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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Ist die Anstellung von Reichsxostbcamtcn noch zeitgemäß?

dänische und schwedische Postämter mit preußischen, hannoverschen und mecklen¬
burgischen, sowie mit Thurn und Taxis konkurriert hatten; gemäß Artikel 51
der Norddeutschen Verfassung waren die fremdländischen Anstalten alsbald im
Vertragswege beseitigt, die deutschen von 1868 ab vereinigt worden. Da die
gesamte Verwaltung ohne Vorbehalt auf den Norddeutschen Bund übertragen
und wegen der Anstellung der Beamten eine besondere Bestimmung nicht getroffen
war, übernahm sie das Bundespräsidium. An dieses haben ferner Oldenburg,
Sachsen-Altenburg und Anhalt das ihnen zustehende Anstellungsrecht durch
Vertrag abgetreten, und zwar Alihalt -- hinsichtlich der Postbeamten-- Ende 1868,
Oldenburg bereits 1867 für das Gebiet des Herzogtums Oldenburg, 1870 für
das Fürstentum Lübeck. Im Fürstentum Birkenfeld dagegen übt Preußen das
Anstellungsrecht noch heute aus auf Grund eines Vertrages vom Jahre 1837,
durch den das Postwesen im Fürstentum von Thurn und Taxis auf Preußen
übergegangen war. Im Herzogtum Sachsen-Altenburg stand das Postwesen
früher unter königlich sächsischer Verwaltung; diese besaß auch das Anstellungs¬
recht, übertrug es aber 1880 auf den Kaiser, nachdem die Telegraphenbeamten
schon seit 1867 vom Bundespräsidimn ernannt worden waren. Preußen, die
beiden Mecklenburg und Baden, die früher eine selbständige Post- und Telegraphen-
verwältung besaßen, üben dagegen ihr Anstellungsrecht bis auf den heutigen
Tag aus. Dasselbe gilt für das Königreich Sachsen und für Braunschweig
hinsichtlich der Postbeamten, während die Telegraphenbeamten im Gebiet dieser
beiden Bundesstaaten durch Preußen angestellt werden: in Sachsen, weil dieses
im Friedensvertrag vom 21. Oktober 1866 sein gesamtes Telegraphenwesen an
Preußen hatte abtreten müssen, in Braunschweig, weil Preußen gelegentlich des
Baues einer elektrischen Telegraphenlinie Berlin--Köln bereits 1848 das Recht
erworben hatte, auf braunschweigischen Gebiet Telegraphenanstalten einzurichten
und sie mit preußischen Beamten zu besetzen. In allen bisher nicht genannten
Bundesstaaten übt Preußen das Anstellungsrecht aus, weil es die Post und
Telegraphie teils schon vor 1867 verwaltet, teils durch den Vertrag vom
28. Januar 1867 von Thurn und Taxis erworben hatte; nur in einigen
thüringischen Staaten besitzt der Kaiser das Anstellungsrecht hinsichtlich der
Telegraphenbeamten.

Über die Art und Weise, wie das Anstellungsrecht ausgeübt werden sollte,
hat die Postverwaltung mit den einzelnen Bundesstaaten zahlreiche Verträge
abgeschlossen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen. Zunächst die in dem
Artikel 50 der Reichsverfassung erwähnten "besonderen" Verträge hinsichtlich
derjenigen Bundesstaaten, die eine selbständige Post- und Telegraphenverwaltnng
ehemals nicht besessen haben; es handelt sich da in der Hauptsache um die
Abmachungen, die Preußen 1366 und bei der Übernahme der Thurn-und-
Taxisschen Post 1867 mit den mitteldeutschen Staaten getroffen hat. Die zweite
Gruppe umfaßt die Verträge mit den im Artikel 50 als "betreffende" bezeichneten
Landesregierungen; die dritte Gruppe diejenigen Verträge, durch welche einige


