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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats

Stimmen melden sich schon, und zwar, wie wir sehen können, nicht von ver¬
dächtigen Modernisten, sondern von treuen, gehorsamen Priestern, denen es doch
zu viel wird. Der Aufsatz "Römisches, Allzurömisches" in Ur. 38 dieser Zeit¬
schrift zeigt uns das deutlich.

Die religiöse Seite der Krisis, die durch diese Überspannung der Forde¬
rungen des Vatikans hervorgerufen wird, soll hier nicht behandelt werden. Es
soll vielmehr die Aufgabe dieser Zeilen sein, auf die politische und staatsrecht¬
liche Seite dieser Vorgänge hinzuweisen. Durch das Vorgehen der Kurie werden
die Staaten, selbst die friedliebendsten und geduldigsten, zu der Frage getrieben:
"Dürfen wir uns das gefallen lassen?", und zu Maßregeln, welche die Trennung
von Staat und Kirche in die Wege leiten, förmlich gedrängt.

Der Staat, und wir nennen hier einmal zunächst den preußischen Staat
und das Deutsche Reich, wendet für die römische Kirche und ihre Kultus- und
Unterrichtszwecke jährlich ganz beträchtliche Summen auf. Wir erwähnen hier nur
die Zahlungen, welche der preußische Staat seit der Säkularisation der Klöster
und geistlichen Stiftungen im Jahre 1810 für die römische Kirche leistet und
die mit den Bedürfnissen wachsen: Preußen hat damals versprochen, daß es
für die Bedürfnisse der römischen Kirche in seinem Lande in angemessener Weise
Sorge tragen wolle. Daher müssen, was viele Preußen immer noch nicht wissen,
diese Beträge in den Staatshaushaltsplan eingesetzt und im Abgeordnetenhause
besprochen werden. Sodann gehören hierher die Ausgaben, welche das Patronat
über zahlreiche katholische Pfarreien der Staatskasse auferlegt. Ferner sind noch
die beträchtlichen Leistungen zu nennen, welche den: Staat durch die Erhaltung
der katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten und der Lyzeeu, so
des Lyzeum Hosianna in Braunsberg und sieben katholischer Lyzeen in Bayern,
obliegen. Und schließlich darf man auch die Ausgaben nicht vergessen, die die
Militärseelsorge in steigendem Maße fordert und die von dem Staate allein,
ohne jede Beihilfe der Kirche, zu leisten sind. Der Staat hat also eine große
Menge Pflichten der Kirche gegenüber. Und man darf darum billig fragen:
welche Rechte besitzt er demgegenüber, beziehungsweise wie wird er seine Rechte
gegenüber der neuen Strömung in der Kirchenpolitik der Kurie wahren?

Hier ist der Punkt, wo unseres Erachtens der Staat als solcher, als
politische Macht dem Treiben der Kurie nicht müßig zusehen darf, weil dadurch
sonst seine eigenen Interessen gefährdet werden.

Der Staat ist in neuester Zeit bereits vor den Ansprüchen der Kurie auf
diesem Gebiet zurückgewichen und hat drei Männer, die mit ihr in Konflikt
geraten waren, einfach fallen lassen beziehungsweise nicht genügend geschützt.
Der Professor der katholischen Dogmengeschichte an der Universität München
Joseph Schnitzer ist wegen seines Artikels: "Die IZnL^eliea pasceneli und die
katholische Theologie" in Ur. 5 Jahrg. 1908 der "Internationalen Wochen¬
schrift für Wissenschaft, Kunst und Technik" zunächst beurlaubt und dann in die
philosophische Fakultät hinübergedrängt worden. Der bayerische Lyzealprofefsor


Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats

Stimmen melden sich schon, und zwar, wie wir sehen können, nicht von ver¬
dächtigen Modernisten, sondern von treuen, gehorsamen Priestern, denen es doch
zu viel wird. Der Aufsatz „Römisches, Allzurömisches" in Ur. 38 dieser Zeit¬
schrift zeigt uns das deutlich.

Die religiöse Seite der Krisis, die durch diese Überspannung der Forde¬
rungen des Vatikans hervorgerufen wird, soll hier nicht behandelt werden. Es
soll vielmehr die Aufgabe dieser Zeilen sein, auf die politische und staatsrecht¬
liche Seite dieser Vorgänge hinzuweisen. Durch das Vorgehen der Kurie werden
die Staaten, selbst die friedliebendsten und geduldigsten, zu der Frage getrieben:
„Dürfen wir uns das gefallen lassen?", und zu Maßregeln, welche die Trennung
von Staat und Kirche in die Wege leiten, förmlich gedrängt.

