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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Im Flecken

"Nu, dann ist es gut. Das Frühjahr ist bald da. Gebauer wird erst im
nächsten Winter. Darum wird weder Räbzow noch ein anderer sich beeilen, den
Kontrakt abzuschließen. Du aber nimmst gleich morgen Pferde und fährst zum
Grafen."

"Morgen kann ich nicht abkommen, Tit Grigorjewitsch. Gerade morgen
treffen die großen Transporte von den Gütern des Lava ein. Der Verwalter ist
selbst mit. Sie sind heute schon ganz in der Nähe. Ich muß auch die Abfuhr
des großen Stapels zum Bache morgen beginnen lassen. Die Fuhrleute sind
bestellt."

"Nun, dann übermorgen."

"Freitag, Tit Grigorjewitsch."

"Schön, wollen wir sagen Freitag. Du handelst mit dem Grafen. Verstehst
du? Zum Fenster will ich mein Geld nicht hinauswerfen. Hält er fest, so gibst
du ihm im Notfall die volle Summe. Auf jeden Fall aber schließt du mit ihm
ab. Der Teufel hole ihn! Ich werde nicht umkommen. Kannst auch, falls er eS
verlangt, einige Tausende anzahlen."

"Zu Befehl, Tit Grigorjewitsch. Da die Anzahlung solange vorher geschieht,
muß er darauf etwas ablassen."

"Nun, du wirst schon sehen, was nötig ist. Habe die Ohren überall. Erfahre,
wo noch jemand Wald aufbietet. Ich will mich entblößen bis auf die letzte
Kopeke, mich in Schulden stürzen, aber wo Kusma Karpowitsch aufragt, ob ver¬
kauft werde, soll er überall hören: Tut uns leid, Botscharow hat eben gekauft.
Der Hundesohn!"

"Ja, Gott hat uns da eine Prüfung geschickt."

"Der Teufel hat ihn hergebracht."

Am folgenden Morgen verließ der Gast früh das Haus, erschien flüchtig
zum Mittagessen und stellte sich dann erst am Abend ein. Gleich nach ihm kam
Glebow zum Rapport.

"Er hat sich den ganzen Tag in unseren Niederlagen herumgetrieben, hat
die Stapel besehen, hat mit den Sägern und Fuhrleuten gesprochen. An mich
hängte er sich eine Zeitlang und fragte mich nach unseren Geschäften und Kontrakten
aus. Auch den fremden Verwalter fing er ab und ging mit ihm spazieren. Solch
ein Satan von einem Menschen!"

"Nu, nu, was hast du ihm geantwortet?"

"Ich verhielt mich meist schweigend. Was sollte ich mit dem Schleicher viel
reden!"

"Du hättest ihm aber doch erklären sollen, daß wir für alle Geschäfte stark
genug sind."

"Nun, das versteht sich von selbst. Ich zuckte die Achseln und sagte nur:
,Tit Grigorjewitsch hat die Mittel, große Geschäfte zu machen. Tit Grigorjewitsch
nimmt auch die kleinen Geschäfte mit. Tit Grigorjewitsch hält nun einmal alle
Geschäfte im Kreise in seiner Hand.'"

"Das war gut. Das muß ich loben."

"Erbarmen Sie sich! Als ob wir nicht wüßten, wie man einer solchen Kanaille
das Maul stopfen muß!"


Grenzboten IV 1910 79
Im Flecken

„Nu, dann ist es gut. Das Frühjahr ist bald da. Gebauer wird erst im
nächsten Winter. Darum wird weder Räbzow noch ein anderer sich beeilen, den
Kontrakt abzuschließen. Du aber nimmst gleich morgen Pferde und fährst zum
Grafen."

„Morgen kann ich nicht abkommen, Tit Grigorjewitsch. Gerade morgen
treffen die großen Transporte von den Gütern des Lava ein. Der Verwalter ist
selbst mit. Sie sind heute schon ganz in der Nähe. Ich muß auch die Abfuhr
des großen Stapels zum Bache morgen beginnen lassen. Die Fuhrleute sind
bestellt."

„Nun, dann übermorgen."

„Freitag, Tit Grigorjewitsch."

„Schön, wollen wir sagen Freitag. Du handelst mit dem Grafen. Verstehst
du? Zum Fenster will ich mein Geld nicht hinauswerfen. Hält er fest, so gibst
du ihm im Notfall die volle Summe. Auf jeden Fall aber schließt du mit ihm
ab. Der Teufel hole ihn! Ich werde nicht umkommen. Kannst auch, falls er eS
verlangt, einige Tausende anzahlen."

„Zu Befehl, Tit Grigorjewitsch. Da die Anzahlung solange vorher geschieht,
muß er darauf etwas ablassen."

„Nun, du wirst schon sehen, was nötig ist. Habe die Ohren überall. Erfahre,
wo noch jemand Wald aufbietet. Ich will mich entblößen bis auf die letzte
Kopeke, mich in Schulden stürzen, aber wo Kusma Karpowitsch aufragt, ob ver¬
kauft werde, soll er überall hören: Tut uns leid, Botscharow hat eben gekauft.
Der Hundesohn!"

