Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Wildes, Shakespeare, Goethe, vorbereitet, die Fr. Hülmer: Paul Bourget als Psycho¬ log. Dresden 1S10, Holze u. Past. 83 S. Die sorgfältige Studie Hütte Wohl ein Hübner untersucht nämlich erst die Theorie, Persönlichstem Roman, dem "Diaphe", zeigt Bildende Kunst Dekorative Malerei. Die moderne Malerei Es regen sich die Anfänge. Vielleicht ganz Sicherlich ist dies ein Weg, aus der Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Wildes, Shakespeare, Goethe, vorbereitet, die Fr. Hülmer: Paul Bourget als Psycho¬ log. Dresden 1S10, Holze u. Past. 83 S. Die sorgfältige Studie Hütte Wohl ein Hübner untersucht nämlich erst die Theorie, Persönlichstem Roman, dem „Diaphe", zeigt Bildende Kunst Dekorative Malerei. Die moderne Malerei Es regen sich die Anfänge. Vielleicht ganz Sicherlich ist dies ein Weg, aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318118"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2290" prev="#ID_2289"> Wildes, Shakespeare, Goethe, vorbereitet, die<lb/> mir recht anfechtbar erscheint. Alles in allem:<lb/> Hauser ist der bessere Historiker, Busse der<lb/> feinere Poet, jenes Buch lehrt mehr, dieses<lb/> gibt mehr ästhetische Anschauung, wie denn<lb/> auch schon im Titel bei jenem der Ton auf<lb/> Weltgeschichte, bei diesem auf Weltliteratur<lb/> liegt. Die Ausstattung beider Werke entspricht<lb/> dem hohen Rang der Verlagshandlungen, bei<lb/> Hanser finden wir Tafeln, die besonders für<lb/> die ältere Zeit ausgezeichnet sind (ein Pracht¬<lb/> stück ist z, B. die erste Sure des Korans), bei<lb/> Busse ist der Schmuck auch über die Seiten<lb/> verstreut. Das Format beider Werke ist im<lb/> Verhältnis zu dem riesigen Inhalt härtlich<lb/> und bequem.</p> <note type="byline"> Dr. Heinrich Spicro-</note> </div> <div n="3"> <head> Fr. Hülmer: Paul Bourget als Psycho¬<lb/> log. Dresden 1S10, Holze u. Past. 83 S.</head> <p xml:id="ID_2291"> Die sorgfältige Studie Hütte Wohl ein<lb/> besseres Kleid verdient — ich meine Von¬<lb/> seiten des Verfassers. Wer so hübsche Wen¬<lb/> dungen findet wie „Mnrginal - Psychologie"<lb/> (für Bvurgets Art, seine Figuren am Rande<lb/> zu interpretieren) oder „vorausgeschickte<lb/> Charakterinventarien", der sollte sich nicht<lb/> den Eindruck durch „gang und gäbere<lb/> Metaphern", „Phänomenismus" u. tgi. selbst<lb/> schädigen. Wer den Stoff so gut gliedern<lb/> kann, sollte die Dispositien auch äußerlich klar<lb/> hervortreten lassen.</p> <p xml:id="ID_2292" next="#ID_2293"> Hübner untersucht nämlich erst die Theorie,<lb/> dann die Praxis Bvurgets. Schon in der<lb/> Theorie, die er von Paine übernommen hat,<lb/> spielen doch persönliche Momente mit; der ganze<lb/> »Komar ä'ausi^se" ist eben die theoretische<lb/> Rechtfertigung eines Mvsaikmalers, der keine<lb/> großen Umrisse zu zeichnen versteht. In der<lb/> Praxis trägt es nun aber vollends das Tem¬<lb/> perament über die Lehre davon, worin bei<lb/> uns Spielhagen zu vergleichen wäre. Schon<lb/> die politisch-soziale Voreingenommenheit teilen<lb/> beide (wenn auch mit entgegengesetzten Vor¬<lb/> zeichen). Aber wo unser Romancier sich durch<lb/> rhetorisches Pathos hinreißen läßt, regieren<lb/> den Franzosen kleinliche Neigungen seines<lb/> Scholismus, der im „äöcor" schwelgt und<lb/> «und in Psychvlogischer Hinsicht nur die blassen<lb/> Gesten blasierter Seelen mit seelischen Kuriosi¬<lb/> täten vorführt. Eine gute Analyse von Bvurgets</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2293" prev="#ID_2292"> Persönlichstem Roman, dem „Diaphe", zeigt<lb/> besonders deutlich, welche Kluft die ästhetische<lb/> Absicht und die Politische Tendenz trennt.