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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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dem Juristen und dem Patentanwalt über¬
lassen ^hat. Diese beiden aber sind natur-
gemäß geneigt, das Recht des einzelnen gegen¬
über dem der Gesamtheit zu betonen. Dieser
Teil des Buches -- die drei ersten Kapitel
mnfnssend - leidet etwas unter der natür¬
lichen Zurückhaltung des Mannes, der einen
wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung des
neueren Teiles der Gesetzgebung gehabt hat
und nach mitten in dieser Arbeit steht. Er
könnte ausführlicher sein - einzelne Stellen
lesen sich fast wie ein gedrängter Auszug ans
einem größeren Werk -- und zuweilen muß
der Leser sich geradezu aufs Raten legen,
was denn nnn eigentlich die Meinung des
Verfassers sei; z, B. in vezug auf das Ge-
brnuchSmustcrgesetz, das einesteils durch Aus¬
füllung der Lücke zwischen Patent- und Ge-
schmackSinnsterschutz die Rechtssicherheit erhöht
hat, anderseits die Hauptschuld um dem über¬
mäßigen Anwachsen der Zahl der Anmel¬
dungen trägt. Nach einen, llbergangsknpitel,
in dem die oben erwähnte Parallele zwischen
dem Erfinden und anderen geistigen Tätig¬
keiten gezogen wird, kommt der Verfasser zu der
Entwickelung des Patent- und Mvnopolwesens
in seiner eigentlichen Heimat, in England.
Nach einer geradezu meisterhaften Schilderung
des Tiefstandes der Rechtssicherheit und der
Cultur in einer gar nicht so weit zurück¬
liegenden ;>>eit wird gezeigt, wie allmählich
der Gedanke durchdringt: der Erfinder erhält
sein Patent, weil und sofern er der Lehrer
der Nation ist. Dieser Teil zeigt übrigens
neben Klarheit und Anschaulichkeit doch auch
den Mangel, der einer jeden Tendenzschrist --
und um eine solche, allerdings im besten Sinne
des Wortes, handelt es sich hier -- nnznhnften
Pflegte die Einseitigkeit. So wird z. B. der
Sturz Karls des Ersten lediglich ans seine
Willkürherrschnft, namentlich in der Manopol-
fragc, zurückgeführt, während doch Wohl in
erster Linie religiöse Beweggründe -- der
Puritanismus und die Ilnznverlässigkeit der
Klmigsfamilie in ihrem Verhalten dem Pnpis-
mns gegenüber -- an der Revolution schuld
waren. Auch in den weiteren Ausführungen
über die Pflichten des Erfinders, zumal über
die, seine Erfindung zuni Besten der Volks¬[Spaltenumbruch]
sich das Werk hauptsächlich an die englischen
Verhältnisse n". Bei Besprechung der Unions-
bestrebungen wendet sich der Verfasser mit
Schürfe gegen die Kosmopoliten, die schon
von einem Weltpatentrcchte träumen. Er weist
nach, das; der sogenannte Unionsvertrag nichts
anderes ist als die Zusammenfassung einer
Reihe von dein Sinne nach gleichen Verträgen
zwischen je zwei Staaten, wobei jeder Staat
nach dem Grundsätze l)c>, ut clef handelt
und Zugeständnisse nur macht, um Vorteile
für die eigene Volkswirtschaft dafür einzu¬
tauschen. Alles Patentwesen beruhe also ans
nationaliuirtschaftlicher Grundlage. Sehr anfechtbar erscheint dasSchlußtaPitel.
Es wird behauptet: Wie das letzte Ziel jeder
guten Regierung sein müsse, sich selbst über¬
flüssig zu machen, indem sie die Regierten
daran gewöhne, aus freien Stücken ihre Pflicht
zu tun, so müsse mich altes Patentwesen dazu
dienen, die technische Bildung des Volkes so
auszugleichen, daß jeglicher Fortschritt ans dem
Gebiete der Erfindungen nicht nnr einzelnen
ihrer Zeit vorauseilenden Denkern oder Prak¬
tikern, sondern allen Männern von Fach gleich¬
zeitig möglich sei, womit dann jeder Erfin-
duugsschntz überflüssig werde. Darin scheint
denn doch eine starke Unterschätzung des Er-
findungsgeistcs zu liegen. Gewiß läßt sich
die Kunst des Erfinders lehren, gewiß wird
auch das Genie Vollkommeneres leisten, wenn
es von methodischer Ausbildung unterstützt
wird, aber es läßt sich nicht dadurch ersetzen.
