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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das Bammvollproblem
Einfuhr
von
RohdaunNvolleInsgesamtDavon tarnen aus
MW tWill. MarkVer. Staaten
von Amerika
(1000 t)Britisch-
Jndien
(1000 t)Ägypten
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1909422,9202,240,2

Nach den vorstehenden Einfnhrzahlen bezog Deutschland im Jahre 1900
82 Prozent, 1901 77 Prozent, 1902 77 Prozent. 1903 70 Prozent, 1904
71 Prozent, 1905 74 Prozent, 1906 73,4 Prozent, 1907 68,1 Prozent. 1908
79,1 Prozent und 1909 76,8 Prozent der eingeführten Rohbaumwolle aus
Amerika. Welche Gefahren unter solchen Umständen eine Mißernte, eine bei
politischen Verwickelungen eintretende Baumwollsperre oder eine starke Preis¬
treiberei für die vom amerikanischen Markt abhängigen Bamnwollindustrieu und
die zahlreichen in ihr beschäftigten Arbeiter herbeiführen können, dafür bietet
uns die Geschichte ein lehrreiches Beispiel an der Krisis der englischen Baum¬
wollspinnereien gelegentlich der sogenannten "Lotor kämme" (Bamnwoll-
hungersnot), als infolge des amerikanischen Bürgerkrieges (1861 bis 1864)
die Banmmollznfuhr aufhörte, zahlreiche englische Fabriken zum Schließen der
Betriebe gezwungen wurden und über eine halbe Million Arbeiter mit ihren
Familien jahrelang dem Elend preisgegeben waren.

Da ferner die syndizierten Baumwollproduzenten Amerikas infolge ihres
erdrückenden Übergewichts ans den Baumwollmarkt auch bezüglich der Preis¬
bildung ein tatsächliches Monopol besitzen, so ist unsere Textilindustrie zu großen
finanziellen Opfern gezwungen; denn der Durchschnittspreis von Baumwolle,
der im Jahre 1899 noch 2!" Pf. betrug, stieg dann mit bedeutenden und
fete Kalkulation ausschließenden Schwankungen, die mehrfach zu Beiriebs-
einschränkungen und Arbeiterentlassungen führten, auf 59, 68 und 76^ Pf., und
am 31. Dezember 190!" wurden sogar 79Pf. für das Pfund der Sorte
micicllinZ bezahlt! Nun bedeutet aber eine Preissteigerung um nur 10 Pf. pro
Pfund für die deutsche Textilindustrie bei einem Jahresbedarf von 1,6 Millionen
Ballen den enormen Mehraufwand von 80 Millionen Mark oder rund 80 Mark
auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter, und aus den Betricbseinschränkuiigen
der letzten Zeit ergibt sich die ungünstige Wirkung solcher Umstände auf die
Vohn- und Beschäftigttngsverhältnisse der deutschen Textilarbeiter.


Das Bammvollproblem
Einfuhr
von
RohdaunNvolleInsgesamtDavon tarnen aus
MW tWill. MarkVer. Staaten
von Amerika
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Jndien
(1000 t)Ägypten
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Nach den vorstehenden Einfnhrzahlen bezog Deutschland im Jahre 1900
82 Prozent, 1901 77 Prozent, 1902 77 Prozent. 1903 70 Prozent, 1904
71 Prozent, 1905 74 Prozent, 1906 73,4 Prozent, 1907 68,1 Prozent. 1908
79,1 Prozent und 1909 76,8 Prozent der eingeführten Rohbaumwolle aus
Amerika. Welche Gefahren unter solchen Umständen eine Mißernte, eine bei
politischen Verwickelungen eintretende Baumwollsperre oder eine starke Preis¬
treiberei für die vom amerikanischen Markt abhängigen Bamnwollindustrieu und
die zahlreichen in ihr beschäftigten Arbeiter herbeiführen können, dafür bietet
uns die Geschichte ein lehrreiches Beispiel an der Krisis der englischen Baum¬
wollspinnereien gelegentlich der sogenannten „Lotor kämme" (Bamnwoll-
hungersnot), als infolge des amerikanischen Bürgerkrieges (1861 bis 1864)
die Banmmollznfuhr aufhörte, zahlreiche englische Fabriken zum Schließen der
Betriebe gezwungen wurden und über eine halbe Million Arbeiter mit ihren
Familien jahrelang dem Elend preisgegeben waren.