<lb/> Dies vor allem macht die Romane des aus¬<lb/> gezeichneten Kritikers so unbehaglich, wie sie<lb/> oft langweilig sind; uns wenigstens sind die<lb/> neueren nur als Exkurse zu der „ps^cnoloZie<lb/> contemporaire" erträglich.</p> <note type="byline"> Prof. Dr. Richard M. Meyer</note> </div> </div> <div n="2"> <head> Bildende Kunst</head> <p xml:id="ID_2294"> Dekorative Malerei. Die moderne Malerei<lb/> hat ihre Feuerprobe erst noch zu bestehen.<lb/> Wird sie fähig sein, all die differenzierten<lb/> Versuche zu großen, starken Einheiten<lb/> zusammenzufassen? Wird es ihr gelingen,<lb/> aus den vielerlei Möglichkeiten zu dem Stil<lb/> zu kommen und aus den Techniken heraus<lb/> zu einer bezwingender Monumentalität, in<lb/> der die große Persönlichkeit ihren Ausdruck<lb/> sich Prägt?</p> <p xml:id="ID_2295"> Es regen sich die Anfänge. Vielleicht ganz<lb/> schüchtern und scheinbar zu persönlich und<lb/> exklusiv. Aber in mancher unscheinbaren<lb/> Zeichnung, deren markantes Liniengewirr sich<lb/> ins Bizarre verliert, in manchem Blatt, das<lb/> in seiner Farbenkomposition eine bewußte<lb/> Schönheit betont, die sich über den Gegen¬<lb/> standerhebt, lebt eine geheimeMonumentalität,<lb/> und aus der Sehnsucht, die Natur zu über¬<lb/> winden, sie zu vergewaltigen, zu steigern,<lb/> spricht ein neuer Formwille.</p> <p xml:id="ID_2296" next="#ID_2297"> Sicherlich ist dies ein Weg, aus der<lb/> drohenden Stagnation hernns und zu neuen<lb/> Zielen zu komme». Hierin versagte das<lb/> gegenwärtige Geschlecht. Der kommenden<lb/> Generation ist diese Aufgabe zugewiesen.<lb/> Diese Sehnsucht liegt ihr im Blut. Aber<lb/> das Geschlecht von .Künstlern, das gegenwärtig<lb/> herrscht, hat dazu beigetragen, die Wege zu<lb/> ebnen. Es hat die Mittel verfeinert,<lb/> bereichert; in unermüdlicher Arbeit hat es<lb/> um die neuen Ausdrucksfähigkeiton der<lb/> Malerei gerungen und nicht eher geruht, als<lb/> bis ihre Aufgabe erfüllt war. Es hat in<lb/> dieser resoluter, rücksichtslosen Art die Vor¬<lb/> würfe eines unorientierte» Laientums erfahren<lb/> müssen; die Allgemeinheit sah fremd diesem<lb/> immer wieder erneuten Beginnen zu, das<lb/> einem Arbeiten im Fachkreise gleich schien,<lb/> und die offizielle Anerkennung blieb aus.</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Wildes, Shakespeare, Goethe, vorbereitet, die
mir recht anfechtbar erscheint. Alles in allem:
Hauser ist der bessere Historiker, Busse der
feinere Poet, jenes Buch lehrt mehr, dieses
gibt mehr ästhetische Anschauung, wie denn
auch schon im Titel bei jenem der Ton auf
Weltgeschichte, bei diesem auf Weltliteratur
liegt. Die Ausstattung beider Werke entspricht
dem hohen Rang der Verlagshandlungen, bei
Hanser finden wir Tafeln, die besonders für
die ältere Zeit ausgezeichnet sind (ein Pracht¬
stück ist z, B. die erste Sure des Korans), bei
Busse ist der Schmuck auch über die Seiten
verstreut. Das Format beider Werke ist im
Verhältnis zu dem riesigen Inhalt härtlich
und bequem.
