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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Der Aaufmcmnsstand in der deutschen Literatur

in 8upplömentum illorum, qui a LatKone erant c>lrii8si" (1496) ausstreut.
Wer das Handelsgewerbe treiben will, soll sich auf die Richtigkeit der Münzen
verstehen, er soll sich vor Betrug verwahren:

Auch Thomas Murner hat sich mit der Kaufmannsfrage beschäftigt. Ich
denke an Kapitel XXV seiner "Schelmenzunft". Denjenigen, denen die Kunst
des Betrügers noch nicht geläufig sein sollte, gibt er den wohlgemeinten Rat,
sich nach Frankfurt zur Messe zu begeben. Dort lernt man des "kouffmans
darbt", wie es in allen Ländern getrieben wird. Der Käufer hat sich gut vor¬
zusehen, denn oben ist alle Ware schön zugerüstet, darunter aber liegt das
Schlechte. Des Kaufmanns Warenstand vergleicht er mit einer Mausefalle, das
"Speckin" soll den Narren fangen. Ihm, dem Dichter, wäre es schon lieber,
sein Geld von Dieben gestohlen zu wissen, als auf diese Weise öffentlich betrogen
zu werden.

Von der Kanzel des Straßburger Münsters predigt Gener von Kaisersberg
über "die natern von kauflüten, genampt wannenkremer". Seine Worte, die
Pater Johannes Pauli als Brosamlein aufgelesen und gesammelt hat, sind
treffend, sie zeugen von einer bis ins Einzelne gehenden Kenntnis der
Gebräuche und Mißbräuche im Handel und Verkehr seiner Zeit. Aber, meint
Gener, ein Kaufmann kann doch auch fronnn sein. Und das ist er, wenn er
eine rechte Meinung hat von Kaufen' und Verkaufen. "Er soll haben gut vnd
recht gesind mit was hilff er sein gewerb treibt, Gut gefert, Gut gebert, Gut
gesprech, drey G. Er soll feil haben gute kauffmannschetz, nit verlegen ding,
erbere ding, die nit verbotten sein." Der Kaufmann soll aber auch schauen, wein
er seine Waren verkauft. Verbannte, etliche Juden, Sarazenen, Türken u. a. in.
sind nicht taufberechtigt. Monopole, die Gener "Stupferei" nennt, sind verpönt.
Dem frommen Kaufmann aber, der auf sein Buch schwört, soll man glauben.
Der Großkaufmann allein ist existenzberechtigt, der Wannenkrämer aber, das ist
der Teufel, er hat Narrenwerk feil.

Im Jahre 1520 wirft Martin Luther sein "Sendschreiben an den christlichen
Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" in die Welt.

"Zum ersten wäre hoch not ein gemein Gebot und Bewilligung deutscher
Nation wider den überschwenglichen Überfluß von Kosten der Kleidung, dadurch
so viel Adel und reiches Volk verarmt. Hat doch Gott uns, wie andern
Landen, genug gegeben, Wolle, Haar, Flachs und alles, was zur ziemlichen,
ehrlichen Kleidung einem jeglichen Stande redlich dienet, das wir nicht bedürfen,
so greulichen großen Schatz für Seide, Sammet, Guldenstück und was der
ausländischen Ware ist, so geudisch verschütten.... Sollte es noch hundert
Jahre stehen, so wäre es nicht möglich, daß Deutschland einen Pfennig behielte,
wir müßten uns gewißlich unter einander fressen . . . Darum bitte ich und rufe


Der Aaufmcmnsstand in der deutschen Literatur

in 8upplömentum illorum, qui a LatKone erant c>lrii8si" (1496) ausstreut.
Wer das Handelsgewerbe treiben will, soll sich auf die Richtigkeit der Münzen
verstehen, er soll sich vor Betrug verwahren:

Auch Thomas Murner hat sich mit der Kaufmannsfrage beschäftigt. Ich
denke an Kapitel XXV seiner „Schelmenzunft". Denjenigen, denen die Kunst
des Betrügers noch nicht geläufig sein sollte, gibt er den wohlgemeinten Rat,
sich nach Frankfurt zur Messe zu begeben. Dort lernt man des „kouffmans
darbt", wie es in allen Ländern getrieben wird. Der Käufer hat sich gut vor¬
zusehen, denn oben ist alle Ware schön zugerüstet, darunter aber liegt das
Schlechte. Des Kaufmanns Warenstand vergleicht er mit einer Mausefalle, das
„Speckin" soll den Narren fangen. Ihm, dem Dichter, wäre es schon lieber,
sein Geld von Dieben gestohlen zu wissen, als auf diese Weise öffentlich betrogen
zu werden.

