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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

dieser wieder ist abhängig von der Eigengeschwindigkeit des Flugzeugs und von
der Ausdauer seiner Betriebsmittel.

So würde z. B. ein Zeppelin unter günstigen Verhältnissen schon jetzt von
Brüssel über Frankreich hinweg nach Spanien und wieder zurückgelangen können,
ohne inzwischen landen zu müssen.

Im Feldkriege wird man daher Luftschiffe von größerer Fahrtdauer möglichst
schon vor Beginn der Feindseligkeiten einen Einblick hinter die feindliche Grenze
tun lassen, um Klarheit über Aufmarsch und Stärke des Gegners zu gewinnen.
Auch im weitern Verlauf des Krieges werden sie hauptsächlich den Zwecken
strategischer Aufklärung dienen. An ihr werden sich zwar auch Lenkballons
kleineren Typs beteiligen können, doch bleibt ihr eigentliches Feld der Tätigkeit
die Schlacht. Bei der sorgfältigen Ausnutzung des Geländes seitens der Truppen,
bei der unheimlichen "Leere des Gefechtsfeldes" in den ersten Stadien des
Kampfes werden sie im Verein mit Flugapparaten namentlich die verdeckten
Batterien des Gegners, die Verwendung der Infanterie und der Reserven, den
Verbleib der Kavallerie und den Moment zu erspähen haben, wann sie von
neuem hervorbrechen will. Die Stellung des feindlichen Feldherrn, das Heran¬
rücken von Verstärkungen dürfen ihnen ebenfalls nicht entgehen. Gute Resultate
sind in dieser Beziehung von den Luftschiffer bereits bei den letzten großen
Manövern in Deutschland und Frankreich erzielt worden, und es ist zu erwarten,
daß in nächster Zeit auch die Flugmaschinen im Manövergelände erscheinen
werden. Außer der Erkundungstätigkeit kommt für sie noch die Unterstützung
in Betracht, die sie der Gefechtsleitung durch schnelle Befehlsübermittluug
gewähren. Mit Truppen vollgepfropfte Wege, ungangbare Geländestrecken sind
für sie kein Hindernis. In gerader Luftlinie und in einen: Tempo, zu dein
einem Pferde Lungen und Beine fehlen, erreichen sie rückwärtige Truppen,
Kolonnen und Trains sowie detachierte Abteilungen und dirigieren sie in kürzester
Frist nach dem Willen des Führers.

Im Ernstfalle sind ferner die sehr wertvollen Aufschlüsse nicht zu vergessen,
welche die Erkundung aus der Luft über die Waffenwirkung der eignen Truppen
sowie über das Gelände gibt, wenn brauchbare Karten fehlen. Gute Nachrichten
über die Lage der Schüsse erlauben entsprechende Korrekturen beim Schießen
und führen zu vernichtender Wirkung. Auskunft über das vom Feinde beherrschte
Gelände erleichtert die Leitung der Operationen und von diesem Gesichtspunkte
aus hat sich schon der in den letzten Jahren von den spanischen Truppen in
Marokko mitgeführte Fesselballon reichlich bezahlt gemacht. Von ihm herab
gelang es den spanischen Offizieren, mit Hilfe der Photographie in wenigen
Tagen ganz brauchbare Karten zusammenzustellen.

Bei dieser Vielseitigkeit der Flugzeuge auf dem Gebiete der Erkundung,
welche durch drahtlose Telegraphie und optische Signale noch eine bedeutende
Steigerung in der Schnelligkeit der Übermittlung erfährt, scheint die Kavallerie
ganz außer Kurs gesetzt zu sein. Wind und Wetter und die Gegenmaßregeln


Luftschiff und Flugmaschine im Kriege

dieser wieder ist abhängig von der Eigengeschwindigkeit des Flugzeugs und von
der Ausdauer seiner Betriebsmittel.

So würde z. B. ein Zeppelin unter günstigen Verhältnissen schon jetzt von
Brüssel über Frankreich hinweg nach Spanien und wieder zurückgelangen können,
ohne inzwischen landen zu müssen.

Im Feldkriege wird man daher Luftschiffe von größerer Fahrtdauer möglichst
schon vor Beginn der Feindseligkeiten einen Einblick hinter die feindliche Grenze
tun lassen, um Klarheit über Aufmarsch und Stärke des Gegners zu gewinnen.
Auch im weitern Verlauf des Krieges werden sie hauptsächlich den Zwecken
strategischer Aufklärung dienen. An ihr werden sich zwar auch Lenkballons
kleineren Typs beteiligen können, doch bleibt ihr eigentliches Feld der Tätigkeit
die Schlacht. Bei der sorgfältigen Ausnutzung des Geländes seitens der Truppen,
bei der unheimlichen „Leere des Gefechtsfeldes" in den ersten Stadien des
Kampfes werden sie im Verein mit Flugapparaten namentlich die verdeckten
Batterien des Gegners, die Verwendung der Infanterie und der Reserven, den
Verbleib der Kavallerie und den Moment zu erspähen haben, wann sie von
neuem hervorbrechen will. Die Stellung des feindlichen Feldherrn, das Heran¬
rücken von Verstärkungen dürfen ihnen ebenfalls nicht entgehen. Gute Resultate
sind in dieser Beziehung von den Luftschiffer bereits bei den letzten großen
Manövern in Deutschland und Frankreich erzielt worden, und es ist zu erwarten,
daß in nächster Zeit auch die Flugmaschinen im Manövergelände erscheinen
werden. Außer der Erkundungstätigkeit kommt für sie noch die Unterstützung
in Betracht, die sie der Gefechtsleitung durch schnelle Befehlsübermittluug
gewähren. Mit Truppen vollgepfropfte Wege, ungangbare Geländestrecken sind
für sie kein Hindernis. In gerader Luftlinie und in einen: Tempo, zu dein
einem Pferde Lungen und Beine fehlen, erreichen sie rückwärtige Truppen,
Kolonnen und Trains sowie detachierte Abteilungen und dirigieren sie in kürzester
Frist nach dem Willen des Führers.

