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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

haben, tief durchdrungen von der Überzeugung, daß sie ihre weit ausschauenden
Pläne nur mit der Hilfe hervorragend tüchtiger Beamten durchführen könnten.
Solche galt es also zu schaffen und diese Aufgabe wurde glänzend gelöst.

Dazu trug vor allem der Umstand bei, daß sich die Könige die Ent¬
scheidung in allen Personalsachen ohne Ausnahme selbst vorbehalten hatten.
Die Annahme und die Ausbildung der Anwärter, die Verteilung der Beamten
auf die einzelnen Behörden, also auch die Versetzungen, die Abgrenzung der
Dezernate, die Beförderungen, Lob und Tadel, alles ging von der höchsten
Stelle selbst aus. Die Behörden hatten nur Vorschläge zu machen, und zwar
mußte bezeichnenderweise bei Kollegialbehörden das ganze Kollegium mit¬
wirken. Der Leitstern bei allen Entscheidungen in Personalfragen war einzig
und allein das Staatswohl. Mit der äußersten Strenge hielten die Könige
immer darauf, daß dem Staatswohl jede persönliche Rücksicht, auch wenn sie
menschlich noch so nahe liegen mochte, untergeordnet wurde. Nach Pflicht und
Gewissen, ohne alle Nebenabsichten, mußten die Behörden ihre Vorschläge
machen. Keine Empfehlung, keine Beziehung irgendeiner Art sollte einem
Bewerber helfen, wenn er ungeeignet war. Aber auch sich selbst legten die
Könige diese Beschränkung auf. Ein leuchtendes Beispiel ist der Bescheid
Friedrichs des Großen an seinen Minister von Boden, den ich früher mitgeteilt
habe (Grenzboten 1906 Heft 31 S. 235 Anm.). Und so sehr derselbe
König auch in der Verwaltung den Adlichen vor dem Bürgerlichen bevorzugte,
so weit ging er darin doch niemals, daß er an die Tüchtigkeit des adlichen
Mitbewerbers geringere Anforderungen gestellt hätte. So war dafür gesorgt,
daß in Personalangelegenheiten überall nur sachliche Erwägungen galten und
alle Einflüsse ferngehalten wurden, die den dabei verfolgten Zweck gefährden
konnten. Erfreuliche Nebenwirkungen waren, daß der Träger der Krone aus¬
gedehnte Personalkenntnisse erwarb, und daß sich ein nahes persönliches Ver¬
hältnis zwischen ihn: und seinen einzelnen Beamten bildete, das sich z. B.
darin ausdrückte, daß jeder Beamte Anliegen, auch solche dienstlicher Art,
unmittelbar dem König selbst vortragen durfte. Wichtig war ferner, daß man
die Ergänzung der Beamtenschaft nicht dem Zufall überließ, sondern plan¬
mäßig nach geeigneten Anwärtern suchte; die Behörden waren verpflichtet, fort¬
gesetzt auf brauchbare Leute "Reflexion zu machen".

Die Anforderungen, die man an die Persönlichkeiten der Beamten stellte,
gingen sehr weit. Eine unerläßliche Voraussetzung für die Aufnahme in die
Verwaltung oder die Beförderung in eine höhere Stelle war eine große persön¬
liche Begabung. Immer wieder wurden die Behörden darauf hingewiesen, daß
die Anwärter für die Verwaltung "hurtige, aufgeweckte Köpfe, gesunden natür¬
lichen Verstand, guten Begriff, muntres Genie" haben müßten und daß für
die leitenden Stellen der Provinzialbehörden und das Generaldirektorium nur
"die geschicktesten Leute, die weit und breit zu finden" seien, in Frage kommen
dürften.


wirkliche Schäden in der preußischen Verwaltung

haben, tief durchdrungen von der Überzeugung, daß sie ihre weit ausschauenden
Pläne nur mit der Hilfe hervorragend tüchtiger Beamten durchführen könnten.
Solche galt es also zu schaffen und diese Aufgabe wurde glänzend gelöst.

Dazu trug vor allem der Umstand bei, daß sich die Könige die Ent¬
scheidung in allen Personalsachen ohne Ausnahme selbst vorbehalten hatten.
Die Annahme und die Ausbildung der Anwärter, die Verteilung der Beamten
auf die einzelnen Behörden, also auch die Versetzungen, die Abgrenzung der
Dezernate, die Beförderungen, Lob und Tadel, alles ging von der höchsten
Stelle selbst aus. Die Behörden hatten nur Vorschläge zu machen, und zwar
mußte bezeichnenderweise bei Kollegialbehörden das ganze Kollegium mit¬
wirken. Der Leitstern bei allen Entscheidungen in Personalfragen war einzig
und allein das Staatswohl. Mit der äußersten Strenge hielten die Könige
immer darauf, daß dem Staatswohl jede persönliche Rücksicht, auch wenn sie
menschlich noch so nahe liegen mochte, untergeordnet wurde. Nach Pflicht und
Gewissen, ohne alle Nebenabsichten, mußten die Behörden ihre Vorschläge
machen. Keine Empfehlung, keine Beziehung irgendeiner Art sollte einem
Bewerber helfen, wenn er ungeeignet war. Aber auch sich selbst legten die
Könige diese Beschränkung auf. Ein leuchtendes Beispiel ist der Bescheid
Friedrichs des Großen an seinen Minister von Boden, den ich früher mitgeteilt
habe (Grenzboten 1906 Heft 31 S. 235 Anm.). Und so sehr derselbe
König auch in der Verwaltung den Adlichen vor dem Bürgerlichen bevorzugte,
so weit ging er darin doch niemals, daß er an die Tüchtigkeit des adlichen
Mitbewerbers geringere Anforderungen gestellt hätte. So war dafür gesorgt,
daß in Personalangelegenheiten überall nur sachliche Erwägungen galten und
alle Einflüsse ferngehalten wurden, die den dabei verfolgten Zweck gefährden
konnten. Erfreuliche Nebenwirkungen waren, daß der Träger der Krone aus¬
gedehnte Personalkenntnisse erwarb, und daß sich ein nahes persönliches Ver¬
hältnis zwischen ihn: und seinen einzelnen Beamten bildete, das sich z. B.
darin ausdrückte, daß jeder Beamte Anliegen, auch solche dienstlicher Art,
unmittelbar dem König selbst vortragen durfte. Wichtig war ferner, daß man
die Ergänzung der Beamtenschaft nicht dem Zufall überließ, sondern plan¬
mäßig nach geeigneten Anwärtern suchte; die Behörden waren verpflichtet, fort¬
gesetzt auf brauchbare Leute „Reflexion zu machen".

Die Anforderungen, die man an die Persönlichkeiten der Beamten stellte,
gingen sehr weit. Eine unerläßliche Voraussetzung für die Aufnahme in die
Verwaltung oder die Beförderung in eine höhere Stelle war eine große persön¬
liche Begabung. Immer wieder wurden die Behörden darauf hingewiesen, daß
die Anwärter für die Verwaltung „hurtige, aufgeweckte Köpfe, gesunden natür¬
lichen Verstand, guten Begriff, muntres Genie" haben müßten und daß für
die leitenden Stellen der Provinzialbehörden und das Generaldirektorium nur
„die geschicktesten Leute, die weit und breit zu finden" seien, in Frage kommen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/263>, abgerufen am 25.08.2024.