Von der Kanzel des Straßburger Münsters predigt Gener von Kaisersberg
über „die natern von kauflüten, genampt wannenkremer". Seine Worte, die
Pater Johannes Pauli als Brosamlein aufgelesen und gesammelt hat, sind
treffend, sie zeugen von einer bis ins Einzelne gehenden Kenntnis der
Gebräuche und Mißbräuche im Handel und Verkehr seiner Zeit. Aber, meint
Gener, ein Kaufmann kann doch auch fronnn sein. Und das ist er, wenn er
eine rechte Meinung hat von Kaufen' und Verkaufen. „Er soll haben gut vnd
recht gesind mit was hilff er sein gewerb treibt, Gut gefert, Gut gebert, Gut
gesprech, drey G. Er soll feil haben gute kauffmannschetz, nit verlegen ding,
erbere ding, die nit verbotten sein." Der Kaufmann soll aber auch schauen, wein
er seine Waren verkauft. Verbannte, etliche Juden, Sarazenen, Türken u. a. in.
sind nicht taufberechtigt. Monopole, die Gener „Stupferei" nennt, sind verpönt.
Dem frommen Kaufmann aber, der auf sein Buch schwört, soll man glauben.
Der Großkaufmann allein ist existenzberechtigt, der Wannenkrämer aber, das ist
der Teufel, er hat Narrenwerk feil.

Im Jahre 1520 wirft Martin Luther sein „Sendschreiben an den christlichen
Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" in die Welt.

„Zum ersten wäre hoch not ein gemein Gebot und Bewilligung deutscher
Nation wider den überschwenglichen Überfluß von Kosten der Kleidung, dadurch
so viel Adel und reiches Volk verarmt. Hat doch Gott uns, wie andern
Landen, genug gegeben, Wolle, Haar, Flachs und alles, was zur ziemlichen,
ehrlichen Kleidung einem jeglichen Stande redlich dienet, das wir nicht bedürfen,
so greulichen großen Schatz für Seide, Sammet, Guldenstück und was der
ausländischen Ware ist, so geudisch verschütten.... Sollte es noch hundert
Jahre stehen, so wäre es nicht möglich, daß Deutschland einen Pfennig behielte,
wir müßten uns gewißlich unter einander fressen . . . Darum bitte ich und rufe


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[0127] Der Aaufmcmnsstand in der deutschen Literatur in 8upplömentum illorum, qui a LatKone erant c>lrii8si" (1496) ausstreut. Wer das Handelsgewerbe treiben will, soll sich auf die Richtigkeit der Münzen verstehen, er soll sich vor Betrug verwahren: Auch Thomas Murner hat sich mit der Kaufmannsfrage beschäftigt. Ich denke an Kapitel XXV seiner „Schelmenzunft". Denjenigen, denen die Kunst des Betrügers noch nicht geläufig sein sollte, gibt er den wohlgemeinten Rat, sich nach Frankfurt zur Messe zu begeben. Dort lernt man des „kouffmans darbt", wie es in allen Ländern getrieben wird. Der Käufer hat sich gut vor¬ zusehen, denn oben ist alle Ware schön zugerüstet, darunter aber liegt das Schlechte. Des Kaufmanns Warenstand vergleicht er mit einer Mausefalle, das „Speckin" soll den Narren fangen. Ihm, dem Dichter, wäre es schon lieber, sein Geld von Dieben gestohlen zu wissen, als auf diese Weise öffentlich betrogen zu werden. Von der Kanzel des Straßburger Münsters predigt Gener von Kaisersberg über „die natern von kauflüten, genampt wannenkremer". Seine Worte, die Pater Johannes Pauli als Brosamlein aufgelesen und gesammelt hat, sind treffend, sie zeugen von einer bis ins Einzelne gehenden Kenntnis der Gebräuche und Mißbräuche im Handel und Verkehr seiner Zeit. Aber, meint Gener, ein Kaufmann kann doch auch fronnn sein. Und das ist er, wenn er eine rechte Meinung hat von Kaufen' und Verkaufen. „Er soll haben gut vnd recht gesind mit was hilff er sein gewerb treibt, Gut gefert, Gut gebert, Gut gesprech, drey G. Er soll feil haben gute kauffmannschetz, nit verlegen ding, erbere ding, die nit verbotten sein." Der Kaufmann soll aber auch schauen, wein er seine Waren verkauft. Verbannte, etliche Juden, Sarazenen, Türken u. a. in. sind nicht taufberechtigt. Monopole, die Gener „Stupferei" nennt, sind verpönt. Dem frommen Kaufmann aber, der auf sein Buch schwört, soll man glauben. Der Großkaufmann allein ist existenzberechtigt, der Wannenkrämer aber, das ist der Teufel, er hat Narrenwerk feil. Im Jahre 1520 wirft Martin Luther sein „Sendschreiben an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" in die Welt. „Zum ersten wäre hoch not ein gemein Gebot und Bewilligung deutscher Nation wider den überschwenglichen Überfluß von Kosten der Kleidung, dadurch so viel Adel und reiches Volk verarmt. Hat doch Gott uns, wie andern Landen, genug gegeben, Wolle, Haar, Flachs und alles, was zur ziemlichen, ehrlichen Kleidung einem jeglichen Stande redlich dienet, das wir nicht bedürfen, so greulichen großen Schatz für Seide, Sammet, Guldenstück und was der ausländischen Ware ist, so geudisch verschütten.... Sollte es noch hundert Jahre stehen, so wäre es nicht möglich, daß Deutschland einen Pfennig behielte, wir müßten uns gewißlich unter einander fressen . . . Darum bitte ich und rufe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/127>, abgerufen am 22.07.2024.