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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Der Beamte als Staatsbürger

Arbeiter, nach einer Gleichstellung der technischen und industriellen Beamten mit
den kaufmännischen Angestellten in rechtlicher Beziehung ein näheres Eingehen
verdienen würde. Wohl können wir nicht verkennen, daß ihre wirtschaftliche
Lage, ihre allgemeine Lebenshaltung, ihre soziale Stellung manche Ähnlichkeit
mit der der staatlichen und kommunalen Beamten aufweist. Müssen doch beide
Teile ihrem ganzen Wesen nach dem Mittelstand eingegliedert werden. Allein
die geschichtliche Entwickelung, die Begründung ihres Dienstverhältnisses ist grund¬
verschieden voneinander. Der Vertrag des Privatbeamten mit seinem Dienst¬
geber scheint ein reiner Arbeitsvertrag, der sich nach den gegebenen wirtschaft¬
lichen Grundsätzen richtet, er ist vor allen Dingen ein völlig zweiseitiger, während
man berechtigterweise Zweifel haben kann, ob hinsichtlich des staatlichen und
kommunalen Beamten von einem Vertrag überhaupt gesprochen werden kann.
Der hauptsächliche Unterschied liegt aber in der Kündbarkeit des von dem Privat¬
beamten einzugehenden Dienstvertrags, die auch wesentlich andere Folgerungen
in der Bewertung beider Stellungen mit sich bringt.

In meinen Ausführungen sind auch alle Fragen nach wirtschaftlicher Besser¬
stellung ausgeschieden. Wohl sind sie es gewesen, die den Beamten zunächst zuni
Anschluß an die bestehenden Vereine, zur Organisation gezwungen haben. Die
Erkenntnis von der eingetretenen Notlage hat denn auch in den letzten Jahren
in den meisten Staaten zu einer Durchsicht der Gehaltsordnung, zu einer Neu¬
regelung geführt. Daß dadurch alle Wünsche befriedigt worden seien, kann
nicht gesagt werden. Daß viele Härten und Unstimmigkeiten übrig geblieben
sind, ist zuzugeben. Manche Unbilligkeiten sind verursacht durch Maßnahmen, welche
in den vergangenen Jahren zu einer Umwandlung einzelner Beamtenklassen in
der Gesamtorganisation des Beamtenkörpers geführt haben. Daß man sich aber
kurze Zeit uach den: Inkrafttreten der neuen Ordnung schon wieder in eine
allseitige Durchsicht einlassen werde, zumal die Finanzlage des Reichs und der
Einzelstaaten augenblicklich eine Deckung der dadurch verursachten Kosten nicht
in Aussicht stellt, diese Schwierigkeiten erfassen wohl auch die Beamten in ihrer
vollen Tragweite. Das soll indessen nicht heißen, daß man nun an eine mögliche
Abänderung, soweit sie gerechtfertigt erscheint, nicht denken darf. Es wird das
eine Aufgabe der nicht fernen Zukunft sein. Aber die Lösung dieser Ausgabe
will vorbereitet sein. Ein Mittel dazu scheint mir die Ausbreitung des
Verständnisses für die staatsrechtliche Stellung des Beamten, für
die Bedeutung des Beamten im ganzen Leben und Wirken eines
Volkes, für die notwendige Sicherung und scharfe Umgrenzung seiner
staatsbürgerlichen Re.este und Pflichten zu sein.

Viel zu sehr hat man sich im Volk gewöhnt, den Beamten nur als den
Verzehrer der Güter zu betrachten, die andere erwerbstätige Kreise der Be¬
völkerung schaffen. Man hat es als unbequem empfunden und ungern ertragen,
daß der Beamte sich in viele Angelegenheiten einmischt, Anweisungen. Ord¬
nungen erläßt und erteilt, sowie deren Durchführung überwacht. Die mannig-


Der Beamte als Staatsbürger

Arbeiter, nach einer Gleichstellung der technischen und industriellen Beamten mit
den kaufmännischen Angestellten in rechtlicher Beziehung ein näheres Eingehen
verdienen würde. Wohl können wir nicht verkennen, daß ihre wirtschaftliche
Lage, ihre allgemeine Lebenshaltung, ihre soziale Stellung manche Ähnlichkeit
mit der der staatlichen und kommunalen Beamten aufweist. Müssen doch beide
Teile ihrem ganzen Wesen nach dem Mittelstand eingegliedert werden. Allein
die geschichtliche Entwickelung, die Begründung ihres Dienstverhältnisses ist grund¬
verschieden voneinander. Der Vertrag des Privatbeamten mit seinem Dienst¬
geber scheint ein reiner Arbeitsvertrag, der sich nach den gegebenen wirtschaft¬
lichen Grundsätzen richtet, er ist vor allen Dingen ein völlig zweiseitiger, während
man berechtigterweise Zweifel haben kann, ob hinsichtlich des staatlichen und
kommunalen Beamten von einem Vertrag überhaupt gesprochen werden kann.
Der hauptsächliche Unterschied liegt aber in der Kündbarkeit des von dem Privat¬
beamten einzugehenden Dienstvertrags, die auch wesentlich andere Folgerungen
in der Bewertung beider Stellungen mit sich bringt.

