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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Mirkliche Schäden in der Preußischen Verwaltung

Meinung beitragen können. Ich meine die leidenschaftlichen, ja erbitterten
Anklagen gegen das angebliche Jnnkerregiment in unserm Staat und namentlich
in der Verwaltung, die von jeher in weiten Kreisen unsres Volks, von der
Sozialdemokratie bis in den rechten Flügel der Nationalliberalen hinein, immer
wieder erhoben werden und das meiste zur Verschärfung und Vertiefung der
Parteigegensätze bei uns beitragen. Neuerdings hat bekanntlich die preußische
Wahlreform vielen den nur zu sehr willkommenen Anlaß gegeben, wieder einmal
in die Welt hinaus zu rufen, daß es darauf ankomme, Preußen und Deutsch¬
land von der Herrschaft der ostelbischen Junker zu befreien. Zur Erhärtung
solcher Behauptungen pflegt man sich auf die Bevorzugung der Angehörigen des
ostelbischen konservativen Adels bei der Besetzung der Landratsämter und der
höhern leitenden Stellungen in der Verwaltung zu berufen. Früher sprach
Man in diesen: Zusammenhang geschmackvoll von "Puttkamerei", weil man den
verstorbenen Minister von Puttkcuner für diese Zustände hauptsächlich ver¬
antwortlich machte.

Die Königliche Staatsregierung hat sich bei jeder Gelegenheit mit Recht
auf das lebhafteste gegen den Vorwurf verwahrt, ein solches Junkerregiment
eingeführt oder auch nur gefördert zu haben. Ich wiederhole: mit Recht.
Es wird bei uns im Verwaltungsdienst in der Tat niemand besser behandelt,
weil er dem ostelbischen Adel oder der konservativen Partei angehört. Wir
haben in der Verwaltung kein von oben her durch entsprechende Zusammen¬
setzung der Beamtenschaft geschaffenes konservatives Parteiregiment. Aber
dennoch haben auch die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht recht. Es
besteht die behauptete Bevorzugung des ostelbischen Adels und ebenso ist es
richtig, daß dadurch der Verwaltung ein ganz bestimmtes parteipolitisches
Gepräge aufgedrückt wird. Dieser Wiederspruch löst sich ohne weiteres durch das,
was ich früher über die Macht der zufälligen Beziehungen bemerkt habe. Der
Adliche, namentlich der ostelbische, wird nicht leichter und häufiger in die
Verwaltung aufgenommen oder beim Aufsteigen darin bevorzugt, als der
Bürgerliche, weil er Mich ist oder Kreisen entstammt, die seit jeher die Träger
gewisser politischer Anschauungen waren, sondern weil er nützliche Beziehungen
hat. Und da der ostelbische Adel, wie sich die Verhältnisse bei uns nun einmal seit
Jahrhunderten entwickelt haben, viele und besonders wirksame Beziehungen solcher
Art erworben und mit der ihm eignen gesunden Selbstsucht weiter gepflegt hat, so
lst es nur natürlich, daß seine Angehörigen auch besonders zahlreich in den besten
und gesuchtesten Stellen der Verwaltung vertreten sind. Auch die Puttkamerei
war nichts andres.")

Mir die Richtigkeit meiner Behauptung zeugen die zahlreichen Fälle, wo
auch Angehörige ganz andrer Kreise, als des ostelbischen Junkertums,
^se sehr auffallend in der Verwaltung bevorzugt worden sind. Ich erinnere



") Aus derselben Grundlage ist auch die gnr nicht zu leugnende Bevorzugung des Adels
M der Armee entstanden.
Mirkliche Schäden in der Preußischen Verwaltung

Meinung beitragen können. Ich meine die leidenschaftlichen, ja erbitterten
Anklagen gegen das angebliche Jnnkerregiment in unserm Staat und namentlich
in der Verwaltung, die von jeher in weiten Kreisen unsres Volks, von der
Sozialdemokratie bis in den rechten Flügel der Nationalliberalen hinein, immer
wieder erhoben werden und das meiste zur Verschärfung und Vertiefung der
Parteigegensätze bei uns beitragen. Neuerdings hat bekanntlich die preußische
Wahlreform vielen den nur zu sehr willkommenen Anlaß gegeben, wieder einmal
in die Welt hinaus zu rufen, daß es darauf ankomme, Preußen und Deutsch¬
land von der Herrschaft der ostelbischen Junker zu befreien. Zur Erhärtung
solcher Behauptungen pflegt man sich auf die Bevorzugung der Angehörigen des
ostelbischen konservativen Adels bei der Besetzung der Landratsämter und der
höhern leitenden Stellungen in der Verwaltung zu berufen. Früher sprach
Man in diesen: Zusammenhang geschmackvoll von „Puttkamerei", weil man den
verstorbenen Minister von Puttkcuner für diese Zustände hauptsächlich ver¬
antwortlich machte.

