Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Die deutsche Fernsprechgebührenordnung mäßigen Gebrauch machen und deshalb bei den Pauschalsätzen nicht ihre Rechnung Die gerechteste Gebührenordnung wäre gewesen, die nach dem Grundsatz Unter dem Doppeltarif von 1899 haben sich die Fernsprechstellen von Wenn wir heute wieder vor der Notwendigkeit einer Fernsprechgebühren¬ Es liegt in der Natur der Pauschalen, daß sie dem einen mehr, dem andern Die deutsche Fernsprechgebührenordnung mäßigen Gebrauch machen und deshalb bei den Pauschalsätzen nicht ihre Rechnung Die gerechteste Gebührenordnung wäre gewesen, die nach dem Grundsatz Unter dem Doppeltarif von 1899 haben sich die Fernsprechstellen von Wenn wir heute wieder vor der Notwendigkeit einer Fernsprechgebühren¬ Es liegt in der Natur der Pauschalen, daß sie dem einen mehr, dem andern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317530"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Fernsprechgebührenordnung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2772" prev="#ID_2771"> mäßigen Gebrauch machen und deshalb bei den Pauschalsätzen nicht ihre Rechnung<lb/> finden. Sie zahlen eine abgestufte Grundgebühr von 60, 75, 90 und 100 Mark<lb/> je nach Größe des Netzes, dazu 400 Pflichtgespräche mit 20 Mark, so daß anch<lb/> in den Städten schon für 80, 95, 110 und 120 Mark ein Anschluß zu haben<lb/> ist. Die Grundgebühren bilden die Kosten des Reichs für die Beschaffung und<lb/> Unterhaltung der technischen Einrichtungen und für die Sprechleitung. Sie<lb/> entstehen für jeden Anschluß und sind stets dieselben, ob viel oder wenig gesprochen<lb/> wird, steigen aber mit der Größe des Netzes. Die Gesprächsgebühren sind<lb/> dagegen die Vergütung für die Herstellung der Verbindungen und sollen im<lb/> allgemeinen die Personalkosten decken.</p><lb/> <p xml:id="ID_2773"> Die gerechteste Gebührenordnung wäre gewesen, die nach dem Grundsatz<lb/> von Leistung und Gegenleistung jeden Teilnehmer nach dem Maße des Gebrauchs,<lb/> den er vom Fernsprecher macht, zahlen läßt. Denn wie die Vergütungen für<lb/> Wasser, Gas, Elektrizität (Licht- und Kraftbetrieb) allgemein nach dem tatsäch¬<lb/> lichen Verbrauch bemessen werden, wie beim Brief-, Paket- und Frachtverkehr<lb/> die Gebühren stets nach Maßgabe der Benutzung der Verkehrseinrichtungen<lb/> erhoben werden, so ist auch beim Fernsprecher die Erhebung der Vergütung nach<lb/> dem Umfang seiner wirklichen Inanspruchnahme berechtigt. Allein die Durch¬<lb/> führung dieser Gebührenform ist nur mit Hilfe sicher wirkender automatischer<lb/> Zählapparate möglich, die es damals noch nicht gab, und Handnotierungen<lb/> wären zu zeitraubend gewesen. Auch wollte die Verwaltung die Gewohnheiten<lb/> des Publikums, das sich mit dem Abonnementssystem eingerichtet hatte, wohl<lb/> solange wie möglich schonen. Und so beschränkte sie sich darauf, die Vorzüge<lb/> des Pauschsystems und die der Einzelgebühren dem Publikum wahlweise zur<lb/> Verfügung zu stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2774"> Unter dem Doppeltarif von 1899 haben sich die Fernsprechstellen von<lb/> 247700 auf 941000 im Jahre 1910 vermehrt. Diese schnelle Steigerung ist<lb/> in der Hauptsache auf Rechnung des Einzelgebührensystems zu setzen, durch das<lb/> auch dem kleineren Verkehr in den Städten und auf dem platten Lande Bezirke<lb/> für den Fernsprecher gewonnen worden sind, in die er unter der Alleinherrschaft<lb/> des Pauschgebührensystems keine Ausbreitung hatte finden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2775"> Wenn wir heute wieder vor der Notwendigkeit einer Fernsprechgebühren¬<lb/> reform stehen, so haben dazu vor allem zwei Gründe mitgewirkt: die ungleich¬<lb/> mäßige Belastung der Teilnehmer und der unter dem Schutze des Pauschal¬<lb/> systems entstandene Mißbrauch in der Benutzung des Fernsprechers.