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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Jndustriepolitik

Versuche unter den Handwerkern erfolglos geblieben sind, nicht ganz ungeschickt mit
gewissen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Großindustrie über die Aus¬
dehnung der Sozialpolitik, über das Koalitionsrecht und nicht zuletzt über Fragen
der Zollpolitik. Unter diesen Vorbedingungen kommt den Gegnern des Hansa¬
bundes eine Broschüre recht gelegen, die, aus der Feder des Redakteurs der
Industrie-Zeitung, HerrnArnoldSteinmann-Bucher stammend, sich "Offenherzige
Betrachtungen über Jndustriepolitik" nennt (Berlin 1910 bei Otto Elsner).
Der Verfasser geht in seinen Betrachtungen von dem Industrie- und Wirtschafts¬
gebiet Groß-Berlin aus. Er bezeichnet das Ältestenkollegium, die Börse und
Berliner Handelskammer, den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller, die
Berliner Stadtverwaltung, den Berliner Verkehr und die Elektrizität als einen
Rattenkönig von Liberalismus und Demokratie mit einem Einschlag von Berlin XV.
Die Interessenkreise der Großbanken hängen seiner Meinung nach mit dem vor¬
industriellen liberalen Berlinertum zusammen. Der Handelsvertragsverein hat
seiner Ansicht nach zur Verwirrung der wirtschaftspolitischen Anschauungen zeit¬
weise nicht wenig beigetragen. Herr Steinmann-Bucher beschäftigt sich ferner
mit dem Deutschen Handelstage, von dem er behauptet, auch in Zukunft könne
er weder industriepolitisch orientieren, noch weniger aber führen. Er kommt
ferner auf die Organisation des Zentralverbandes Deutscher Industrieller und des
Bundes der Industriellen zu sprechen. Die Beziehungen dieser beiden Verbände zu
einander scheinen nach Steinmann-Bucher im Augenblick nicht ganz klar, zum
mindesten aber nicht freundlich. Der Verfasser spricht von Sagenbildungen in den
Behauptungen des Bundes der Industriellen gegenüber der bisherigen Tätigkeit
des Zentralverbandes; wenn diese Kreise den Zentralverband weiter verun¬
glimpften, so täten sie dies wider besseres Wissen. Hier scheinen also Beziehungen
vorzuliegen, in denen zurzeit eine objektive Beurteilung schwer möglich ist. Die
Stellung des Zentralverbandcs scheint aber auch gegenüber dem Hansabunde
nicht geklärt. Wenigstens läßt sich dies aus den Ausführungen des geschäfts¬
führenden Mitgliedes im Direktorium des Zentralverbandes, Herrn Bueck, in
der "Post" entnehmen. Herr Bueck stützt sich auf dieselben Argumente, mit denen
er vor Jahren den Handelstag angriff, mit denen er den Handelsvertragsverein
als ein verwirrendes Moment bezeichnet hat, mit denen er auch den Bund der
Industriellen verfolgt.

Die HauptangriffeBuecks gegen den Hansabund richten sich auf dessen Stellung
Zur Zoll- und Sozialpolitik. Bueck selbstsprichtvon einer "maßvollen" Schutzzollpolitik
und von einer "maßvollen" Sozialpolitik, sagt aber nicht, was er darunter besonders
versteht, woraus dann der Gegensatz zu den Ausführungen des Hansabundes hervor¬
gehen könnte. Denn auch der Hansabund spricht in seinen Richtlinien nur in
derselben Weise von Sozial- und Schutzzollpolitik, und die Fassung des betreffenden
Abschnitts ist seinerzeit zusammen mit den Führern des Zentralverbandes
Deutscher Industrieller festgestellt worden. Auch die offiziellen Äußerungen des
Hansabundes bewegen sich nur auf der gemeinsam festgelegten Grundlage. Aus


Jndustriepolitik

Versuche unter den Handwerkern erfolglos geblieben sind, nicht ganz ungeschickt mit
gewissen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Großindustrie über die Aus¬
dehnung der Sozialpolitik, über das Koalitionsrecht und nicht zuletzt über Fragen
der Zollpolitik. Unter diesen Vorbedingungen kommt den Gegnern des Hansa¬
bundes eine Broschüre recht gelegen, die, aus der Feder des Redakteurs der
Industrie-Zeitung, HerrnArnoldSteinmann-Bucher stammend, sich „Offenherzige
Betrachtungen über Jndustriepolitik" nennt (Berlin 1910 bei Otto Elsner).
Der Verfasser geht in seinen Betrachtungen von dem Industrie- und Wirtschafts¬
gebiet Groß-Berlin aus. Er bezeichnet das Ältestenkollegium, die Börse und
Berliner Handelskammer, den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller, die
Berliner Stadtverwaltung, den Berliner Verkehr und die Elektrizität als einen
Rattenkönig von Liberalismus und Demokratie mit einem Einschlag von Berlin XV.
Die Interessenkreise der Großbanken hängen seiner Meinung nach mit dem vor¬
industriellen liberalen Berlinertum zusammen. Der Handelsvertragsverein hat
seiner Ansicht nach zur Verwirrung der wirtschaftspolitischen Anschauungen zeit¬
weise nicht wenig beigetragen. Herr Steinmann-Bucher beschäftigt sich ferner
mit dem Deutschen Handelstage, von dem er behauptet, auch in Zukunft könne
er weder industriepolitisch orientieren, noch weniger aber führen. Er kommt
ferner auf die Organisation des Zentralverbandes Deutscher Industrieller und des
Bundes der Industriellen zu sprechen. Die Beziehungen dieser beiden Verbände zu
einander scheinen nach Steinmann-Bucher im Augenblick nicht ganz klar, zum
mindesten aber nicht freundlich. Der Verfasser spricht von Sagenbildungen in den
Behauptungen des Bundes der Industriellen gegenüber der bisherigen Tätigkeit
des Zentralverbandes; wenn diese Kreise den Zentralverband weiter verun¬
glimpften, so täten sie dies wider besseres Wissen. Hier scheinen also Beziehungen
vorzuliegen, in denen zurzeit eine objektive Beurteilung schwer möglich ist. Die
Stellung des Zentralverbandcs scheint aber auch gegenüber dem Hansabunde
nicht geklärt. Wenigstens läßt sich dies aus den Ausführungen des geschäfts¬
führenden Mitgliedes im Direktorium des Zentralverbandes, Herrn Bueck, in
der „Post" entnehmen. Herr Bueck stützt sich auf dieselben Argumente, mit denen
er vor Jahren den Handelstag angriff, mit denen er den Handelsvertragsverein
als ein verwirrendes Moment bezeichnet hat, mit denen er auch den Bund der
Industriellen verfolgt.