Im Ernstfalle sind ferner die sehr wertvollen Aufschlüsse nicht zu vergessen,
welche die Erkundung aus der Luft über die Waffenwirkung der eignen Truppen
sowie über das Gelände gibt, wenn brauchbare Karten fehlen. Gute Nachrichten
über die Lage der Schüsse erlauben entsprechende Korrekturen beim Schießen
und führen zu vernichtender Wirkung. Auskunft über das vom Feinde beherrschte
Gelände erleichtert die Leitung der Operationen und von diesem Gesichtspunkte
aus hat sich schon der in den letzten Jahren von den spanischen Truppen in
Marokko mitgeführte Fesselballon reichlich bezahlt gemacht. Von ihm herab
gelang es den spanischen Offizieren, mit Hilfe der Photographie in wenigen
Tagen ganz brauchbare Karten zusammenzustellen.

Bei dieser Vielseitigkeit der Flugzeuge auf dem Gebiete der Erkundung,
welche durch drahtlose Telegraphie und optische Signale noch eine bedeutende
Steigerung in der Schnelligkeit der Übermittlung erfährt, scheint die Kavallerie
ganz außer Kurs gesetzt zu sein. Wind und Wetter und die Gegenmaßregeln


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[0486] Luftschiff und Flugmaschine im Kriege dieser wieder ist abhängig von der Eigengeschwindigkeit des Flugzeugs und von der Ausdauer seiner Betriebsmittel. So würde z. B. ein Zeppelin unter günstigen Verhältnissen schon jetzt von Brüssel über Frankreich hinweg nach Spanien und wieder zurückgelangen können, ohne inzwischen landen zu müssen. Im Feldkriege wird man daher Luftschiffe von größerer Fahrtdauer möglichst schon vor Beginn der Feindseligkeiten einen Einblick hinter die feindliche Grenze tun lassen, um Klarheit über Aufmarsch und Stärke des Gegners zu gewinnen. Auch im weitern Verlauf des Krieges werden sie hauptsächlich den Zwecken strategischer Aufklärung dienen. An ihr werden sich zwar auch Lenkballons kleineren Typs beteiligen können, doch bleibt ihr eigentliches Feld der Tätigkeit die Schlacht. Bei der sorgfältigen Ausnutzung des Geländes seitens der Truppen, bei der unheimlichen „Leere des Gefechtsfeldes" in den ersten Stadien des Kampfes werden sie im Verein mit Flugapparaten namentlich die verdeckten Batterien des Gegners, die Verwendung der Infanterie und der Reserven, den Verbleib der Kavallerie und den Moment zu erspähen haben, wann sie von neuem hervorbrechen will. Die Stellung des feindlichen Feldherrn, das Heran¬ rücken von Verstärkungen dürfen ihnen ebenfalls nicht entgehen. Gute Resultate sind in dieser Beziehung von den Luftschiffer bereits bei den letzten großen Manövern in Deutschland und Frankreich erzielt worden, und es ist zu erwarten, daß in nächster Zeit auch die Flugmaschinen im Manövergelände erscheinen werden. Außer der Erkundungstätigkeit kommt für sie noch die Unterstützung in Betracht, die sie der Gefechtsleitung durch schnelle Befehlsübermittluug gewähren. Mit Truppen vollgepfropfte Wege, ungangbare Geländestrecken sind für sie kein Hindernis. In gerader Luftlinie und in einen: Tempo, zu dein einem Pferde Lungen und Beine fehlen, erreichen sie rückwärtige Truppen, Kolonnen und Trains sowie detachierte Abteilungen und dirigieren sie in kürzester Frist nach dem Willen des Führers. Im Ernstfalle sind ferner die sehr wertvollen Aufschlüsse nicht zu vergessen, welche die Erkundung aus der Luft über die Waffenwirkung der eignen Truppen sowie über das Gelände gibt, wenn brauchbare Karten fehlen. Gute Nachrichten über die Lage der Schüsse erlauben entsprechende Korrekturen beim Schießen und führen zu vernichtender Wirkung. Auskunft über das vom Feinde beherrschte Gelände erleichtert die Leitung der Operationen und von diesem Gesichtspunkte aus hat sich schon der in den letzten Jahren von den spanischen Truppen in Marokko mitgeführte Fesselballon reichlich bezahlt gemacht. Von ihm herab gelang es den spanischen Offizieren, mit Hilfe der Photographie in wenigen Tagen ganz brauchbare Karten zusammenzustellen. Bei dieser Vielseitigkeit der Flugzeuge auf dem Gebiete der Erkundung, welche durch drahtlose Telegraphie und optische Signale noch eine bedeutende Steigerung in der Schnelligkeit der Übermittlung erfährt, scheint die Kavallerie ganz außer Kurs gesetzt zu sein. Wind und Wetter und die Gegenmaßregeln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/486>, abgerufen am 23.07.2024.