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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

geschehen, wenn man nicht selbst von den Geschossen des Gegners erreicht
werden soll. Der seitliche Abtrieb der Wurfgeschosse durch Wind und Eigen -
beweguug des Luftschiffes machen aber das Treffen so unsicher, daß bei dem
geringen Munitionsvorrat eines Luftschiffes eine nennenswerte Wirkung nicht
möglich ist. Wie schwer das Treffen auch aus geringerer Höhe sich gestaltet,
haben erst vor kurzem in Nordamerika mit Aeroplanen ausgeführte Wurf¬
versuche dargetan. Aus der geringen Höhe von nur 70 bis 80 in gelang es
nicht, feldmäßige Ziele zu treffen. Die Flugmaschine selbst geriet aber dabei
in die bedenklichsten Schwankungen. Nicht minder ergebnislos sollen ähnliche
Versuche gegen schwimmende Scheiben von der Größe von Kriegsschiffen
gewesen sein.

Trotz dieser Mißerfolge kann nicht geleugnet werden, daß schon jetzt sehr
ausgedehnte Ziele wie Städte, Lagerplätze usw. auch aus größerer Höhe zu
treffen sind, doch wird bei dem in der Regel geringen Munitionsvorrat der
Flugzeuge die Wirkung mehr in Beunruhigung der Bewohner als in der
Verursachung materiellen Schadens bestehn. Etwas mehr Sicherheit im Treffen
wäre zu erreichen, wenn die Wurfgeschosse mit einer gewissen Führung und
Anfangsgeschwindigkeit aus Lancier- oder Geschützrohren verschossen würde".
Ein großer Zeppelin mit seinem verfügbaren Raum für etwa 2000 Kriegs¬
bedarf ist immerhin geeignet, solche Geschütze aufzunehmen, doch müßte die
Munitionsinenge dem Gewichte des Geschützes entsprechend verringert werden.

Die Bekämpfung der Flugzeuge wurde an der Hand von Lichtbildern
veranschaulicht, welche die Konstruktionen der Rheinischen Metallwaaren- und
Maschinenfabrik zu Düsseldorf wiedergaben. Das betreffende Material ist teil¬
weise auf der Brüsseler Ausstellung, Abteilung für Luftschiffahrt, ausgestellt.

Es liegt auf der Hand, daß eine Armee alles daransetzen muß, sich so
wißbegierige Beobachter wie Luftschiffe und Flugmaschinen vom Halse zu halten.

In verschiedenen Ländern ist man bereits mit entsprechenden Versuchen
beschäftigt und gerade das im Lichtbilde vorgeführte Halbpanzerauto kam direkt
von ausgedehnten Fahr- und Schießversuchen zur Ausstellung. Eines solchen
Fahrzeugs wird sich die Feldarmee mit Vorteil bedienen, denn es kann eine
Schnelligkeit bis 60 Ka die Stunde entwickeln und führt eine sehr leistungs¬
fähige Kanone. Es ist imstande, die heutigen Luftschiffe, die bekanntlich nur
bis zu 54 Ku zurücklegen, selbst über nicht ebenes Gelände einzuholen. Sein
3-um-Nickelstahlpanzer schützt Motor und Bemannung teilweise gegen feind¬
liche Geschosse.

Die große Schnelligkeit bietet einen weiteren Schutz dagegen.

Das Geschütz ist eine 5-ein-Schnellfeuerkanone des Systems Ehrhardt,
deren Pivotlafette auf der Plattform des Fahrzeugs befestigt ist. Bei der größten
Erhöhung von 70 ° erreicht das Geschoß seine Maximalsteighöhe von 3720 in.
Luftschiff und Flugmaschine werden sich wohl noch lange vergebens bemühn,
darüber hinaus zu gelangen. Bei 43 ° Erhöhung wird die Maximalschußweite


Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

geschehen, wenn man nicht selbst von den Geschossen des Gegners erreicht
werden soll. Der seitliche Abtrieb der Wurfgeschosse durch Wind und Eigen -
beweguug des Luftschiffes machen aber das Treffen so unsicher, daß bei dem
geringen Munitionsvorrat eines Luftschiffes eine nennenswerte Wirkung nicht
möglich ist. Wie schwer das Treffen auch aus geringerer Höhe sich gestaltet,
haben erst vor kurzem in Nordamerika mit Aeroplanen ausgeführte Wurf¬
versuche dargetan. Aus der geringen Höhe von nur 70 bis 80 in gelang es
nicht, feldmäßige Ziele zu treffen. Die Flugmaschine selbst geriet aber dabei
in die bedenklichsten Schwankungen. Nicht minder ergebnislos sollen ähnliche
Versuche gegen schwimmende Scheiben von der Größe von Kriegsschiffen
gewesen sein.

Trotz dieser Mißerfolge kann nicht geleugnet werden, daß schon jetzt sehr
ausgedehnte Ziele wie Städte, Lagerplätze usw. auch aus größerer Höhe zu
treffen sind, doch wird bei dem in der Regel geringen Munitionsvorrat der
Flugzeuge die Wirkung mehr in Beunruhigung der Bewohner als in der
Verursachung materiellen Schadens bestehn. Etwas mehr Sicherheit im Treffen
wäre zu erreichen, wenn die Wurfgeschosse mit einer gewissen Führung und
Anfangsgeschwindigkeit aus Lancier- oder Geschützrohren verschossen würde».
Ein großer Zeppelin mit seinem verfügbaren Raum für etwa 2000 Kriegs¬
bedarf ist immerhin geeignet, solche Geschütze aufzunehmen, doch müßte die
Munitionsinenge dem Gewichte des Geschützes entsprechend verringert werden.

