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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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(ZZucilitätsbezeichnungen

Infolgedessen hat auch die Rechtsschutz- und Zollkommission des Deutsch¬
französischen Wirtschaftsvereins und des Comite Commercial Francs-Allemant
am 21. Oktober 1909 in gemeinsamer Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: "Die
Versammlung tritt ein für Abschluß einer deutsch-französischen Konvention behufs
besseren Schutzes der Herkunftsbezeichnungen und Unterdrückung der Verfälschung
von Nahrungsmitteln und sonstigen Artikeln, deren charakteristische Eigenschaften
auf den Eigentümlichkeiten des Bodens, des Klimas oder besonderer Art der
Fabrikation beruhen. Es soll in beiden Ländern eine Umfrage veranstaltet
werden, um alle diejenigen Artikel festzustellen, deren Bezeichnungen nicht als
Gattungsnamen zu betrachten sind und demgemäß im deutsch-französischen
Verkehr eines derartigen Namensschutzes bedürfen; und diese Liste soll dem Text der
abzuschließenden deutsch-französischen Konvention als Anhang zugefügt werden")."

Je weiter die sogenannte moderne Kunstbewegung vorwärts schreitet, desto
mehr scheinen die Zeiten der Raritäten- und Glasschrank- und Museumskunst
vorüber und wir selbst schon mitten drin zu sein in der Gegenwarts- und
Gewerbekunst oder besser Gebrauchskunst. Schon das Wort Kunstgewerbe muß
heute besser vermieden werden. Das bessere Wort dafür ist Kunsthandwerk,
das weitere Jndustriekunst. Was ist denn aber nun das Kunsthandwerk anderes
als Handwerk, als das künstlerische Ziel verfolgende Handwerk, was ist Jndustrie¬
kunst anderes als Industrie, ästhetische und künstlerische Ziele verfolgend? Wir
werden also auch industrielle Gruppen weiter in unseren Kreis ziehen müssen.
Das Handwerk aber bildet, wie ersichtlich ist, die Kerntruppe des Kunstgewerbes.
Nicht alle Gruppen des Handwerks zwar fallen in diesen Bereich, aber weitaus
die meisten. Eine Gesundung, eine Stärkung, ja geradezu eine Neugeburt, vielleicht
die neue Renaissance des Kunstgewerbes wird kommen, wenn dieses sich wieder
seiner handwerklichen Existenz bewußt wird und im Schoße der Innungen sein
Heim findet.

Damit wird aber auch dem Handwerk selbst geholfen werden. Dem Hand¬
werk ist es so schlecht gegangen, weil es sich hat in die Ecke drängen lassen,
weil es kaum einen Schmerzenslaut von sich gegeben hat, als man es zerdrückt,
zertreten und zerrieben hat und als man hundertmal das Wort wiederholte,
die Zeit des Handwerks ist ein sür allemal vorüber, weil es nicht einmal sich
verteidigt, geschweige die Offensive ergriffen hat. Was der Hansabund heute
tat, das hätte vom Handwerk ausgehen müssen. Heute ist das Handwerk stolz,
daß der Hansabuud die Gnade gehabt hat, das Handwerk selbst im Vorstande
seiner kolossalen Gemeinschaft zu vertreten. Vielleicht war es auch ein Fortschritt,
aber das Handwerk als große Produktionsgruppe hätte allerhöchst den Handel
ins Schlepptau nehmen dürfen, nicht umgekehrt.

Also das Handwerk muß selbstbewußt werden, es muß mehr Stolz haben,
es muß sich als Kraft- und Kerntruppe der Bevölkerung, als Herz und Mittel-



*) Vgl. die Zeitschrift "Handel und Gewerbe" vom 4. Dezember 1909.
(ZZucilitätsbezeichnungen

Infolgedessen hat auch die Rechtsschutz- und Zollkommission des Deutsch¬
französischen Wirtschaftsvereins und des Comite Commercial Francs-Allemant
am 21. Oktober 1909 in gemeinsamer Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: „Die
Versammlung tritt ein für Abschluß einer deutsch-französischen Konvention behufs
besseren Schutzes der Herkunftsbezeichnungen und Unterdrückung der Verfälschung
von Nahrungsmitteln und sonstigen Artikeln, deren charakteristische Eigenschaften
auf den Eigentümlichkeiten des Bodens, des Klimas oder besonderer Art der
Fabrikation beruhen. Es soll in beiden Ländern eine Umfrage veranstaltet
werden, um alle diejenigen Artikel festzustellen, deren Bezeichnungen nicht als
Gattungsnamen zu betrachten sind und demgemäß im deutsch-französischen
Verkehr eines derartigen Namensschutzes bedürfen; und diese Liste soll dem Text der
abzuschließenden deutsch-französischen Konvention als Anhang zugefügt werden")."

Je weiter die sogenannte moderne Kunstbewegung vorwärts schreitet, desto
mehr scheinen die Zeiten der Raritäten- und Glasschrank- und Museumskunst
vorüber und wir selbst schon mitten drin zu sein in der Gegenwarts- und
Gewerbekunst oder besser Gebrauchskunst. Schon das Wort Kunstgewerbe muß
heute besser vermieden werden. Das bessere Wort dafür ist Kunsthandwerk,
das weitere Jndustriekunst. Was ist denn aber nun das Kunsthandwerk anderes
als Handwerk, als das künstlerische Ziel verfolgende Handwerk, was ist Jndustrie¬
kunst anderes als Industrie, ästhetische und künstlerische Ziele verfolgend? Wir
werden also auch industrielle Gruppen weiter in unseren Kreis ziehen müssen.
Das Handwerk aber bildet, wie ersichtlich ist, die Kerntruppe des Kunstgewerbes.
Nicht alle Gruppen des Handwerks zwar fallen in diesen Bereich, aber weitaus
die meisten. Eine Gesundung, eine Stärkung, ja geradezu eine Neugeburt, vielleicht
die neue Renaissance des Kunstgewerbes wird kommen, wenn dieses sich wieder
seiner handwerklichen Existenz bewußt wird und im Schoße der Innungen sein
Heim findet.