Die HauptangriffeBuecks gegen den Hansabund richten sich auf dessen Stellung
Zur Zoll- und Sozialpolitik. Bueck selbstsprichtvon einer „maßvollen" Schutzzollpolitik
und von einer „maßvollen" Sozialpolitik, sagt aber nicht, was er darunter besonders
versteht, woraus dann der Gegensatz zu den Ausführungen des Hansabundes hervor¬
gehen könnte. Denn auch der Hansabund spricht in seinen Richtlinien nur in
derselben Weise von Sozial- und Schutzzollpolitik, und die Fassung des betreffenden
Abschnitts ist seinerzeit zusammen mit den Führern des Zentralverbandes
Deutscher Industrieller festgestellt worden. Auch die offiziellen Äußerungen des
Hansabundes bewegen sich nur auf der gemeinsam festgelegten Grundlage. Aus


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[0305] Jndustriepolitik Versuche unter den Handwerkern erfolglos geblieben sind, nicht ganz ungeschickt mit gewissen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Großindustrie über die Aus¬ dehnung der Sozialpolitik, über das Koalitionsrecht und nicht zuletzt über Fragen der Zollpolitik. Unter diesen Vorbedingungen kommt den Gegnern des Hansa¬ bundes eine Broschüre recht gelegen, die, aus der Feder des Redakteurs der Industrie-Zeitung, HerrnArnoldSteinmann-Bucher stammend, sich „Offenherzige Betrachtungen über Jndustriepolitik" nennt (Berlin 1910 bei Otto Elsner). Der Verfasser geht in seinen Betrachtungen von dem Industrie- und Wirtschafts¬ gebiet Groß-Berlin aus. Er bezeichnet das Ältestenkollegium, die Börse und Berliner Handelskammer, den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller, die Berliner Stadtverwaltung, den Berliner Verkehr und die Elektrizität als einen Rattenkönig von Liberalismus und Demokratie mit einem Einschlag von Berlin XV. Die Interessenkreise der Großbanken hängen seiner Meinung nach mit dem vor¬ industriellen liberalen Berlinertum zusammen. Der Handelsvertragsverein hat seiner Ansicht nach zur Verwirrung der wirtschaftspolitischen Anschauungen zeit¬ weise nicht wenig beigetragen. Herr Steinmann-Bucher beschäftigt sich ferner mit dem Deutschen Handelstage, von dem er behauptet, auch in Zukunft könne er weder industriepolitisch orientieren, noch weniger aber führen. Er kommt ferner auf die Organisation des Zentralverbandes Deutscher Industrieller und des Bundes der Industriellen zu sprechen. Die Beziehungen dieser beiden Verbände zu einander scheinen nach Steinmann-Bucher im Augenblick nicht ganz klar, zum mindesten aber nicht freundlich. Der Verfasser spricht von Sagenbildungen in den Behauptungen des Bundes der Industriellen gegenüber der bisherigen Tätigkeit des Zentralverbandes; wenn diese Kreise den Zentralverband weiter verun¬ glimpften, so täten sie dies wider besseres Wissen. Hier scheinen also Beziehungen vorzuliegen, in denen zurzeit eine objektive Beurteilung schwer möglich ist. Die Stellung des Zentralverbandcs scheint aber auch gegenüber dem Hansabunde nicht geklärt. Wenigstens läßt sich dies aus den Ausführungen des geschäfts¬ führenden Mitgliedes im Direktorium des Zentralverbandes, Herrn Bueck, in der „Post" entnehmen. Herr Bueck stützt sich auf dieselben Argumente, mit denen er vor Jahren den Handelstag angriff, mit denen er den Handelsvertragsverein als ein verwirrendes Moment bezeichnet hat, mit denen er auch den Bund der Industriellen verfolgt. Die HauptangriffeBuecks gegen den Hansabund richten sich auf dessen Stellung Zur Zoll- und Sozialpolitik. Bueck selbstsprichtvon einer „maßvollen" Schutzzollpolitik und von einer „maßvollen" Sozialpolitik, sagt aber nicht, was er darunter besonders versteht, woraus dann der Gegensatz zu den Ausführungen des Hansabundes hervor¬ gehen könnte. Denn auch der Hansabund spricht in seinen Richtlinien nur in derselben Weise von Sozial- und Schutzzollpolitik, und die Fassung des betreffenden Abschnitts ist seinerzeit zusammen mit den Führern des Zentralverbandes Deutscher Industrieller festgestellt worden. Auch die offiziellen Äußerungen des Hansabundes bewegen sich nur auf der gemeinsam festgelegten Grundlage. Aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/305>, abgerufen am 23.07.2024.