Da ferner die syndizierten Baumwollproduzenten Amerikas infolge ihres
erdrückenden Übergewichts ans den Baumwollmarkt auch bezüglich der Preis¬
bildung ein tatsächliches Monopol besitzen, so ist unsere Textilindustrie zu großen
finanziellen Opfern gezwungen; denn der Durchschnittspreis von Baumwolle,
der im Jahre 1899 noch 2!» Pf. betrug, stieg dann mit bedeutenden und
fete Kalkulation ausschließenden Schwankungen, die mehrfach zu Beiriebs-
einschränkungen und Arbeiterentlassungen führten, auf 59, 68 und 76^ Pf., und
am 31. Dezember 190!» wurden sogar 79Pf. für das Pfund der Sorte
micicllinZ bezahlt! Nun bedeutet aber eine Preissteigerung um nur 10 Pf. pro
Pfund für die deutsche Textilindustrie bei einem Jahresbedarf von 1,6 Millionen
Ballen den enormen Mehraufwand von 80 Millionen Mark oder rund 80 Mark
auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter, und aus den Betricbseinschränkuiigen
der letzten Zeit ergibt sich die ungünstige Wirkung solcher Umstände auf die
Vohn- und Beschäftigttngsverhältnisse der deutschen Textilarbeiter.


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[0389] Das Bammvollproblem Einfuhr von RohdaunNvolleInsgesamtDavon tarnen aus MW tWill. MarkVer. Staaten von Amerika (1000 t)Britisch- Jndien (1000 t)Ägypten <40V0 t) 1900010,2018,0220,225,822,2 1901002,9290,2220,-;48,124,1 1902048,0319,7207,048,400,4 190-;082,0092,1208,179,100,9 1904'098,1471,028 >,070,0 190,402,9098,2299,801,904/7 1900080,2446,!!279,!09,402,2 1907470,4216,4'108,000,4 1908449,147»,>03,2 1909422,9202,240,2 Nach den vorstehenden Einfnhrzahlen bezog Deutschland im Jahre 1900 82 Prozent, 1901 77 Prozent, 1902 77 Prozent. 1903 70 Prozent, 1904 71 Prozent, 1905 74 Prozent, 1906 73,4 Prozent, 1907 68,1 Prozent. 1908 79,1 Prozent und 1909 76,8 Prozent der eingeführten Rohbaumwolle aus Amerika. Welche Gefahren unter solchen Umständen eine Mißernte, eine bei politischen Verwickelungen eintretende Baumwollsperre oder eine starke Preis¬ treiberei für die vom amerikanischen Markt abhängigen Bamnwollindustrieu und die zahlreichen in ihr beschäftigten Arbeiter herbeiführen können, dafür bietet uns die Geschichte ein lehrreiches Beispiel an der Krisis der englischen Baum¬ wollspinnereien gelegentlich der sogenannten „Lotor kämme" (Bamnwoll- hungersnot), als infolge des amerikanischen Bürgerkrieges (1861 bis 1864) die Banmmollznfuhr aufhörte, zahlreiche englische Fabriken zum Schließen der Betriebe gezwungen wurden und über eine halbe Million Arbeiter mit ihren Familien jahrelang dem Elend preisgegeben waren. Da ferner die syndizierten Baumwollproduzenten Amerikas infolge ihres erdrückenden Übergewichts ans den Baumwollmarkt auch bezüglich der Preis¬ bildung ein tatsächliches Monopol besitzen, so ist unsere Textilindustrie zu großen finanziellen Opfern gezwungen; denn der Durchschnittspreis von Baumwolle, der im Jahre 1899 noch 2!» Pf. betrug, stieg dann mit bedeutenden und fete Kalkulation ausschließenden Schwankungen, die mehrfach zu Beiriebs- einschränkungen und Arbeiterentlassungen führten, auf 59, 68 und 76^ Pf., und am 31. Dezember 190!» wurden sogar 79Pf. für das Pfund der Sorte micicllinZ bezahlt! Nun bedeutet aber eine Preissteigerung um nur 10 Pf. pro Pfund für die deutsche Textilindustrie bei einem Jahresbedarf von 1,6 Millionen Ballen den enormen Mehraufwand von 80 Millionen Mark oder rund 80 Mark auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter, und aus den Betricbseinschränkuiigen der letzten Zeit ergibt sich die ungünstige Wirkung solcher Umstände auf die Vohn- und Beschäftigttngsverhältnisse der deutschen Textilarbeiter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/389>, abgerufen am 04.07.2024.