Lehren läßt sich nnr das Handwerksmäßige;
auch der geschickteste Farbontiinstler wird keinen
Raffnel erziehen, wenn dieser nicht von Anfang
an in dem Schüler steckt. Das Leugnen des
Genius aber ist gefährlich, es rächt sich an
den Völkern durch Erstarren des Denkens,
aus dem sie nur durch eine - meistens recht
schmerzhafte - - Berührung mit dem Auslande
wieder erweckt zu werden Pflegen. DaS Buch fordert -- wie man sieht --
vielfach zum Widerspruch heraus. Gerade das
aber ist sein Hnuptvorzug. Der an sich etwas
spröde Stoss ist mit solcher Geschicklichkeit und
vor allem mit solcher Warmherzigkeit behandelt,
daß der Leser ^ mich der Laie -- andauernd
Fritz Lesse gefesselt wird. [Ende Spaltensatz]
wirtschaft zur Ausführung zu bringen, lehnt




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dem Juristen und dem Patentanwalt über¬
lassen ^hat. Diese beiden aber sind natur-
gemäß geneigt, das Recht des einzelnen gegen¬
über dem der Gesamtheit zu betonen. Dieser
Teil des Buches — die drei ersten Kapitel
mnfnssend - leidet etwas unter der natür¬
lichen Zurückhaltung des Mannes, der einen
wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung des
neueren Teiles der Gesetzgebung gehabt hat
und nach mitten in dieser Arbeit steht. Er
könnte ausführlicher sein - einzelne Stellen
lesen sich fast wie ein gedrängter Auszug ans
einem größeren Werk — und zuweilen muß
der Leser sich geradezu aufs Raten legen,
was denn nnn eigentlich die Meinung des
Verfassers sei; z, B. in vezug auf das Ge-
brnuchSmustcrgesetz, das einesteils durch Aus¬
füllung der Lücke zwischen Patent- und Ge-
schmackSinnsterschutz die Rechtssicherheit erhöht
hat, anderseits die Hauptschuld um dem über¬
mäßigen Anwachsen der Zahl der Anmel¬
dungen trägt. Nach einen, llbergangsknpitel,
in dem die oben erwähnte Parallele zwischen
dem Erfinden und anderen geistigen Tätig¬
keiten gezogen wird, kommt der Verfasser zu der
Entwickelung des Patent- und Mvnopolwesens
in seiner eigentlichen Heimat, in England.
Nach einer geradezu meisterhaften Schilderung
des Tiefstandes der Rechtssicherheit und der
Cultur in einer gar nicht so weit zurück¬
liegenden ;>>eit wird gezeigt, wie allmählich
der Gedanke durchdringt: der Erfinder erhält
sein Patent, weil und sofern er der Lehrer
der Nation ist. Dieser Teil zeigt übrigens
neben Klarheit und Anschaulichkeit doch auch
den Mangel, der einer jeden Tendenzschrist —
und um eine solche, allerdings im besten Sinne
des Wortes, handelt es sich hier — nnznhnften
Pflegte die Einseitigkeit. So wird z. B. der
Sturz Karls des Ersten lediglich ans seine
Willkürherrschnft, namentlich in der Manopol-
fragc, zurückgeführt, während doch Wohl in
erster Linie religiöse Beweggründe — der
Puritanismus und die Ilnznverlässigkeit der
Klmigsfamilie in ihrem Verhalten dem Pnpis-
mns gegenüber — an der Revolution schuld
waren. Auch in den weiteren Ausführungen
über die Pflichten des Erfinders, zumal über
die, seine Erfindung zuni Besten der Volks¬[Spaltenumbruch]
sich das Werk hauptsächlich an die englischen
Verhältnisse n». Bei Besprechung der Unions-
bestrebungen wendet sich der Verfasser mit
Schürfe gegen die Kosmopoliten, die schon
von einem Weltpatentrcchte träumen. Er weist
nach, das; der sogenannte Unionsvertrag nichts
anderes ist als die Zusammenfassung einer
Reihe von dein Sinne nach gleichen Verträgen
zwischen je zwei Staaten, wobei jeder Staat
nach dem Grundsätze l)c>, ut clef handelt
und Zugeständnisse nur macht, um Vorteile
für die eigene Volkswirtschaft dafür einzu¬
tauschen. Alles Patentwesen beruhe also ans
nationaliuirtschaftlicher Grundlage. Sehr anfechtbar erscheint dasSchlußtaPitel.
