Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.gZualitätsbezcichnnngcn nicht ein solches Warenhaus zugrunde. Es ist wahr, es verkauft auch teure Wir wollen jedes von der Natur uns gegebene Metall als edel empfinden Von gegnerischer Seite, d. h. also von der Seite, welche der Material- gZualitätsbezcichnnngcn nicht ein solches Warenhaus zugrunde. Es ist wahr, es verkauft auch teure Wir wollen jedes von der Natur uns gegebene Metall als edel empfinden Von gegnerischer Seite, d. h. also von der Seite, welche der Material- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316681"/> <fw type="header" place="top"> gZualitätsbezcichnnngcn</fw><lb/> <p xml:id="ID_1684" prev="#ID_1683"> nicht ein solches Warenhaus zugrunde. Es ist wahr, es verkauft auch teure<lb/> echte Ware. Aber sein Geschäft macht es mit der Ramschware, darüber soll<lb/> man sich keinen Täuschungen hingeben. Gerade durch die brutalen Ramsch¬<lb/> manöver der Qualitätsverschleierung wird der solide Handel geschädigt, das<lb/> ehrliche Handwerk zugrunde gerichtet, wirtschaftlich und, was vielleicht noch<lb/> schlimmer ist, moralisch irre geführt und irre geleitet, und selbst irre in den<lb/> eigenen Geschäftsgrundsätzen. Also unsere Sache des Materialschutzes ist durchaus<lb/> eine Angelegenheit des Handwerkes, eine Lebensfrage des Handwerkes. Das<lb/> ungemein instruktive Buch „Die Imitationen" bildet gewissermaßen einen Leit¬<lb/> faden zu der Kunst, das ehrliche Handwerk auf allen Gebieten zugrunde zu<lb/> richten. Man höre, wie der Verfasser den Begriff der Imitationen erklärt:<lb/> „Um in bezug auf die edelsten Stoffe wenigstens den Schein hervorzurufen" —<lb/> man beachte diese Worte: wenigstens den Schein — „hat man versucht, gewisse<lb/> Eigenschaften der kostbaren Stoffe" — natürlich wieder den Schein anlangend —<lb/> „so nachzuahmen, daß der Gegenstand dem Aussehen nach" — also jetzt kommt<lb/> es: dem Aussehen nach — „aus diese» Stoffen besteht, und hieraus hat sich ein<lb/> eigener Zweig der gewerblichen Tätigkeit entwickelt, welchen man als „Nach¬<lb/> ahmung" oder „Imitation" bezeichnet." Wenn kürzlich jemand die Materiale,<lb/> soweit Metall in Betracht kommt, in edle und unedle teilen will, so müssen wir<lb/> auch hiergegen protestieren. Bom Standpunkt der Materialkunde gibt es keine<lb/> unedlen Metalle, höchstens eine unedle Bearbeitung eines Metalles. Man spricht<lb/> wohl von Edelmetallen und Edelmetallindustrie, aber es geht nicht an, nun<lb/> die Metalle in edle und unedle zu sondern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1685"> Wir wollen jedes von der Natur uns gegebene Metall als edel empfinden<lb/> lernen, ob es nun Eisen oder Zinn oder Holz ist, weil wir nämlich jedes Material<lb/> als belebt und als beseelt empfinden sollen. Das Material einer Holzschnitzerei<lb/> oder einer Schmiedearbeit im Gegensatz zu einer silbernen Jardiniere als unedel<lb/> zu bezeichnen, ist Dilettantismus und Nückwärtserei. Dem künstlerischen Stand¬<lb/> punkt nach kann vielmehr eine solche unedle Materialarbeit weit wertvoller als<lb/> eine „edle" sein. Diese Gegenüberstellung „unedle und edle Metalle" verschiebt<lb/> also die Sachlage und ist schief.</p><lb/> <p xml:id="ID_1686" next="#ID_1687"> Von gegnerischer Seite, d. h. also von der Seite, welche der Material-<lb/> schönung front, ist gesagt worden, die Sache der Materialkontrolle sei nichts<lb/> Neues. Es ist wahr, schon Semper hat viel von Materialechtheit gesprochen,<lb/> schon Semper hat gefordert „keine Surrogate mehr", schon Semper hat gesagt:<lb/> „Das Material schafft den Stil". Aber zu einer Anwendung in der Praxis<lb/> ist es nicht gekommen, nicht einmal zu einer Bewegung. Es kam vielmehr zu<lb/> der unglücklichen oder zum mindesten bedeutungslosen Renaissance der siebziger<lb/> Jahre. Der neuen Kunstbewegung kann — abgesehen von Nuskin und<lb/> Morris — zum Vorwurf gemacht werden, daß sie nicht von Anfang an, statt<lb/> mit der krummen Linie zu kokettieren, die Materialqualität zur Grundlage des<lb/> kunstgewerblichen Schaffens machte. So weit sind wir also jetzt erst nach fünfzehn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