Damit wird aber auch dem Handwerk selbst geholfen werden. Dem Hand¬
werk ist es so schlecht gegangen, weil es sich hat in die Ecke drängen lassen,
weil es kaum einen Schmerzenslaut von sich gegeben hat, als man es zerdrückt,
zertreten und zerrieben hat und als man hundertmal das Wort wiederholte,
die Zeit des Handwerks ist ein sür allemal vorüber, weil es nicht einmal sich
verteidigt, geschweige die Offensive ergriffen hat. Was der Hansabund heute
tat, das hätte vom Handwerk ausgehen müssen. Heute ist das Handwerk stolz,
daß der Hansabuud die Gnade gehabt hat, das Handwerk selbst im Vorstande
seiner kolossalen Gemeinschaft zu vertreten. Vielleicht war es auch ein Fortschritt,
aber das Handwerk als große Produktionsgruppe hätte allerhöchst den Handel
ins Schlepptau nehmen dürfen, nicht umgekehrt.

Also das Handwerk muß selbstbewußt werden, es muß mehr Stolz haben,
es muß sich als Kraft- und Kerntruppe der Bevölkerung, als Herz und Mittel-



*) Vgl. die Zeitschrift „Handel und Gewerbe" vom 4. Dezember 1909.
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[0390] (ZZucilitätsbezeichnungen Infolgedessen hat auch die Rechtsschutz- und Zollkommission des Deutsch¬ französischen Wirtschaftsvereins und des Comite Commercial Francs-Allemant am 21. Oktober 1909 in gemeinsamer Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: „Die Versammlung tritt ein für Abschluß einer deutsch-französischen Konvention behufs besseren Schutzes der Herkunftsbezeichnungen und Unterdrückung der Verfälschung von Nahrungsmitteln und sonstigen Artikeln, deren charakteristische Eigenschaften auf den Eigentümlichkeiten des Bodens, des Klimas oder besonderer Art der Fabrikation beruhen. Es soll in beiden Ländern eine Umfrage veranstaltet werden, um alle diejenigen Artikel festzustellen, deren Bezeichnungen nicht als Gattungsnamen zu betrachten sind und demgemäß im deutsch-französischen Verkehr eines derartigen Namensschutzes bedürfen; und diese Liste soll dem Text der abzuschließenden deutsch-französischen Konvention als Anhang zugefügt werden")." Je weiter die sogenannte moderne Kunstbewegung vorwärts schreitet, desto mehr scheinen die Zeiten der Raritäten- und Glasschrank- und Museumskunst vorüber und wir selbst schon mitten drin zu sein in der Gegenwarts- und Gewerbekunst oder besser Gebrauchskunst. Schon das Wort Kunstgewerbe muß heute besser vermieden werden. Das bessere Wort dafür ist Kunsthandwerk, das weitere Jndustriekunst. Was ist denn aber nun das Kunsthandwerk anderes als Handwerk, als das künstlerische Ziel verfolgende Handwerk, was ist Jndustrie¬ kunst anderes als Industrie, ästhetische und künstlerische Ziele verfolgend? Wir werden also auch industrielle Gruppen weiter in unseren Kreis ziehen müssen. Das Handwerk aber bildet, wie ersichtlich ist, die Kerntruppe des Kunstgewerbes. Nicht alle Gruppen des Handwerks zwar fallen in diesen Bereich, aber weitaus die meisten. Eine Gesundung, eine Stärkung, ja geradezu eine Neugeburt, vielleicht die neue Renaissance des Kunstgewerbes wird kommen, wenn dieses sich wieder seiner handwerklichen Existenz bewußt wird und im Schoße der Innungen sein Heim findet. Damit wird aber auch dem Handwerk selbst geholfen werden. Dem Hand¬ werk ist es so schlecht gegangen, weil es sich hat in die Ecke drängen lassen, weil es kaum einen Schmerzenslaut von sich gegeben hat, als man es zerdrückt, zertreten und zerrieben hat und als man hundertmal das Wort wiederholte, die Zeit des Handwerks ist ein sür allemal vorüber, weil es nicht einmal sich verteidigt, geschweige die Offensive ergriffen hat. Was der Hansabund heute tat, das hätte vom Handwerk ausgehen müssen. Heute ist das Handwerk stolz, daß der Hansabuud die Gnade gehabt hat, das Handwerk selbst im Vorstande seiner kolossalen Gemeinschaft zu vertreten. Vielleicht war es auch ein Fortschritt, aber das Handwerk als große Produktionsgruppe hätte allerhöchst den Handel ins Schlepptau nehmen dürfen, nicht umgekehrt. Also das Handwerk muß selbstbewußt werden, es muß mehr Stolz haben, es muß sich als Kraft- und Kerntruppe der Bevölkerung, als Herz und Mittel- *) Vgl. die Zeitschrift „Handel und Gewerbe" vom 4. Dezember 1909.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/390>, abgerufen am 23.07.2024.