Es wird behauptet: Wie das letzte Ziel jeder
guten Regierung sein müsse, sich selbst über¬
flüssig zu machen, indem sie die Regierten
daran gewöhne, aus freien Stücken ihre Pflicht
zu tun, so müsse mich altes Patentwesen dazu
dienen, die technische Bildung des Volkes so
auszugleichen, daß jeglicher Fortschritt ans dem
Gebiete der Erfindungen nicht nnr einzelnen
ihrer Zeit vorauseilenden Denkern oder Prak¬
tikern, sondern allen Männern von Fach gleich¬
zeitig möglich sei, womit dann jeder Erfin-
duugsschntz überflüssig werde. Darin scheint
denn doch eine starke Unterschätzung des Er-
findungsgeistcs zu liegen. Gewiß läßt sich
die Kunst des Erfinders lehren, gewiß wird
auch das Genie Vollkommeneres leisten, wenn
es von methodischer Ausbildung unterstützt
wird, aber es läßt sich nicht dadurch ersetzen.
Lehren läßt sich nnr das Handwerksmäßige;
auch der geschickteste Farbontiinstler wird keinen
Raffnel erziehen, wenn dieser nicht von Anfang
an in dem Schüler steckt. Das Leugnen des
Genius aber ist gefährlich, es rächt sich an
den Völkern durch Erstarren des Denkens,
aus dem sie nur durch eine - meistens recht
schmerzhafte - - Berührung mit dem Auslande
wieder erweckt zu werden Pflegen. DaS Buch fordert — wie man sieht —
vielfach zum Widerspruch heraus. Gerade das
aber ist sein Hnuptvorzug. Der an sich etwas
spröde Stoss ist mit solcher Geschicklichkeit und
vor allem mit solcher Warmherzigkeit behandelt,
daß der Leser ^ mich der Laie — andauernd
Fritz Lesse gefesselt wird. [Ende Spaltensatz]
wirtschaft zur Ausführung zu bringen, lehnt



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[0315] dem Juristen und dem Patentanwalt über¬ lassen ^hat. Diese beiden aber sind natur- gemäß geneigt, das Recht des einzelnen gegen¬ über dem der Gesamtheit zu betonen. Dieser Teil des Buches — die drei ersten Kapitel mnfnssend - leidet etwas unter der natür¬ lichen Zurückhaltung des Mannes, der einen wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung des neueren Teiles der Gesetzgebung gehabt hat und nach mitten in dieser Arbeit steht. Er könnte ausführlicher sein - einzelne Stellen lesen sich fast wie ein gedrängter Auszug ans einem größeren Werk — und zuweilen muß der Leser sich geradezu aufs Raten legen, was denn nnn eigentlich die Meinung des Verfassers sei; z, B. in vezug auf das Ge- brnuchSmustcrgesetz, das einesteils durch Aus¬ füllung der Lücke zwischen Patent- und Ge- schmackSinnsterschutz die Rechtssicherheit erhöht hat, anderseits die Hauptschuld um dem über¬ mäßigen Anwachsen der Zahl der Anmel¬ dungen trägt. Nach einen, llbergangsknpitel, in dem die oben erwähnte Parallele zwischen dem Erfinden und anderen geistigen Tätig¬ keiten gezogen wird, kommt der Verfasser zu der Entwickelung des Patent- und Mvnopolwesens in seiner eigentlichen Heimat, in England. Nach einer geradezu meisterhaften Schilderung des Tiefstandes der Rechtssicherheit und der Cultur in einer gar nicht so weit zurück¬ liegenden ;>>eit wird gezeigt, wie allmählich der Gedanke durchdringt: der Erfinder