gZualitätsbezcichnnngcn
nicht ein solches Warenhaus zugrunde. Es ist wahr, es verkauft auch teure
echte Ware. Aber sein Geschäft macht es mit der Ramschware, darüber soll
man sich keinen Täuschungen hingeben. Gerade durch die brutalen Ramsch¬
manöver der Qualitätsverschleierung wird der solide Handel geschädigt, das
ehrliche Handwerk zugrunde gerichtet, wirtschaftlich und, was vielleicht noch
schlimmer ist, moralisch irre geführt und irre geleitet, und selbst irre in den
eigenen Geschäftsgrundsätzen. Also unsere Sache des Materialschutzes ist durchaus
eine Angelegenheit des Handwerkes, eine Lebensfrage des Handwerkes. Das
ungemein instruktive Buch „Die Imitationen" bildet gewissermaßen einen Leit¬
faden zu der Kunst, das ehrliche Handwerk auf allen Gebieten zugrunde zu
richten. Man höre, wie der Verfasser den Begriff der Imitationen erklärt:
„Um in bezug auf die edelsten Stoffe wenigstens den Schein hervorzurufen" —
man beachte diese Worte: wenigstens den Schein — „hat man versucht, gewisse
Eigenschaften der kostbaren Stoffe" — natürlich wieder den Schein anlangend —
„so nachzuahmen, daß der Gegenstand dem Aussehen nach" — also jetzt kommt
es: dem Aussehen nach — „aus diese» Stoffen besteht, und hieraus hat sich ein
eigener Zweig der gewerblichen Tätigkeit entwickelt, welchen man als „Nach¬
ahmung" oder „Imitation" bezeichnet." Wenn kürzlich jemand die Materiale,
soweit Metall in Betracht kommt, in edle und unedle teilen will, so müssen wir
auch hiergegen protestieren. Bom Standpunkt der Materialkunde gibt es keine
unedlen Metalle, höchstens eine unedle Bearbeitung eines Metalles. Man spricht
wohl von Edelmetallen und Edelmetallindustrie, aber es geht nicht an, nun
die Metalle in edle und unedle zu sondern.
Wir wollen jedes von der Natur uns gegebene Metall als edel empfinden
lernen, ob es nun Eisen oder Zinn oder Holz ist, weil wir nämlich jedes Material
als belebt und als beseelt empfinden sollen. Das Material einer Holzschnitzerei
oder einer Schmiedearbeit im Gegensatz zu einer silbernen Jardiniere als unedel
zu bezeichnen, ist Dilettantismus und Nückwärtserei. Dem künstlerischen Stand¬
punkt nach kann vielmehr eine solche unedle Materialarbeit weit wertvoller als
eine „edle" sein. Diese Gegenüberstellung „unedle und edle Metalle" verschiebt
also die Sachlage und ist schief.
Von gegnerischer Seite, d. h. also von der Seite, welche der Material-
schönung front, ist gesagt worden, die Sache der Materialkontrolle sei nichts
Neues. Es ist wahr, schon Semper hat viel von Materialechtheit gesprochen,
schon Semper hat gefordert „keine Surrogate mehr", schon Semper hat gesagt:
„Das Material schafft den Stil". Aber zu einer Anwendung in der Praxis
ist es nicht gekommen, nicht einmal zu einer Bewegung. Es kam vielmehr zu
der unglücklichen oder zum mindesten bedeutungslosen Renaissance der siebziger
Jahre. Der neuen Kunstbewegung kann — abgesehen von Nuskin und
Morris — zum Vorwurf gemacht werden, daß sie nicht von Anfang an, statt
mit der krummen Linie zu kokettieren, die Materialqualität zur Grundlage des
kunstgewerblichen Schaffens machte. So weit sind wir also jetzt erst nach fünfzehn
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