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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

kenntnisse um die Behandlung naturphilo¬
sophischer oder metaphysischer Probleme wagten.
Für die philosophische Einsicht Wiesners spricht
sein Hinweis auf Paniscus Wort, daß wir für
immer auf eine Weltanschauung verzichten
müßten, wenn wir sie ausschließlich auf exakter
Dr, --r, Forschung aufbauen wollten,

Dichterausgaben

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fohlen. Warum aber fehlt ein Bildnis Kleists,
und warum wählt der Tempelverlag an Stelle
der Weißfraktur mit ihren häßlichen und un¬
deutlichen G und E nicht eine den Angen
bekömmlichere, größere Type?

Dr. Heinrich Spiero
Stifters Werke.

Auswahl in sechs Teilen.
Goldene Klassiker-Bibliothek. Borg 6 Co.

Während man an der Schönheit und Reich¬
haltigkeit von Stifters Nnturschilderung noch
kaum gemäkelt hat, ist manchen? seine Vor¬
liebe für edle Mensche" und seine Abneigung
gegen peinlich-häßliche Konflikte unangenehm.
Und doch könnte auch dies als eine erwünschte
Ergänzung des Lebens durch die Kunst will¬
kommen sein, da die Welt nicht eben viel
Neigung hat, uns mit ihren liebenswürdigen
Eigenschaften bekannt zu machen oder gar zu
übersättigen. In der vorliegenden Auswahl
finden wir Stifters "Studien"; darunter ist
sein erster Versuch (Der Kondor), Die Feld¬
blumen, Das Heidedorf, Der Hochwald, Die
Rarrenburg, Die Mappe meines Urgroßvaters,
Abdias, Das alte Siegel, Brigitta, Der Hage¬
stolz, Der Waldsteig, Zwei Schwestern, Der
beschriebene Tännling. Aus den "Bunten
Steinen" sind sechs Abschnitte gewählt; aus
den "Erzählungen" Die drei Schmiede ihres
Schicksals, Prokopus, Nachkommenschaften, Der
Waldbrunnen, Der Kuß von Sentze, Der fromme
Spruch, aus dem Roman "Der Nachsommer"
zwei Kapitel. Dann folgen kleine Bilder und
Skizzen, Schriften über Literatur, Politik und
Kunst. Der Herausgeber, G. Wilhelm, gibt
eine Lebensskizze, literarische Einleitungen und
Anmerkungen 6, 20" bis 314, die zum Teil
sprachlich-lexikalische Eigenheiten Stifters er¬
läutern. Nicht als hätte Wilhelm nach Stil¬
effekten von bengalischer Beleuchtung gehascht,
die sich so leicht als Surrogat des Gedankens
einstellen. Er ist z. B. frei von den "Sehnsüchten"
und "HiNgezogenheiten" des Gemütes, an dem
man jetzt so gern ein Ober- und Unter-
stübchcn unterscheidet. Vielmehr zeigt sein
Stil zum Teil einen gewissen landschaftlichen
Erdgeruch, der Wohl für sonstige Anrüchig¬
keiten entschädigt. Stifter selbst ist mit
etwa 2000 Seiten vertreten. Die drei schönen
Leincnbände tosten nur 5 Mark. An¬
scheinend zum Genuß von Literaturgelehrten

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Kleist.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

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kenntnisse um die Behandlung naturphilo¬
sophischer oder metaphysischer Probleme wagten.
Für die philosophische Einsicht Wiesners spricht
sein Hinweis auf Paniscus Wort, daß wir für
immer auf eine Weltanschauung verzichten
müßten, wenn wir sie ausschließlich auf exakter
Dr, —r, Forschung aufbauen wollten,

Dichterausgaben

[Spaltenumbruch]

fohlen. Warum aber fehlt ein Bildnis Kleists,
und warum wählt der Tempelverlag an Stelle
der Weißfraktur mit ihren häßlichen und un¬
deutlichen G und E nicht eine den Angen
bekömmlichere, größere Type?

Dr. Heinrich Spiero
Stifters Werke.

Auswahl in sechs Teilen.
Goldene Klassiker-Bibliothek. Borg 6 Co.