erhält sein Patent, weil und sofern er der Lehrer der Nation ist. Dieser Teil zeigt übrigens neben Klarheit und Anschaulichkeit doch auch den Mangel, der einer jeden Tendenzschrist — und um eine solche, allerdings im besten Sinne des Wortes, handelt es sich hier — nnznhnften Pflegte die Einseitigkeit. So wird z. B. der Sturz Karls des Ersten lediglich ans seine Willkürherrschnft, namentlich in der Manopol- fragc, zurückgeführt, während doch Wohl in erster Linie religiöse Beweggründe — der Puritanismus und die Ilnznverlässigkeit der Klmigsfamilie in ihrem Verhalten dem Pnpis- mns gegenüber — an der Revolution schuld waren. Auch in den weiteren Ausführungen über die Pflichten des Erfinders, zumal über die, seine Erfindung zuni Besten der Volks¬ sich das Werk hauptsächlich an die englischen Verhältnisse n». Bei Besprechung der Unions- bestrebungen wendet sich der Verfasser mit Schürfe gegen die Kosmopoliten, die schon von einem Weltpatentrcchte träumen. Er weist nach, das; der sogenannte Unionsvertrag nichts anderes ist als die Zusammenfassung einer Reihe von dein Sinne nach gleichen Verträgen zwischen je zwei Staaten, wobei jeder Staat nach dem Grundsätze l)c>, ut clef handelt und Zugeständnisse nur macht, um Vorteile für die eigene Volkswirtschaft dafür einzu¬ tauschen. Alles Patentwesen beruhe also ans nationaliuirtschaftlicher Grundlage. Sehr anfechtbar erscheint dasSchlußtaPitel. Es wird behauptet: Wie das letzte Ziel jeder guten Regierung sein müsse, sich selbst über¬ flüssig zu machen, indem sie die Regierten daran gewöhne, aus freien Stücken ihre Pflicht zu tun, so müsse mich altes Patentwesen dazu dienen, die technische Bildung des Volkes so auszugleichen, daß jeglicher Fortschritt ans dem Gebiete der Erfindungen nicht nnr einzelnen ihrer Zeit vorauseilenden Denkern oder Prak¬ tikern, sondern allen Männern von Fach gleich¬ zeitig möglich sei, womit dann jeder Erfin- duugsschntz überflüssig werde. Darin scheint denn doch eine starke Unterschätzung des Er- findungsgeistcs zu liegen. Gewiß läßt sich die Kunst des Erfinders lehren, gewiß wird auch das Genie Vollkommeneres leisten, wenn es von methodischer Ausbildung unterstützt wird, aber es läßt sich nicht dadurch ersetzen. Lehren läßt sich nnr das Handwerksmäßige; auch der geschickteste Farbontiinstler wird keinen Raffnel erziehen, wenn dieser nicht von Anfang an in dem Schüler steckt. Das Leugnen des Genius aber ist gefährlich, es rächt sich an den Völkern durch Erstarren des Denkens, aus dem sie nur durch eine - meistens recht schmerzhafte - - Berührung mit dem Auslande wieder erweckt zu werden Pflegen. DaS Buch fordert — wie man sieht — vielfach zum Widerspruch heraus. Gerade das aber ist sein Hnuptvorzug. Der an sich etwas spröde Stoss ist mit solcher Geschicklichkeit und vor allem mit solcher Warmherzigkeit behandelt, daß der Leser ^ mich der Laie — andauernd Fritz Lesse gefesselt wird. wirtschaft zur Ausführung zu bringen, lehnt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/315>, abgerufen am 28.12.2024.