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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Im Flecken

"Nun ja, vielleicht," sagte Botscharow, "richtiger wäre es schon gewesen.
Aber siehst du, Kusma Karpowitsch, das Hans ist für mich, und die Gebäude da
sind für die Leute und das Vieh. Ich halte darauf, ich komme zuerst, und dann
kommen die Leute und das Vieh."

"Hahaha," lachte Räbzow, "sieh, was für ein vornehmer Herr du bist!
Gutsbesitzer, bei Gott, ganz Gutsbesitzer!"

Als sie zurückgekehrt waren, die Familie sich bereits gute Nacht gesagt hatte
und der Hausherr sich ebenfalls anschickte, das Schlafzimmer aufzusuchen, wunderte
er sich nicht wenig, den Gast in das Kabinett treten zu sehen.

"Entschuldige, Tit Grigorjewitsch," sprach derselbe. "Ich möchte dich noch
etwas aufhalten. Ich habe mit dir zu reden."

"Bitte, sei wie zu Hause. Setze dich. Soll ich eine Flasche Wein befehlen?"

"Laß das. Gott mit ihm, mit dem Weine! Ist auch nur Übermut, das
Weintrinken. Ich habe ganz anderes auf dem Herzen. Das Mädchen, deine
Tochter, hat es mir angetan. Das ist die Sache."

"Nu!"

"Bei Gott."

"Kusma Karpowitsch, Bruder, besinne dich," rief Botscharow besorgt. "Fürchte
Gott. Dn bist doch wirklich nicht mehr in den Jahren. Du und ein so junges
Mädchen, ein Kind, wird eben erst zwanzig!"

Räbzow sah ihn starr an.

"Was sprichst du, Tit Grigorjewitsch? Was soll das? Ach, ja so!"

Er winkte abwehrend mit der Hand.

"Nu, Bruder, ich möchte lachen, aber mir ist zu ernst zumute. Wahrlich
nicht für mich, für meinen Taugenichts von Sohn möchte ich deine Tochter."

"Ah!"

"Er ist fünfundzwanzig. Das Alter würde stimmen."

Botscharow nickte.

"Und das war das Geschäft, wegen dessen du mich aufgesucht hast?" fragte
er. "Du beabsichtigst nicht, in meinem Kreise Holzhandel zu treiben?"

"Warte. Alles der Reihe nach. Willst du deine Tochter meinem Sohne
geben?"

"Wie soll man darauf antworten! Ich muß dir sagen, meine Tochter ist
verwöhnt, hat immer ihren Willen gehabt. Sie wird. . ."

"Ich kenne deine Tochter."

"Sie wird um nichts in der Welt einen Mann nehmen, wenn sie ihn nicht
will. Und ich -- lache mich aus, Kusma Karpowitsch -- ich bin ein schwacher
älter Narr, wo es die Tochter gilt. Ich werde sie nicht zwingen. Und wollte
ich es versuchen, ich gäbe zuletzt doch nach. Ich weiß das schon."

"Wozu erzählst du mir das? Ich kenne deine Tochter, und ich kenne dich.
Sie ist eine richtige Kaufmannstochter, aber von der neuen Art, mit Bildung und
selbständig. Du bist ein richtiger Kaufmann von der alten Art, aber -- die neue
Zeit hat dich auch schon von verschiedenen Seiten angeweht. Ach ja! Das Lied
wissen wir alle zu singen."

"Setze dich ordentlich," fuhr er fort, "und rücke nicht so unruhig hin und
her. Uns alten Kaufleuten ziemt es nicht, uns über etwas zu ereifern. Höre


Im Flecken

„Nun ja, vielleicht," sagte Botscharow, „richtiger wäre es schon gewesen.
Aber siehst du, Kusma Karpowitsch, das Hans ist für mich, und die Gebäude da
sind für die Leute und das Vieh. Ich halte darauf, ich komme zuerst, und dann
kommen die Leute und das Vieh."

„Hahaha," lachte Räbzow, „sieh, was für ein vornehmer Herr du bist!
Gutsbesitzer, bei Gott, ganz Gutsbesitzer!"

Als sie zurückgekehrt waren, die Familie sich bereits gute Nacht gesagt hatte
und der Hausherr sich ebenfalls anschickte, das Schlafzimmer aufzusuchen, wunderte
er sich nicht wenig, den Gast in das Kabinett treten zu sehen.

„Entschuldige, Tit Grigorjewitsch," sprach derselbe. „Ich möchte dich noch
etwas aufhalten. Ich habe mit dir zu reden."

„Bitte, sei wie zu Hause. Setze dich. Soll ich eine Flasche Wein befehlen?"

„Laß das. Gott mit ihm, mit dem Weine! Ist auch nur Übermut, das
Weintrinken. Ich habe ganz anderes auf dem Herzen. Das Mädchen, deine
Tochter, hat es mir angetan. Das ist die Sache."

„Nu!"

„Bei Gott."

„Kusma Karpowitsch, Bruder, besinne dich," rief Botscharow besorgt. „Fürchte
Gott. Dn bist doch wirklich nicht mehr in den Jahren. Du und ein so junges
Mädchen, ein Kind, wird eben erst zwanzig!"

Räbzow sah ihn starr an.

„Was sprichst du, Tit Grigorjewitsch? Was soll das? Ach, ja so!"

