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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Asiatische Arbeit

und Koreaner, Sinn für zähes Jn-die-Höhe-arbeiten, sonderneherfür einen mühelosem
spekulativen Gewinn. Auch lebt er in allen sozialen Schichten gern über seine
Verhältnisse. Setzt man einen Chinesen und einen Japaner irgendwo in der
Welt auf ein ungenutztes Stück Erde, der Chinese wird meiner Meinung nach in
die Höhe kommen, der Japaner nicht. Anders wird die Sache erst da, wo
Kombinationsvermögen, schwierige Überlegungen, großes Geschick und Geschmack
oder gar Arbeiten in Frage kommen, die technisches Wissen oder Einfügen in
moderne Organisation großen Stils verlangen. Dann klebt der Chinese zu sehr
an Traditionen und Vorurteilen, an seinen alten Gilden und alten Gewohn¬
heiten, während der Japaner mit absoluter Vorurteilslosigkeit in materiellen
Dingen, mit seiner leichten Auffassungsgabe und ungeheuren Nachahmungskunst
sich das Beste aus Vorbildern fortgeschrittener Länder aussucht und in staunens¬
werter Weise verwertet. Deshalb hat z. B. in der Mandschurei Japan Großes
an der Südmandschurischen Bahn und im Hafen von Dalni geleistet; man sieht
aber Japans wirtschaftlichen Einfluß in Mulden schon einige hundert Meter
von der Bahn in nichts versinken. Damit stimmt überein, daß man sogar
in Japan selbst, z. B. in Uokohama, einer Menge chinesischer Handwerker
begegnet. , ,

Ich halte deshalb den Japaner nicht für einen eigentlichen Kolonisator.
Er wird, wie der Franzose, manches große Unternehmen außerhalb seines
Landes planen, organisieren und daraus Renten ziehen können, aber der einzelne
Japaner geht ungern aus seiner Heimat fort, paßt sich auf die Dauer schwer
fremden Verhältnissen an und hat in: ganzen weniger Aussicht, in der Fremde
emporzukommen, als der Chinese.

In der russischen Küstenprovinz Sibiriens, vor allem in Wladiwostok,
treten die Chinesen in solchen Massen auf, daß der russische Charakter des Orts
zurücktreten würde, wenn die starke Garnison und Beamtenschaft ihn nicht
wahrten. Wirtschaftlich ist der Chinese hier gar nicht wegzudenken, ohne daß
das ganze Erwerbsleben stocken würde. