuchen, und auf der Rückreise einige Tage hier bleiben. Merck ist ihnen biß Frank¬ furt entgegengeritten und hat sie auch noch einige Stunden von hier biß in die Bergstraße begleitet. Es sind Nachrichten hier, daß sie einige Tage zu Emmendingen bey Schlossern und in Zürich bey Meister Johann Caspar sich aufgehalten. Meister Johann Caspar wird zur Verherrlichung dieses hohen Besuchs und zur Canonisierung des Herzogs von Weimar noch einen Band Fragmente in der höchsten Kraftsprache herausgeben. sÜber den Aufenthalt in Darmstadt auch auf der Rückreise vergl. meine Mitteilungen „Ungedruckte Merck-Briefe" im „Archiv für das Studium der neuern Sprachen" 1910. S. 273 ff.1 Darmstadt, Montags den 22. November 1779. . . . Der Herzog von Weimar ist mit seinem ersten Minister Göthe und dem Oberjägermeister v. Wedel 2 Tage bey Schlossern zu Emmendingen gewesen, der seine Freude über das dem Amthause widerfahrene Heil in einem Briefe an Merken ausgeschüttet hat, der sie dem Herzoge bey seiner Rückreise durch unsere Stadt unterthänigst zu Füßen zu legen nicht ermangeln wird. Jselin haben sie in Basel nicht besucht; denn Jselin gehört nicht zur Rotte Herder, Lavater und Göthe; waren aber zwey Tage in Zürich bey Johann Caspar, der über diesen Besuch so entzückt ist, daß er nächstens wieder, bisher ungesehen, seine Gankelsprnnge vor dem Publikum machen wird. Grenzboten I 1911 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/631>, abgerufen am 24.07.2024.