Ist die Anstellung von Reichsxostbcamtcn noch zeitgemäß?

dänische und schwedische Postämter mit preußischen, hannoverschen und mecklen¬
burgischen, sowie mit Thurn und Taxis konkurriert hatten; gemäß Artikel 51
der Norddeutschen Verfassung waren die fremdländischen Anstalten alsbald im
Vertragswege beseitigt, die deutschen von 1868 ab vereinigt worden. Da die
gesamte Verwaltung ohne Vorbehalt auf den Norddeutschen Bund übertragen
und wegen der Anstellung der Beamten eine besondere Bestimmung nicht getroffen
war, übernahm sie das Bundespräsidium. An dieses haben ferner Oldenburg,
Sachsen-Altenburg und Anhalt das ihnen zustehende Anstellungsrecht durch
Vertrag abgetreten, und zwar Alihalt — hinsichtlich der Postbeamten— Ende 1868,
Oldenburg bereits 1867 für das Gebiet des Herzogtums Oldenburg, 1870 für
das Fürstentum Lübeck. Im Fürstentum Birkenfeld dagegen übt Preußen das
Anstellungsrecht noch heute aus auf Grund eines Vertrages vom Jahre 1837,
durch den das Postwesen im Fürstentum von Thurn und Taxis auf Preußen
übergegangen war. Im Herzogtum Sachsen-Altenburg stand das Postwesen
früher unter königlich sächsischer Verwaltung; diese besaß auch das Anstellungs¬
recht, übertrug es aber 1880 auf den Kaiser, nachdem die Telegraphenbeamten
schon seit 1867 vom Bundespräsidimn ernannt worden waren. Preußen, die
beiden Mecklenburg und Baden, die früher eine selbständige Post- und Telegraphen-
verwältung besaßen, üben dagegen ihr Anstellungsrecht bis auf den heutigen
Tag aus. Dasselbe gilt für das Königreich Sachsen und für Braunschweig
hinsichtlich der Postbeamten, während die Telegraphenbeamten im Gebiet dieser
beiden Bundesstaaten durch Preußen angestellt werden: in Sachsen, weil dieses
im Friedensvertrag vom 21. Oktober 1866 sein gesamtes Telegraphenwesen an
Preußen hatte abtreten müssen, in Braunschweig, weil Preußen gelegentlich des
Baues einer elektrischen Telegraphenlinie Berlin—Köln bereits 1848 das Recht
erworben hatte, auf braunschweigischen Gebiet Telegraphenanstalten einzurichten
und sie mit preußischen Beamten zu besetzen. In allen bisher nicht genannten
Bundesstaaten übt Preußen das Anstellungsrecht aus, weil es die Post und
Telegraphie teils schon vor 1867 verwaltet, teils durch den Vertrag vom
28. Januar 1867 von Thurn und Taxis erworben hatte; nur in einigen
thüringischen Staaten besitzt der Kaiser das Anstellungsrecht hinsichtlich der
Telegraphenbeamten.

Über die Art und Weise, wie das Anstellungsrecht ausgeübt werden sollte,
hat die Postverwaltung mit den einzelnen Bundesstaaten zahlreiche Verträge
abgeschlossen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen. Zunächst die in dem
Artikel 50 der Reichsverfassung erwähnten „besonderen" Verträge hinsichtlich
derjenigen Bundesstaaten, die eine selbständige Post- und Telegraphenverwaltnng
ehemals nicht besessen haben; es handelt sich da in der Hauptsache um die
Abmachungen, die Preußen 1366 und bei der Übernahme der Thurn-und-
Taxisschen Post 1867 mit den mitteldeutschen Staaten getroffen hat. Die zweite
Gruppe umfaßt die Verträge mit den im Artikel 50 als „betreffende" bezeichneten
Landesregierungen; die dritte Gruppe diejenigen Verträge, durch welche einige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/440>, abgerufen am 01.07.2024.