„Ja, Gott hat uns da eine Prüfung geschickt."

„Der Teufel hat ihn hergebracht."

Am folgenden Morgen verließ der Gast früh das Haus, erschien flüchtig
zum Mittagessen und stellte sich dann erst am Abend ein. Gleich nach ihm kam
Glebow zum Rapport.

„Er hat sich den ganzen Tag in unseren Niederlagen herumgetrieben, hat
die Stapel besehen, hat mit den Sägern und Fuhrleuten gesprochen. An mich
hängte er sich eine Zeitlang und fragte mich nach unseren Geschäften und Kontrakten
aus. Auch den fremden Verwalter fing er ab und ging mit ihm spazieren. Solch
ein Satan von einem Menschen!"

„Nu, nu, was hast du ihm geantwortet?"

„Ich verhielt mich meist schweigend. Was sollte ich mit dem Schleicher viel
reden!"

„Du hättest ihm aber doch erklären sollen, daß wir für alle Geschäfte stark
genug sind."

„Nun, das versteht sich von selbst. Ich zuckte die Achseln und sagte nur:
,Tit Grigorjewitsch hat die Mittel, große Geschäfte zu machen. Tit Grigorjewitsch
nimmt auch die kleinen Geschäfte mit. Tit Grigorjewitsch hält nun einmal alle
Geschäfte im Kreise in seiner Hand.'"

„Das war gut. Das muß ich loben."

„Erbarmen Sie sich! Als ob wir nicht wüßten, wie man einer solchen Kanaille
das Maul stopfen muß!"


Grenzboten IV 1910 79
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[0637] Im Flecken „Nu, dann ist es gut. Das Frühjahr ist bald da. Gebauer wird erst im nächsten Winter. Darum wird weder Räbzow noch ein anderer sich beeilen, den Kontrakt abzuschließen. Du aber nimmst gleich morgen Pferde und fährst zum Grafen." „Morgen kann ich nicht abkommen, Tit Grigorjewitsch. Gerade morgen treffen die großen Transporte von den Gütern des Lava ein. Der Verwalter ist selbst mit. Sie sind heute schon ganz in der Nähe. Ich muß auch die Abfuhr des großen Stapels zum Bache morgen beginnen lassen. Die Fuhrleute sind bestellt." „Nun, dann übermorgen." „Freitag, Tit Grigorjewitsch." „Schön, wollen wir sagen Freitag. Du handelst mit dem Grafen. Verstehst du? Zum Fenster will ich mein Geld nicht hinauswerfen. Hält er fest, so gibst du ihm im Notfall die volle Summe. Auf jeden Fall aber schließt du mit ihm ab. Der Teufel hole ihn! Ich werde nicht umkommen. Kannst auch, falls er eS verlangt, einige Tausende anzahlen." „Zu Befehl, Tit Grigorjewitsch. Da die Anzahlung solange vorher geschieht, muß er darauf etwas ablassen." „Nun, du wirst schon sehen, was nötig ist. Habe die Ohren überall. Erfahre, wo noch jemand Wald aufbietet. Ich will mich entblößen bis auf die letzte Kopeke, mich in Schulden stürzen, aber wo Kusma Karpowitsch aufragt, ob ver¬ kauft werde, soll er überall hören: Tut uns leid, Botscharow hat eben gekauft. Der Hundesohn!" „Ja, Gott hat uns da eine Prüfung geschickt." „Der Teufel hat ihn hergebracht." Am folgenden Morgen verließ der Gast früh das Haus, erschien flüchtig zum Mittagessen und stellte sich dann erst am Abend ein. Gleich nach ihm kam Glebow zum Rapport. „Er hat sich den ganzen Tag in unseren Niederlagen herumgetrieben, hat die Stapel besehen, hat mit den Sägern und Fuhrleuten gesprochen. An mich hängte er sich eine Zeitlang und fragte mich nach unseren Geschäften und Kontrakten aus. Auch den fremden Verwalter fing er ab und ging mit ihm spazieren. Solch ein Satan von einem Menschen!" „Nu, nu, was hast du ihm geantwortet?" „Ich verhielt mich meist schweigend. Was sollte ich mit dem Schleicher viel reden!" „Du hättest ihm aber doch erklären sollen, daß wir für alle Geschäfte stark genug sind." „Nun, das versteht sich von selbst. Ich zuckte die Achseln und sagte nur: ,Tit Grigorjewitsch hat die Mittel, große Geschäfte zu machen. Tit Grigorjewitsch nimmt auch die kleinen Geschäfte mit. Tit Grigorjewitsch hält nun einmal alle Geschäfte im Kreise in seiner Hand.'" „Das war gut. Das muß ich loben." „Erbarmen Sie sich! Als ob wir nicht wüßten, wie man einer solchen Kanaille das Maul stopfen muß!" Grenzboten IV 1910 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/637>, abgerufen am 22.07.2024.