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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das sächsische Gesetz über Gemeindevcrbände

würden, bei Bedarf besonderer Regelung vorbehalten bleiben. Dagegen ist im
Gesetz ferner der Zusammentritt von Verbänden zu einem neuen Verbände
vorgesehen (Z 20, s. oben); endlich soll auch der Zusammenschluß mit außer¬
sächsischen Gemeinden des Deutschen Reichs nicht schlechthin ausgeschlossen sein
(ß 22, s. oben).

Dagegen findet auf Verbände, die durch Reichsgesetz geordnet sind, das
Gesetz keine Anwendung (§ 23).

7. Das Gesetz beabsichtigt nicht, alle Vereinbarungen zwischen Gemeinden
in die Form der Verbandsbildung zu pressen. Nach wie vor soll es z. B.
zulässig sein, daß eine Gemeinde ein Elektrizitätswerk errichtet und andere
Gemeinden Stromlieferungsverträge mit dieser abschließen.

Dieses sind die allgemeinen Gesichtspunkte, auf denen das klar und sachlich
abgefaßte Gesetz vom 18. Juni 1910 beruht.

Um die Bedeutung des Gesetzwerkes genügend zu erkennen, mag noch auf
einige Punkte hingewiesen werden, welche bei den erwähnten Verhandlungen
des Sächsischen Gemeindetages in Annaberg am 2./3. Juli 1909 zur Sprache
gekommen sind.

Es ist dort betont worden, daß in Sachsen folgende drei Gruppen von
Vereinigungen bestehen:

1. Gesetzliche Zwangsverbände. Aufgaben, Art und Ausführung sind ihnen
vorgeschrieben, so: im Zusammenschluß zu einem Jmpfbezirk nach dem Reichs¬
gesetze vom 8. April 1874, dann zu Standesamtsbezirken nach dem Reichsgesetze
vom 6. Februar 1875, endlich zu den alten Dammkommunen nach dem Mandat
vom 7. August 1819.

2. Gesetzliche Verbände, bei denen der Zweck des Verbandes zwingend
vorgeschrieben, die Erfüllung des Zweckes aber den Gemeinden nachgelassen ist:
nach der Gewerbeordnung vom 7. Februar 1719 und dem Mandat vom 14. Oktober
1774, Spritzenverbände betreffend, und nach der Dorffeuerlöschordnung von 1775.
Hierher gehören die Verbände für die Leichenhallen und die Totenfrauen nach dem
Gesetze von 1841, die zusammengesetzten Ortsarmenverbände nach dem Unter¬
stützungswohnsitzgesetze, die Trichinenschauverbände für die Anstellung gemeinsamer
Trichinenschauer (Verordnung von 1888), die Hebammenverbände für Ruhestands-
unterstützungen nach dem Gesetze vom 20. März 1894, die Fleischbeschaubezirke
zur Anstellung von Fleischbeschauern, die Freibankbezirke zur Errichtung einer
gemeinsamen Freidank und die Verbände zur Bildung von allgemeinen Orts-
schützungsausschüssen, endlich die Desinfektionsverbände, ausgelöst durch Ver¬
ordnung vom 29. September 1900. Auch die Gemeindeverbände zur Erfüllung
der Gemeindekrankenversicherungspflicht nach dem Reichsgesetze vom 15. Juni 1883
können vielleicht noch hierher gezählt werden.

3. Verbände, deren Aufgaben allgemein gegeben sind, als in dem Wirkungs¬
kreise der Gemeinden liegend, Zeit der Lösung der Aufgabe, Maß der auf¬
zuwendenden Kraft, Form der Lösung in: freien Ermessen der Gemeinden stehend.


Das sächsische Gesetz über Gemeindevcrbände

würden, bei Bedarf besonderer Regelung vorbehalten bleiben. Dagegen ist im
Gesetz ferner der Zusammentritt von Verbänden zu einem neuen Verbände
vorgesehen (Z 20, s. oben); endlich soll auch der Zusammenschluß mit außer¬
sächsischen Gemeinden des Deutschen Reichs nicht schlechthin ausgeschlossen sein
(ß 22, s. oben).

Dagegen findet auf Verbände, die durch Reichsgesetz geordnet sind, das
Gesetz keine Anwendung (§ 23).

7. Das Gesetz beabsichtigt nicht, alle Vereinbarungen zwischen Gemeinden
in die Form der Verbandsbildung zu pressen. Nach wie vor soll es z. B.
zulässig sein, daß eine Gemeinde ein Elektrizitätswerk errichtet und andere
Gemeinden Stromlieferungsverträge mit dieser abschließen.

Dieses sind die allgemeinen Gesichtspunkte, auf denen das klar und sachlich
abgefaßte Gesetz vom 18. Juni 1910 beruht.

Um die Bedeutung des Gesetzwerkes genügend zu erkennen, mag noch auf
einige Punkte hingewiesen werden, welche bei den erwähnten Verhandlungen
des Sächsischen Gemeindetages in Annaberg am 2./3. Juli 1909 zur Sprache
gekommen sind.

Es ist dort betont worden, daß in Sachsen folgende drei Gruppen von
Vereinigungen bestehen:

1. Gesetzliche Zwangsverbände. Aufgaben, Art und Ausführung sind ihnen
vorgeschrieben, so: im Zusammenschluß zu einem Jmpfbezirk nach dem Reichs¬
gesetze vom 8. April 1874, dann zu Standesamtsbezirken nach dem Reichsgesetze
vom 6. Februar 1875, endlich zu den alten Dammkommunen nach dem Mandat
vom 7. August 1819.