Der Staat, und wir nennen hier einmal zunächst den preußischen Staat
und das Deutsche Reich, wendet für die römische Kirche und ihre Kultus- und
Unterrichtszwecke jährlich ganz beträchtliche Summen auf. Wir erwähnen hier nur
die Zahlungen, welche der preußische Staat seit der Säkularisation der Klöster
und geistlichen Stiftungen im Jahre 1810 für die römische Kirche leistet und
die mit den Bedürfnissen wachsen: Preußen hat damals versprochen, daß es
für die Bedürfnisse der römischen Kirche in seinem Lande in angemessener Weise
Sorge tragen wolle. Daher müssen, was viele Preußen immer noch nicht wissen,
diese Beträge in den Staatshaushaltsplan eingesetzt und im Abgeordnetenhause
besprochen werden. Sodann gehören hierher die Ausgaben, welche das Patronat
über zahlreiche katholische Pfarreien der Staatskasse auferlegt. Ferner sind noch
die beträchtlichen Leistungen zu nennen, welche den: Staat durch die Erhaltung
der katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten und der Lyzeeu, so
des Lyzeum Hosianna in Braunsberg und sieben katholischer Lyzeen in Bayern,
obliegen. Und schließlich darf man auch die Ausgaben nicht vergessen, die die
Militärseelsorge in steigendem Maße fordert und die von dem Staate allein,
ohne jede Beihilfe der Kirche, zu leisten sind. Der Staat hat also eine große
Menge Pflichten der Kirche gegenüber. Und man darf darum billig fragen:
welche Rechte besitzt er demgegenüber, beziehungsweise wie wird er seine Rechte
gegenüber der neuen Strömung in der Kirchenpolitik der Kurie wahren?

Hier ist der Punkt, wo unseres Erachtens der Staat als solcher, als
politische Macht dem Treiben der Kurie nicht müßig zusehen darf, weil dadurch
sonst seine eigenen Interessen gefährdet werden.

Der Staat ist in neuester Zeit bereits vor den Ansprüchen der Kurie auf
diesem Gebiet zurückgewichen und hat drei Männer, die mit ihr in Konflikt
geraten waren, einfach fallen lassen beziehungsweise nicht genügend geschützt.
Der Professor der katholischen Dogmengeschichte an der Universität München
Joseph Schnitzer ist wegen seines Artikels: „Die IZnL^eliea pasceneli und die
katholische Theologie" in Ur. 5 Jahrg. 1908 der „Internationalen Wochen¬
schrift für Wissenschaft, Kunst und Technik" zunächst beurlaubt und dann in die
philosophische Fakultät hinübergedrängt worden. Der bayerische Lyzealprofefsor


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[0476] Roms Machtansprüche und die Pflichten des Staats Stimmen melden sich schon, und zwar, wie wir sehen können, nicht von ver¬ dächtigen Modernisten, sondern von treuen, gehorsamen Priestern, denen es doch zu viel wird. Der Aufsatz „Römisches, Allzurömisches" in Ur. 38 dieser Zeit¬ schrift zeigt uns das deutlich. Die religiöse Seite der Krisis, die durch diese Überspannung der Forde¬ rungen des Vatikans hervorgerufen wird, soll hier nicht behandelt werden. Es soll vielmehr die Aufgabe dieser Zeilen sein, auf die politische und staatsrecht¬ liche Seite dieser Vorgänge hinzuweisen. Durch das Vorgehen der Kurie werden die Staaten, selbst die friedliebendsten und geduldigsten, zu der Frage getrieben: „Dürfen wir uns das gefallen lassen?", und zu Maßregeln, welche die Trennung von Staat und Kirche in die Wege leiten, förmlich gedrängt. Der Staat, und wir nennen hier einmal zunächst den preußischen Staat und das Deutsche Reich, wendet für die römische Kirche und ihre Kultus- und Unterrichtszwecke jährlich ganz beträchtliche Summen auf. Wir erwähnen hier nur die Zahlungen, welche der preußische Staat seit der Säkularisation der Klöster und geistlichen Stiftungen im Jahre 1810 für die römische Kirche leistet und die mit den Bedürfnissen wachsen: Preußen hat damals versprochen, daß es für die Bedürfnisse der römischen Kirche in seinem Lande in angemessener Weise Sorge tragen wolle. Daher müssen, was viele Preußen immer noch nicht wissen, diese Beträge in den Staatshaushaltsplan eingesetzt und im Abgeordnetenhause besprochen werden. Sodann gehören hierher die Ausgaben, welche das Patronat über zahlreiche katholische Pfarreien der Staatskasse auferlegt. Ferner sind noch die beträchtlichen Leistungen zu nennen, welche den: Staat durch die Erhaltung der katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten und der Lyzeeu, so des Lyzeum Hosianna in Braunsberg und sieben katholischer Lyzeen in Bayern, obliegen. Und schließlich darf man auch die Ausgaben nicht vergessen, die die Militärseelsorge in steigendem Maße fordert und die von dem Staate allein, ohne jede Beihilfe der Kirche, zu leisten sind. Der Staat hat also eine große Menge Pflichten der Kirche gegenüber. Und man darf darum billig fragen: welche Rechte besitzt er demgegenüber, beziehungsweise wie wird er seine Rechte gegenüber der neuen Strömung in der Kirchenpolitik der Kurie wahren? Hier ist der Punkt, wo unseres Erachtens der Staat als solcher, als politische Macht dem Treiben der Kurie nicht müßig zusehen darf, weil dadurch sonst seine eigenen Interessen gefährdet werden. Der Staat ist in neuester Zeit bereits vor den Ansprüchen der Kurie auf diesem Gebiet zurückgewichen und hat drei Männer, die mit ihr in Konflikt geraten waren, einfach fallen lassen beziehungsweise nicht genügend geschützt. Der Professor der katholischen Dogmengeschichte an der Universität München Joseph Schnitzer ist wegen seines Artikels: „Die IZnL^eliea pasceneli und die katholische Theologie" in Ur. 5 Jahrg. 1908 der „Internationalen Wochen¬ schrift für Wissenschaft, Kunst und Technik" zunächst beurlaubt und dann in die philosophische Fakultät hinübergedrängt worden. Der bayerische Lyzealprofefsor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/476>, abgerufen am 22.07.2024.