Die Bekämpfung der Flugzeuge wurde an der Hand von Lichtbildern
veranschaulicht, welche die Konstruktionen der Rheinischen Metallwaaren- und
Maschinenfabrik zu Düsseldorf wiedergaben. Das betreffende Material ist teil¬
weise auf der Brüsseler Ausstellung, Abteilung für Luftschiffahrt, ausgestellt.

Es liegt auf der Hand, daß eine Armee alles daransetzen muß, sich so
wißbegierige Beobachter wie Luftschiffe und Flugmaschinen vom Halse zu halten.

In verschiedenen Ländern ist man bereits mit entsprechenden Versuchen
beschäftigt und gerade das im Lichtbilde vorgeführte Halbpanzerauto kam direkt
von ausgedehnten Fahr- und Schießversuchen zur Ausstellung. Eines solchen
Fahrzeugs wird sich die Feldarmee mit Vorteil bedienen, denn es kann eine
Schnelligkeit bis 60 Ka die Stunde entwickeln und führt eine sehr leistungs¬
fähige Kanone. Es ist imstande, die heutigen Luftschiffe, die bekanntlich nur
bis zu 54 Ku zurücklegen, selbst über nicht ebenes Gelände einzuholen. Sein
3-um-Nickelstahlpanzer schützt Motor und Bemannung teilweise gegen feind¬
liche Geschosse.

Die große Schnelligkeit bietet einen weiteren Schutz dagegen.

Das Geschütz ist eine 5-ein-Schnellfeuerkanone des Systems Ehrhardt,
deren Pivotlafette auf der Plattform des Fahrzeugs befestigt ist. Bei der größten
Erhöhung von 70 ° erreicht das Geschoß seine Maximalsteighöhe von 3720 in.
Luftschiff und Flugmaschine werden sich wohl noch lange vergebens bemühn,
darüber hinaus zu gelangen. Bei 43 ° Erhöhung wird die Maximalschußweite


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[0488] Luftschiff und Flugmaschine im Kriege geschehen, wenn man nicht selbst von den Geschossen des Gegners erreicht werden soll. Der seitliche Abtrieb der Wurfgeschosse durch Wind und Eigen - beweguug des Luftschiffes machen aber das Treffen so unsicher, daß bei dem geringen Munitionsvorrat eines Luftschiffes eine nennenswerte Wirkung nicht möglich ist. Wie schwer das Treffen auch aus geringerer Höhe sich gestaltet, haben erst vor kurzem in Nordamerika mit Aeroplanen ausgeführte Wurf¬ versuche dargetan. Aus der geringen Höhe von nur 70 bis 80 in gelang es nicht, feldmäßige Ziele zu treffen. Die Flugmaschine selbst geriet aber dabei in die bedenklichsten Schwankungen. Nicht minder ergebnislos sollen ähnliche Versuche gegen schwimmende Scheiben von der Größe von Kriegsschiffen gewesen sein. Trotz dieser Mißerfolge kann nicht geleugnet werden, daß schon jetzt sehr ausgedehnte Ziele wie Städte, Lagerplätze usw. auch aus größerer Höhe zu treffen sind, doch wird bei dem in der Regel geringen Munitionsvorrat der Flugzeuge die Wirkung mehr in Beunruhigung der Bewohner als in der Verursachung materiellen Schadens bestehn. Etwas mehr Sicherheit im Treffen wäre zu erreichen, wenn die Wurfgeschosse mit einer gewissen Führung und Anfangsgeschwindigkeit aus Lancier- oder Geschützrohren verschossen würde». Ein großer Zeppelin mit seinem verfügbaren Raum für etwa 2000 Kriegs¬ bedarf ist immerhin geeignet, solche Geschütze aufzunehmen, doch müßte die Munitionsinenge dem Gewichte des Geschützes entsprechend verringert werden. Die Bekämpfung der Flugzeuge wurde an der Hand von Lichtbildern veranschaulicht, welche die Konstruktionen der Rheinischen Metallwaaren- und Maschinenfabrik zu Düsseldorf wiedergaben. Das betreffende Material ist teil¬ weise auf der Brüsseler Ausstellung, Abteilung für Luftschiffahrt, ausgestellt. Es liegt auf der Hand, daß eine Armee alles daransetzen muß, sich so wißbegierige Beobachter wie Luftschiffe und Flugmaschinen vom Halse zu halten. In verschiedenen Ländern ist man bereits mit entsprechenden Versuchen beschäftigt und gerade das im Lichtbilde vorgeführte Halbpanzerauto kam direkt von ausgedehnten Fahr- und Schießversuchen zur Ausstellung. Eines solchen Fahrzeugs wird sich die Feldarmee mit Vorteil bedienen, denn es kann eine Schnelligkeit bis 60 Ka die Stunde entwickeln und führt eine sehr leistungs¬ fähige Kanone. Es ist imstande, die heutigen Luftschiffe, die bekanntlich nur bis zu 54 Ku zurücklegen, selbst über nicht ebenes Gelände einzuholen. Sein 3-um-Nickelstahlpanzer schützt Motor und Bemannung teilweise gegen feind¬ liche Geschosse. Die große Schnelligkeit bietet einen weiteren Schutz dagegen. Das Geschütz ist eine 5-ein-Schnellfeuerkanone des Systems Ehrhardt, deren Pivotlafette auf der Plattform des Fahrzeugs befestigt ist. Bei der größten Erhöhung von 70 ° erreicht das Geschoß seine Maximalsteighöhe von 3720 in. Luftschiff und Flugmaschine werden sich wohl noch lange vergebens bemühn, darüber hinaus zu gelangen. Bei 43 ° Erhöhung wird die Maximalschußweite

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/488>, abgerufen am 25.08.2024.