Während man an der Schönheit und Reich¬
haltigkeit von Stifters Nnturschilderung noch
kaum gemäkelt hat, ist manchen? seine Vor¬
liebe für edle Mensche» und seine Abneigung
gegen peinlich-häßliche Konflikte unangenehm.
Und doch könnte auch dies als eine erwünschte
Ergänzung des Lebens durch die Kunst will¬
kommen sein, da die Welt nicht eben viel
Neigung hat, uns mit ihren liebenswürdigen
Eigenschaften bekannt zu machen oder gar zu
übersättigen. In der vorliegenden Auswahl
finden wir Stifters „Studien"; darunter ist
sein erster Versuch (Der Kondor), Die Feld¬
blumen, Das Heidedorf, Der Hochwald, Die
Rarrenburg, Die Mappe meines Urgroßvaters,
Abdias, Das alte Siegel, Brigitta, Der Hage¬
stolz, Der Waldsteig, Zwei Schwestern, Der
beschriebene Tännling. Aus den „Bunten
Steinen" sind sechs Abschnitte gewählt; aus
den „Erzählungen" Die drei Schmiede ihres
Schicksals, Prokopus, Nachkommenschaften, Der
Waldbrunnen, Der Kuß von Sentze, Der fromme
Spruch, aus dem Roman „Der Nachsommer"
zwei Kapitel. Dann folgen kleine Bilder und
Skizzen, Schriften über Literatur, Politik und
Kunst. Der Herausgeber, G. Wilhelm, gibt
eine Lebensskizze, literarische Einleitungen und
Anmerkungen 6, 20» bis 314, die zum Teil
sprachlich-lexikalische Eigenheiten Stifters er¬
läutern. Nicht als hätte Wilhelm nach Stil¬
effekten von bengalischer Beleuchtung gehascht,
die sich so leicht als Surrogat des Gedankens
einstellen. Er ist z. B. frei von den „Sehnsüchten"
und „HiNgezogenheiten" des Gemütes, an dem
man jetzt so gern ein Ober- und Unter-
stübchcn unterscheidet. Vielmehr zeigt sein
Stil zum Teil einen gewissen landschaftlichen
Erdgeruch, der Wohl für sonstige Anrüchig¬
keiten entschädigt. Stifter selbst ist mit
etwa 2000 Seiten vertreten. Die drei schönen
Leincnbände tosten nur 5 Mark. An¬
scheinend zum Genuß von Literaturgelehrten

[Ende Spaltensatz]
Kleist.


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[0456] Maßgebliches und Unmaßgebliches kenntnisse um die Behandlung naturphilo¬ sophischer oder metaphysischer Probleme wagten. Für die philosophische Einsicht Wiesners spricht sein Hinweis auf Paniscus Wort, daß wir für immer auf eine Weltanschauung verzichten müßten, wenn wir sie ausschließlich auf exakter Dr, —r, Forschung aufbauen wollten, Dichterausgaben fohlen. Warum aber fehlt ein Bildnis Kleists, und warum wählt der Tempelverlag an Stelle der Weißfraktur mit ihren häßlichen und un¬ deutlichen G und E nicht eine den Angen bekömmlichere, größere Type? Dr. Heinrich Spiero Stifters Werke. Auswahl in sechs Teilen. Goldene Klassiker-Bibliothek. Borg 6 Co. Während man an der Schönheit und Reich¬ haltigkeit von Stifters Nnturschilderung noch kaum gemäkelt hat, ist manchen? seine Vor¬ liebe für edle Mensche» und seine Abneigung gegen peinlich-häßliche Konflikte unangenehm. Und doch könnte auch dies als eine erwünschte Ergänzung des Lebens durch die Kunst will¬ kommen sein, da die Welt nicht eben viel Neigung hat, uns mit ihren liebenswürdigen Eigenschaften bekannt zu machen oder gar zu übersättigen. In der vorliegenden Auswahl finden wir Stifters „Studien"; darunter ist sein erster Versuch (Der Kondor), Die Feld¬ blumen, Das Heidedorf, Der Hochwald, Die Rarrenburg, Die Mappe meines Urgroßvaters, Abdias, Das alte Siegel, Brigitta, Der Hage¬ stolz, Der Waldsteig, Zwei Schwestern, Der beschriebene Tännling. Aus den „Bunten Steinen" sind sechs Abschnitte gewählt; aus den „Erzählungen" Die drei Schmiede ihres Schicksals, Prokopus, Nachkommenschaften, Der Waldbrunnen, Der Kuß von Sentze, Der fromme Spruch, aus dem Roman „Der Nachsommer" zwei Kapitel. Dann folgen kleine Bilder und Skizzen, Schriften über Literatur, Politik und Kunst. Der Herausgeber, G. Wilhelm, gibt eine Lebensskizze, literarische Einleitungen und Anmerkungen 6, 20» bis 314, die zum Teil sprachlich-lexikalische Eigenheiten Stifters er¬ läutern. Nicht als hätte Wilhelm nach Stil¬ effekten von bengalischer Beleuchtung gehascht, die sich so leicht als Surrogat des Gedankens einstellen. Er ist z. B. frei von den „Sehnsüchten" und „HiNgezogenheiten" des Gemütes, an dem man jetzt so gern ein Ober- und Unter- stübchcn unterscheidet. Vielmehr zeigt sein Stil zum Teil einen gewissen landschaftlichen Erdgeruch, der Wohl für sonstige Anrüchig¬ keiten entschädigt. Stifter selbst ist mit etwa 2000 Seiten vertreten. Die drei schönen Leincnbände tosten nur 5 Mark. An¬ scheinend zum Genuß von Literaturgelehrten Kleist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/456>, abgerufen am 04.07.2024.