Die Königliche Staatsregierung hat sich bei jeder Gelegenheit mit Recht
auf das lebhafteste gegen den Vorwurf verwahrt, ein solches Junkerregiment
eingeführt oder auch nur gefördert zu haben. Ich wiederhole: mit Recht.
Es wird bei uns im Verwaltungsdienst in der Tat niemand besser behandelt,
weil er dem ostelbischen Adel oder der konservativen Partei angehört. Wir
haben in der Verwaltung kein von oben her durch entsprechende Zusammen¬
setzung der Beamtenschaft geschaffenes konservatives Parteiregiment. Aber
dennoch haben auch die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht recht. Es
besteht die behauptete Bevorzugung des ostelbischen Adels und ebenso ist es
richtig, daß dadurch der Verwaltung ein ganz bestimmtes parteipolitisches
Gepräge aufgedrückt wird. Dieser Wiederspruch löst sich ohne weiteres durch das,
was ich früher über die Macht der zufälligen Beziehungen bemerkt habe. Der
Adliche, namentlich der ostelbische, wird nicht leichter und häufiger in die
Verwaltung aufgenommen oder beim Aufsteigen darin bevorzugt, als der
Bürgerliche, weil er Mich ist oder Kreisen entstammt, die seit jeher die Träger
gewisser politischer Anschauungen waren, sondern weil er nützliche Beziehungen
hat. Und da der ostelbische Adel, wie sich die Verhältnisse bei uns nun einmal seit
Jahrhunderten entwickelt haben, viele und besonders wirksame Beziehungen solcher
Art erworben und mit der ihm eignen gesunden Selbstsucht weiter gepflegt hat, so
lst es nur natürlich, daß seine Angehörigen auch besonders zahlreich in den besten
und gesuchtesten Stellen der Verwaltung vertreten sind. Auch die Puttkamerei
war nichts andres.")

Mir die Richtigkeit meiner Behauptung zeugen die zahlreichen Fälle, wo
auch Angehörige ganz andrer Kreise, als des ostelbischen Junkertums,
^se sehr auffallend in der Verwaltung bevorzugt worden sind. Ich erinnere



") Aus derselben Grundlage ist auch die gnr nicht zu leugnende Bevorzugung des Adels
M der Armee entstanden.
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[0323] Mirkliche Schäden in der Preußischen Verwaltung Meinung beitragen können. Ich meine die leidenschaftlichen, ja erbitterten Anklagen gegen das angebliche Jnnkerregiment in unserm Staat und namentlich in der Verwaltung, die von jeher in weiten Kreisen unsres Volks, von der Sozialdemokratie bis in den rechten Flügel der Nationalliberalen hinein, immer wieder erhoben werden und das meiste zur Verschärfung und Vertiefung der Parteigegensätze bei uns beitragen. Neuerdings hat bekanntlich die preußische Wahlreform vielen den nur zu sehr willkommenen Anlaß gegeben, wieder einmal in die Welt hinaus zu rufen, daß es darauf ankomme, Preußen und Deutsch¬ land von der Herrschaft der ostelbischen Junker zu befreien. Zur Erhärtung solcher Behauptungen pflegt man sich auf die Bevorzugung der Angehörigen des ostelbischen konservativen Adels bei der Besetzung der Landratsämter und der höhern leitenden Stellungen in der Verwaltung zu berufen. Früher sprach Man in diesen: Zusammenhang geschmackvoll von „Puttkamerei", weil man den verstorbenen Minister von Puttkcuner für diese Zustände hauptsächlich ver¬ antwortlich machte. Die Königliche Staatsregierung hat sich bei jeder Gelegenheit mit Recht auf das lebhafteste gegen den Vorwurf verwahrt, ein solches Junkerregiment eingeführt oder auch nur gefördert zu haben. Ich wiederhole: mit Recht. Es wird bei uns im Verwaltungsdienst in der Tat niemand besser behandelt, weil er dem ostelbischen Adel oder der konservativen Partei angehört. Wir haben in der Verwaltung kein von oben her durch entsprechende Zusammen¬ setzung der Beamtenschaft geschaffenes konservatives Parteiregiment. Aber dennoch haben auch die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht recht. Es besteht die behauptete Bevorzugung des ostelbischen Adels und ebenso ist es richtig, daß dadurch der Verwaltung ein ganz bestimmtes parteipolitisches Gepräge aufgedrückt wird. Dieser Wiederspruch löst sich ohne weiteres durch das, was ich früher über die Macht der zufälligen Beziehungen bemerkt habe. Der Adliche, namentlich der ostelbische, wird nicht leichter und häufiger in die Verwaltung aufgenommen oder beim Aufsteigen darin bevorzugt, als der Bürgerliche, weil er Mich ist oder Kreisen entstammt, die seit jeher die Träger gewisser politischer Anschauungen waren, sondern weil er nützliche Beziehungen hat. Und da der ostelbische Adel, wie sich die Verhältnisse bei uns nun einmal seit Jahrhunderten entwickelt haben, viele und besonders wirksame Beziehungen solcher Art erworben und mit der ihm eignen gesunden Selbstsucht weiter gepflegt hat, so lst es nur natürlich, daß seine Angehörigen auch besonders zahlreich in den besten und gesuchtesten Stellen der Verwaltung vertreten sind. Auch die Puttkamerei war nichts andres.") Mir die Richtigkeit meiner Behauptung zeugen die zahlreichen Fälle, wo auch Angehörige ganz andrer Kreise, als des ostelbischen Junkertums, ^se sehr auffallend in der Verwaltung bevorzugt worden sind. Ich erinnere ") Aus derselben Grundlage ist auch die gnr nicht zu leugnende Bevorzugung des Adels M der Armee entstanden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/323>, abgerufen am 23.07.2024.