2. Gesetzliche Verbände, bei denen der Zweck des Verbandes zwingend
vorgeschrieben, die Erfüllung des Zweckes aber den Gemeinden nachgelassen ist:
nach der Gewerbeordnung vom 7. Februar 1719 und dem Mandat vom 14. Oktober
1774, Spritzenverbände betreffend, und nach der Dorffeuerlöschordnung von 1775.
Hierher gehören die Verbände für die Leichenhallen und die Totenfrauen nach dem
Gesetze von 1841, die zusammengesetzten Ortsarmenverbände nach dem Unter¬
stützungswohnsitzgesetze, die Trichinenschauverbände für die Anstellung gemeinsamer
Trichinenschauer (Verordnung von 1888), die Hebammenverbände für Ruhestands-
unterstützungen nach dem Gesetze vom 20. März 1894, die Fleischbeschaubezirke
zur Anstellung von Fleischbeschauern, die Freibankbezirke zur Errichtung einer
gemeinsamen Freidank und die Verbände zur Bildung von allgemeinen Orts-
schützungsausschüssen, endlich die Desinfektionsverbände, ausgelöst durch Ver¬
ordnung vom 29. September 1900. Auch die Gemeindeverbände zur Erfüllung
der Gemeindekrankenversicherungspflicht nach dem Reichsgesetze vom 15. Juni 1883
können vielleicht noch hierher gezählt werden.

3. Verbände, deren Aufgaben allgemein gegeben sind, als in dem Wirkungs¬
kreise der Gemeinden liegend, Zeit der Lösung der Aufgabe, Maß der auf¬
zuwendenden Kraft, Form der Lösung in: freien Ermessen der Gemeinden stehend.


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[0172] Das sächsische Gesetz über Gemeindevcrbände würden, bei Bedarf besonderer Regelung vorbehalten bleiben. Dagegen ist im Gesetz ferner der Zusammentritt von Verbänden zu einem neuen Verbände vorgesehen (Z 20, s. oben); endlich soll auch der Zusammenschluß mit außer¬ sächsischen Gemeinden des Deutschen Reichs nicht schlechthin ausgeschlossen sein (ß 22, s. oben). Dagegen findet auf Verbände, die durch Reichsgesetz geordnet sind, das Gesetz keine Anwendung (§ 23). 7. Das Gesetz beabsichtigt nicht, alle Vereinbarungen zwischen Gemeinden in die Form der Verbandsbildung zu pressen. Nach wie vor soll es z. B. zulässig sein, daß eine Gemeinde ein Elektrizitätswerk errichtet und andere Gemeinden Stromlieferungsverträge mit dieser abschließen. Dieses sind die allgemeinen Gesichtspunkte, auf denen das klar und sachlich abgefaßte Gesetz vom 18. Juni 1910 beruht. Um die Bedeutung des Gesetzwerkes genügend zu erkennen, mag noch auf einige Punkte hingewiesen werden, welche bei den erwähnten Verhandlungen des Sächsischen Gemeindetages in Annaberg am 2./3. Juli 1909 zur Sprache gekommen sind. Es ist dort betont worden, daß in Sachsen folgende drei Gruppen von Vereinigungen bestehen: 1. Gesetzliche Zwangsverbände. Aufgaben, Art und Ausführung sind ihnen vorgeschrieben, so: im Zusammenschluß zu einem Jmpfbezirk nach dem Reichs¬ gesetze vom 8. April 1874, dann zu Standesamtsbezirken nach dem Reichsgesetze vom 6. Februar 1875, endlich zu den alten Dammkommunen nach dem Mandat vom 7. August 1819. 2. Gesetzliche Verbände, bei denen der Zweck des Verbandes zwingend vorgeschrieben, die Erfüllung des Zweckes aber den Gemeinden nachgelassen ist: nach der Gewerbeordnung vom 7. Februar 1719 und dem Mandat vom 14. Oktober 1774, Spritzenverbände betreffend, und nach der Dorffeuerlöschordnung von 1775. Hierher gehören die Verbände für die Leichenhallen und die Totenfrauen nach dem Gesetze von 1841, die zusammengesetzten Ortsarmenverbände nach dem Unter¬ stützungswohnsitzgesetze, die Trichinenschauverbände für die Anstellung gemeinsamer Trichinenschauer (Verordnung von 1888), die Hebammenverbände für Ruhestands- unterstützungen nach dem Gesetze vom 20. März 1894, die Fleischbeschaubezirke zur Anstellung von Fleischbeschauern, die Freibankbezirke zur Errichtung einer gemeinsamen Freidank und die Verbände zur Bildung von allgemeinen Orts- schützungsausschüssen, endlich die Desinfektionsverbände, ausgelöst durch Ver¬ ordnung vom 29. September 1900. Auch die Gemeindeverbände zur Erfüllung der Gemeindekrankenversicherungspflicht nach dem Reichsgesetze vom 15. Juni 1883 können vielleicht noch hierher gezählt werden. 3. Verbände, deren Aufgaben allgemein gegeben sind, als in dem Wirkungs¬ kreise der Gemeinden liegend, Zeit der Lösung der Aufgabe, Maß der auf¬ zuwendenden Kraft, Form der Lösung in: freien Ermessen der Gemeinden stehend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/172>, abgerufen am 29.12.2024.