Dr. Heinrich Spicro- Fr. Hülmer: Paul Bourget als Psycho¬
log. Dresden 1S10, Holze u. Past. 83 S. Die sorgfältige Studie Hütte Wohl ein
besseres Kleid verdient — ich meine Von¬
seiten des Verfassers. Wer so hübsche Wen¬
dungen findet wie „Mnrginal - Psychologie"
(für Bvurgets Art, seine Figuren am Rande
zu interpretieren) oder „vorausgeschickte
Charakterinventarien", der sollte sich nicht
den Eindruck durch „gang und gäbere
Metaphern", „Phänomenismus" u. tgi. selbst
schädigen. Wer den Stoff so gut gliedern
kann, sollte die Dispositien auch äußerlich klar
hervortreten lassen.
Hübner untersucht nämlich erst die Theorie,
dann die Praxis Bvurgets. Schon in der
Theorie, die er von Paine übernommen hat,
spielen doch persönliche Momente mit; der ganze
»Komar ä'ausi^se" ist eben die theoretische
Rechtfertigung eines Mvsaikmalers, der keine
großen Umrisse zu zeichnen versteht. In der
Praxis trägt es nun aber vollends das Tem¬
perament über die Lehre davon, worin bei
uns Spielhagen zu vergleichen wäre. Schon
die politisch-soziale Voreingenommenheit teilen
beide (wenn auch mit entgegengesetzten Vor¬
zeichen). Aber wo unser Romancier sich durch
rhetorisches Pathos hinreißen läßt, regieren
den Franzosen kleinliche Neigungen seines
Scholismus, der im „äöcor" schwelgt und
«und in Psychvlogischer Hinsicht nur die blassen
Gesten blasierter Seelen mit seelischen Kuriosi¬
täten vorführt. Eine gute Analyse von Bvurgets
Persönlichstem Roman, dem „Diaphe", zeigt
besonders deutlich, welche Kluft die ästhetische
Absicht und die Politische Tendenz trennt.
Dies vor allem macht die Romane des aus¬
gezeichneten Kritikers so unbehaglich, wie sie
oft langweilig sind; uns wenigstens sind die
neueren nur als Exkurse zu der „ps^cnoloZie
contemporaire" erträglich.
Prof. Dr. Richard M. Meyer Bildende Kunst Dekorative Malerei. Die moderne Malerei
hat ihre Feuerprobe erst noch zu bestehen.
Wird sie fähig sein, all die differenzierten
Versuche zu großen, starken Einheiten
zusammenzufassen? Wird es ihr gelingen,
aus den vielerlei Möglichkeiten zu dem Stil
zu kommen und aus den Techniken heraus
zu einer bezwingender Monumentalität, in
der die große Persönlichkeit ihren Ausdruck
sich Prägt?
Es regen sich die Anfänge. Vielleicht ganz
schüchtern und scheinbar zu persönlich und
exklusiv. Aber in mancher unscheinbaren
Zeichnung, deren markantes Liniengewirr sich
ins Bizarre verliert, in manchem Blatt, das
in seiner Farbenkomposition eine bewußte
Schönheit betont, die sich über den Gegen¬
standerhebt, lebt eine geheimeMonumentalität,
und aus der Sehnsucht, die Natur zu über¬
winden, sie zu vergewaltigen, zu steigern,
spricht ein neuer Formwille.
Sicherlich ist dies ein Weg, aus der
drohenden Stagnation hernns und zu neuen
Zielen zu komme». Hierin versagte das
gegenwärtige Geschlecht. Der kommenden
Generation ist diese Aufgabe zugewiesen.
Diese Sehnsucht liegt ihr im Blut. Aber
das Geschlecht von .Künstlern, das gegenwärtig
herrscht, hat dazu beigetragen, die Wege zu
ebnen. Es hat die Mittel verfeinert,
bereichert; in unermüdlicher Arbeit hat es
um die neuen Ausdrucksfähigkeiton der
Malerei gerungen und nicht eher geruht, als
bis ihre Aufgabe erfüllt war. Es hat in
dieser resoluter, rücksichtslosen Art die Vor¬
würfe eines unorientierte» Laientums erfahren
müssen; die Allgemeinheit sah fremd diesem
immer wieder erneuten Beginnen zu, das
einem Arbeiten im Fachkreise gleich schien,
und die offizielle Anerkennung blieb aus.
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