In meinen Ausführungen sind auch alle Fragen nach wirtschaftlicher Besser¬
stellung ausgeschieden. Wohl sind sie es gewesen, die den Beamten zunächst zuni
Anschluß an die bestehenden Vereine, zur Organisation gezwungen haben. Die
Erkenntnis von der eingetretenen Notlage hat denn auch in den letzten Jahren
in den meisten Staaten zu einer Durchsicht der Gehaltsordnung, zu einer Neu¬
regelung geführt. Daß dadurch alle Wünsche befriedigt worden seien, kann
nicht gesagt werden. Daß viele Härten und Unstimmigkeiten übrig geblieben
sind, ist zuzugeben. Manche Unbilligkeiten sind verursacht durch Maßnahmen, welche
in den vergangenen Jahren zu einer Umwandlung einzelner Beamtenklassen in
der Gesamtorganisation des Beamtenkörpers geführt haben. Daß man sich aber
kurze Zeit uach den: Inkrafttreten der neuen Ordnung schon wieder in eine
allseitige Durchsicht einlassen werde, zumal die Finanzlage des Reichs und der
Einzelstaaten augenblicklich eine Deckung der dadurch verursachten Kosten nicht
in Aussicht stellt, diese Schwierigkeiten erfassen wohl auch die Beamten in ihrer
vollen Tragweite. Das soll indessen nicht heißen, daß man nun an eine mögliche
Abänderung, soweit sie gerechtfertigt erscheint, nicht denken darf. Es wird das
eine Aufgabe der nicht fernen Zukunft sein. Aber die Lösung dieser Ausgabe
will vorbereitet sein. Ein Mittel dazu scheint mir die Ausbreitung des
Verständnisses für die staatsrechtliche Stellung des Beamten, für
die Bedeutung des Beamten im ganzen Leben und Wirken eines
Volkes, für die notwendige Sicherung und scharfe Umgrenzung seiner
staatsbürgerlichen Re.este und Pflichten zu sein.

Viel zu sehr hat man sich im Volk gewöhnt, den Beamten nur als den
Verzehrer der Güter zu betrachten, die andere erwerbstätige Kreise der Be¬
völkerung schaffen. Man hat es als unbequem empfunden und ungern ertragen,
daß der Beamte sich in viele Angelegenheiten einmischt, Anweisungen. Ord¬
nungen erläßt und erteilt, sowie deren Durchführung überwacht. Die mannig-


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[0273] Der Beamte als Staatsbürger Arbeiter, nach einer Gleichstellung der technischen und industriellen Beamten mit den kaufmännischen Angestellten in rechtlicher Beziehung ein näheres Eingehen verdienen würde. Wohl können wir nicht verkennen, daß ihre wirtschaftliche Lage, ihre allgemeine Lebenshaltung, ihre soziale Stellung manche Ähnlichkeit mit der der staatlichen und kommunalen Beamten aufweist. Müssen doch beide Teile ihrem ganzen Wesen nach dem Mittelstand eingegliedert werden. Allein die geschichtliche Entwickelung, die Begründung ihres Dienstverhältnisses ist grund¬ verschieden voneinander. Der Vertrag des Privatbeamten mit seinem Dienst¬ geber scheint ein reiner Arbeitsvertrag, der sich nach den gegebenen wirtschaft¬ lichen Grundsätzen richtet, er ist vor allen Dingen ein völlig zweiseitiger, während man berechtigterweise Zweifel haben kann, ob hinsichtlich des staatlichen und kommunalen Beamten von einem Vertrag überhaupt gesprochen werden kann. Der hauptsächliche Unterschied liegt aber in der Kündbarkeit des von dem Privat¬ beamten einzugehenden Dienstvertrags, die auch wesentlich andere Folgerungen in der Bewertung beider Stellungen mit sich bringt. In meinen Ausführungen sind auch alle Fragen nach wirtschaftlicher Besser¬ stellung ausgeschieden. Wohl sind sie es gewesen, die den Beamten zunächst zuni Anschluß an die bestehenden Vereine, zur Organisation gezwungen haben. Die Erkenntnis von der eingetretenen Notlage hat denn auch in den letzten Jahren in den meisten Staaten zu einer Durchsicht der Gehaltsordnung, zu einer Neu¬ regelung geführt. Daß dadurch alle Wünsche befriedigt worden seien, kann nicht gesagt werden. Daß viele Härten und Unstimmigkeiten übrig geblieben sind, ist zuzugeben. Manche Unbilligkeiten sind verursacht durch Maßnahmen, welche in den vergangenen Jahren zu einer Umwandlung einzelner Beamtenklassen in der Gesamtorganisation des Beamtenkörpers geführt haben. Daß man sich aber kurze Zeit uach den: Inkrafttreten der neuen Ordnung schon wieder in eine allseitige Durchsicht einlassen werde, zumal die Finanzlage des Reichs und der Einzelstaaten augenblicklich eine Deckung der dadurch verursachten Kosten nicht in Aussicht stellt, diese Schwierigkeiten erfassen wohl auch die Beamten in ihrer vollen Tragweite. Das soll indessen nicht heißen, daß man nun an eine mögliche Abänderung, soweit sie gerechtfertigt erscheint, nicht denken darf. Es wird das eine Aufgabe der nicht fernen Zukunft sein. Aber die Lösung dieser Ausgabe will vorbereitet sein. Ein Mittel dazu scheint mir die Ausbreitung des Verständnisses für die staatsrechtliche Stellung des Beamten, für die Bedeutung des Beamten im ganzen Leben und Wirken eines Volkes, für die notwendige Sicherung und scharfe Umgrenzung seiner staatsbürgerlichen Re.este und Pflichten zu sein. Viel zu sehr hat man sich im Volk gewöhnt, den Beamten nur als den Verzehrer der Güter zu betrachten, die andere erwerbstätige Kreise der Be¬ völkerung schaffen. Man hat es als unbequem empfunden und ungern ertragen, daß der Beamte sich in viele Angelegenheiten einmischt, Anweisungen. Ord¬ nungen erläßt und erteilt, sowie deren Durchführung überwacht. Die mannig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/273>, abgerufen am 24.07.2024.