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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Aus Briefen der Wertherzeit

und Verstockten den Mund zu stopfen, die hin und her noch grassierende
Viehseuche in einem Nu heilen. -- Da er denn -- im Fall der Kanonicität
dieser Sage -- von Weimar vermuthlich auf die Jubilatemesse nach Leipzig
kommen wird, so hoffe ich, Sie werden sich um so früher (mit Herrn Eber¬
hard dazu) daselbst einfinden, damit Sie den Saum des Kleides des heiligen
Mannes so viel gewisser berühren können; -- welches ja nicht zu unterlassen
ist. Hier wird er, wenn er kommt, bey Herrn Kriegsrat Merck logieren, der
seit 1774 sein (und seiner Jünger) großer Freund ist, ihn auch, da er in
selbigem Jahre hier war, nach Mannheim begleitet hat. Ja! dieser unser
lieber Freund und Mitarbeiter Merck hängt seit einiger Zeit auf eine nur
unbegreifliche Art, -- auf die Seite der Vernunftfeinde, Wunderthäter, und
hat Meistern, Hottinger u. a. seinen Unwillen im Teutschen Merkur nach¬
drücklich fühlen lassen. Es, sind keine Muthmaßungen, sondern verito
tolle qu'elle L8t.

. . . Wie ich von guter Hand weiß: so soll zwischen Wieland und
Herder kein sonderliches Vernehmen herrschen. Letzterer würde wohl auch
an Göthen sich machen; dieser soll aber zu fest sitzen.

. . . Man will behaupten, die Berlocken ans Allerley 1^1778^ seyen in
den sämtlichen Staaten des Herrn Herzogs von Weimar wegen der von
jenem anonym begangenen criminum lac^e majestatis riercierianae,
QoetKe-mas etc. konfisziert worden. Desto besser für den Verleger und für
den Verfertiger, wenn es wahr ist.

. . . Der Verfasser des Allerley soll zuverlässig ein gewisser Kaufmann
in Winterthur seyn; -- der.die Apothekerkunst in Straßburg einige Zeit
getrieben, sie seit 1776 aufgegeben, und seitdem Deutschland von Emmen-
dingen biß Hamburg, und von Weimar biß Königsberg (zu Hermann) durch-
gezogen hat; -- exactemen^--- er ist an allen diesen Orten gewesen und hat
an die allerley Glieder der Genie- Kraft- und Wunderparthey in diesen
Städten sich angehackt. Nun ist er von seiner Fahrt wieder zurück in
Winterthur. Ein Mensch aus demselben Teige ist Kayser in Zürich, Göthes
protöZö. vor 4 Jahren von ihm nach Zürich empfohlen, wo er Stunden in
der Musik gibt. Sein Gesicht ist in Lavaters Physiognomik 4 Male com-
mentiert; und er als das größte musikalische Genie herausgepriesen. Dieser
Mensch treibt die Sucht, Göthen nachzuahmen biß zur Manie, -- hat sich
ein Petschaft beynahe, wie Göthe, stechen lassen, schreibt mit eben solchen
stumpfen Kielen, schreibt Göthes Hand so natürlich, daß er einen falschen
Wechsel auf ihn machen könnte, legt seine Briefe so zusammen, wie Göthe pp. --
so daß Goethes Korrespondenten durch Kaysers Briefe betrogen werden, biß
sie seines Namens Unterschrift lesen. -- Kleuker ist, wie mir versichert wird,
der Verfasser der famosen Aufsätze im "Teutschen Merkur" 1776 über die
lucianischen Geister. Nehmen wir nun Klingern dazu? -- Kaufmann, Kayser,
Kleuker, Klinger, -- der Buchstabe K im Alphabethe ist an Narren vor


Aus Briefen der Wertherzeit

und Verstockten den Mund zu stopfen, die hin und her noch grassierende
Viehseuche in einem Nu heilen. — Da er denn — im Fall der Kanonicität
dieser Sage — von Weimar vermuthlich auf die Jubilatemesse nach Leipzig
kommen wird, so hoffe ich, Sie werden sich um so früher (mit Herrn Eber¬
hard dazu) daselbst einfinden, damit Sie den Saum des Kleides des heiligen
Mannes so viel gewisser berühren können; — welches ja nicht zu unterlassen
ist. Hier wird er, wenn er kommt, bey Herrn Kriegsrat Merck logieren, der
seit 1774 sein (und seiner Jünger) großer Freund ist, ihn auch, da er in
selbigem Jahre hier war, nach Mannheim begleitet hat. Ja! dieser unser
lieber Freund und Mitarbeiter Merck hängt seit einiger Zeit auf eine nur
unbegreifliche Art, — auf die Seite der Vernunftfeinde, Wunderthäter, und
hat Meistern, Hottinger u. a. seinen Unwillen im Teutschen Merkur nach¬
drücklich fühlen lassen. Es, sind keine Muthmaßungen, sondern verito
tolle qu'elle L8t.

. . . Wie ich von guter Hand weiß: so soll zwischen Wieland und
Herder kein sonderliches Vernehmen herrschen. Letzterer würde wohl auch
an Göthen sich machen; dieser soll aber zu fest sitzen.

. . . Man will behaupten, die Berlocken ans Allerley 1^1778^ seyen in
den sämtlichen Staaten des Herrn Herzogs von Weimar wegen der von
jenem anonym begangenen criminum lac^e majestatis riercierianae,
QoetKe-mas etc. konfisziert worden. Desto besser für den Verleger und für
den Verfertiger, wenn es wahr ist.

. . . Der Verfasser des Allerley soll zuverlässig ein gewisser Kaufmann
in Winterthur seyn; — der.die Apothekerkunst in Straßburg einige Zeit
getrieben, sie seit 1776 aufgegeben, und seitdem Deutschland von Emmen-
dingen biß Hamburg, und von Weimar biß Königsberg (zu Hermann) durch-
gezogen hat; — exactemen^—- er ist an allen diesen Orten gewesen und hat
an die allerley Glieder der Genie- Kraft- und Wunderparthey in diesen
Städten sich angehackt. Nun ist er von seiner Fahrt wieder zurück in
Winterthur. Ein Mensch aus demselben Teige ist Kayser in Zürich, Göthes
protöZö. vor 4 Jahren von ihm nach Zürich empfohlen, wo er Stunden in
der Musik gibt. Sein Gesicht ist in Lavaters Physiognomik 4 Male com-
mentiert; und er als das größte musikalische Genie herausgepriesen. Dieser
Mensch treibt die Sucht, Göthen nachzuahmen biß zur Manie, — hat sich
ein Petschaft beynahe, wie Göthe, stechen lassen, schreibt mit eben solchen
stumpfen Kielen, schreibt Göthes Hand so natürlich, daß er einen falschen
Wechsel auf ihn machen könnte, legt seine Briefe so zusammen, wie Göthe pp. —
so daß Goethes Korrespondenten durch Kaysers Briefe betrogen werden, biß
sie seines Namens Unterschrift lesen. — Kleuker ist, wie mir versichert wird,
der Verfasser der famosen Aufsätze im „Teutschen Merkur" 1776 über die
lucianischen Geister. Nehmen wir nun Klingern dazu? — Kaufmann, Kayser,
Kleuker, Klinger, — der Buchstabe K im Alphabethe ist an Narren vor


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/626>, abgerufen am 28.12.2024.