Er winkte abwehrend mit der Hand.

„Nu, Bruder, ich möchte lachen, aber mir ist zu ernst zumute. Wahrlich
nicht für mich, für meinen Taugenichts von Sohn möchte ich deine Tochter."

„Ah!"

„Er ist fünfundzwanzig. Das Alter würde stimmen."

Botscharow nickte.

„Und das war das Geschäft, wegen dessen du mich aufgesucht hast?" fragte
er. „Du beabsichtigst nicht, in meinem Kreise Holzhandel zu treiben?"

„Warte. Alles der Reihe nach. Willst du deine Tochter meinem Sohne
geben?"

„Wie soll man darauf antworten! Ich muß dir sagen, meine Tochter ist
verwöhnt, hat immer ihren Willen gehabt. Sie wird. . ."

„Ich kenne deine Tochter."

„Sie wird um nichts in der Welt einen Mann nehmen, wenn sie ihn nicht
will. Und ich — lache mich aus, Kusma Karpowitsch — ich bin ein schwacher
älter Narr, wo es die Tochter gilt. Ich werde sie nicht zwingen. Und wollte
ich es versuchen, ich gäbe zuletzt doch nach. Ich weiß das schon."

„Wozu erzählst du mir das? Ich kenne deine Tochter, und ich kenne dich.
Sie ist eine richtige Kaufmannstochter, aber von der neuen Art, mit Bildung und
selbständig. Du bist ein richtiger Kaufmann von der alten Art, aber — die neue
Zeit hat dich auch schon von verschiedenen Seiten angeweht. Ach ja! Das Lied
wissen wir alle zu singen."

„Setze dich ordentlich," fuhr er fort, „und rücke nicht so unruhig hin und
her. Uns alten Kaufleuten ziemt es nicht, uns über etwas zu ereifern. Höre


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[0038] Im Flecken „Nun ja, vielleicht," sagte Botscharow, „richtiger wäre es schon gewesen. Aber siehst du, Kusma Karpowitsch, das Hans ist für mich, und die Gebäude da sind für die Leute und das Vieh. Ich halte darauf, ich komme zuerst, und dann kommen die Leute und das Vieh." „Hahaha," lachte Räbzow, „sieh, was für ein vornehmer Herr du bist! Gutsbesitzer, bei Gott, ganz Gutsbesitzer!" Als sie zurückgekehrt waren, die Familie sich bereits gute Nacht gesagt hatte und der Hausherr sich ebenfalls anschickte, das Schlafzimmer aufzusuchen, wunderte er sich nicht wenig, den Gast in das Kabinett treten zu sehen. „Entschuldige, Tit Grigorjewitsch," sprach derselbe. „Ich möchte dich noch etwas aufhalten. Ich habe mit dir zu reden." „Bitte, sei wie zu Hause. Setze dich. Soll ich eine Flasche Wein befehlen?" „Laß das. Gott mit ihm, mit dem Weine! Ist auch nur Übermut, das Weintrinken. Ich habe ganz anderes auf dem Herzen. Das Mädchen, deine Tochter, hat es mir angetan. Das ist die Sache." „Nu!" „Bei Gott." „Kusma Karpowitsch, Bruder, besinne dich," rief Botscharow besorgt. „Fürchte Gott. Dn bist doch wirklich nicht mehr in den Jahren. Du und ein so junges Mädchen, ein Kind, wird eben erst zwanzig!" Räbzow sah ihn starr an. „Was sprichst du, Tit Grigorjewitsch? Was soll das? Ach, ja so!" Er winkte abwehrend mit der Hand. „Nu, Bruder, ich möchte lachen, aber mir ist zu ernst zumute. Wahrlich nicht für mich, für meinen Taugenichts von Sohn möchte ich deine Tochter." „Ah!" „Er ist fünfundzwanzig. Das Alter würde stimmen." Botscharow nickte. „Und das war das Geschäft, wegen dessen du mich aufgesucht hast?" fragte er. „Du beabsichtigst nicht, in meinem Kreise Holzhandel zu treiben?" „Warte. Alles der Reihe nach. Willst du deine Tochter meinem Sohne geben?" „Wie soll man darauf antworten! Ich muß dir sagen, meine Tochter ist verwöhnt, hat immer ihren Willen gehabt. Sie wird. . ." „Ich kenne deine Tochter." „Sie wird um nichts in der Welt einen Mann nehmen, wenn sie ihn nicht will. Und ich — lache mich aus, Kusma Karpowitsch — ich bin ein schwacher älter Narr, wo es die Tochter gilt. Ich werde sie nicht zwingen. Und wollte ich es versuchen, ich gäbe zuletzt doch nach. Ich weiß das schon." „Wozu erzählst du mir das? Ich kenne deine Tochter, und ich kenne dich. Sie ist eine richtige Kaufmannstochter, aber von der neuen Art, mit Bildung und selbständig. Du bist ein richtiger Kaufmann von der alten Art, aber — die neue Zeit hat dich auch schon von verschiedenen Seiten angeweht. Ach ja! Das Lied wissen wir alle zu singen." „Setze dich ordentlich," fuhr er fort, „und rücke nicht so unruhig hin und her. Uns alten Kaufleuten ziemt es nicht, uns über etwas zu ereifern. Höre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/38>, abgerufen am 24.07.2024.