</p><lb/> <p xml:id="ID_2776" next="#ID_2777"> Es liegt in der Natur der Pauschalen, daß sie dem einen mehr, dem andern<lb/> weniger Ausnutzungsmöglichkeiten bieten; das ist erträglich, solange sich die<lb/> Spannungen zwischen dem Mehr und Weniger in gewissen Grenzen halten.<lb/> Im deutschen Fernsprechwesen aber ist die Ungleichheit so groß, daß der eine<lb/> für 500 Gespräche ebensoviel bezahlen muß wie ein anderer, der 50000 Ge¬<lb/> spräche und mehr im Jahre sührt; den einen kostet ein Gespräch 5, 10 und<lb/> 20 Pf., den andern nur ^ oder gar nur ^/g Pf. Da jedes Gespräch der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Die deutsche Fernsprechgebührenordnung
mäßigen Gebrauch machen und deshalb bei den Pauschalsätzen nicht ihre Rechnung
finden. Sie zahlen eine abgestufte Grundgebühr von 60, 75, 90 und 100 Mark
je nach Größe des Netzes, dazu 400 Pflichtgespräche mit 20 Mark, so daß anch
in den Städten schon für 80, 95, 110 und 120 Mark ein Anschluß zu haben
ist. Die Grundgebühren bilden die Kosten des Reichs für die Beschaffung und
Unterhaltung der technischen Einrichtungen und für die Sprechleitung. Sie
entstehen für jeden Anschluß und sind stets dieselben, ob viel oder wenig gesprochen
wird, steigen aber mit der Größe des Netzes. Die Gesprächsgebühren sind
dagegen die Vergütung für die Herstellung der Verbindungen und sollen im
allgemeinen die Personalkosten decken.
Die gerechteste Gebührenordnung wäre gewesen, die nach dem Grundsatz
von Leistung und Gegenleistung jeden Teilnehmer nach dem Maße des Gebrauchs,
den er vom Fernsprecher macht, zahlen läßt. Denn wie die Vergütungen für
Wasser, Gas, Elektrizität (Licht- und Kraftbetrieb) allgemein nach dem tatsäch¬
lichen Verbrauch bemessen werden, wie beim Brief-, Paket- und Frachtverkehr
die Gebühren stets nach Maßgabe der Benutzung der Verkehrseinrichtungen
erhoben werden, so ist auch beim Fernsprecher die Erhebung der Vergütung nach
dem Umfang seiner wirklichen Inanspruchnahme berechtigt. Allein die Durch¬
führung dieser Gebührenform ist nur mit Hilfe sicher wirkender automatischer
Zählapparate möglich, die es damals noch nicht gab, und Handnotierungen
wären zu zeitraubend gewesen. Auch wollte die Verwaltung die Gewohnheiten
des Publikums, das sich mit dem Abonnementssystem eingerichtet hatte, wohl
solange wie möglich schonen. Und so beschränkte sie sich darauf, die Vorzüge
des Pauschsystems und die der Einzelgebühren dem Publikum wahlweise zur
Verfügung zu stellen.
Unter dem Doppeltarif von 1899 haben sich die Fernsprechstellen von
247700 auf 941000 im Jahre 1910 vermehrt. Diese schnelle Steigerung ist
in der Hauptsache auf Rechnung des Einzelgebührensystems zu setzen, durch das
auch dem kleineren Verkehr in den Städten und auf dem platten Lande Bezirke
für den Fernsprecher gewonnen worden sind, in die er unter der Alleinherrschaft
des Pauschgebührensystems keine Ausbreitung hatte finden können.
Wenn wir heute wieder vor der Notwendigkeit einer Fernsprechgebühren¬
reform stehen, so haben dazu vor allem zwei Gründe mitgewirkt: die ungleich¬
mäßige Belastung der Teilnehmer und der unter dem Schutze des Pauschal¬
systems entstandene Mißbrauch in der Benutzung des Fernsprechers.
Es liegt in der Natur der Pauschalen, daß sie dem einen mehr, dem andern
weniger Ausnutzungsmöglichkeiten bieten; das ist erträglich, solange sich die
Spannungen zwischen dem Mehr und Weniger in gewissen Grenzen halten.
Im deutschen Fernsprechwesen aber ist die Ungleichheit so groß, daß der eine
für 500 Gespräche ebensoviel bezahlen muß wie ein anderer, der 50000 Ge¬
spräche und mehr im Jahre sührt; den einen kostet ein Gespräch 5, 10 und
20 Pf., den andern nur ^ oder gar nur ^/g Pf. Da jedes Gespräch der
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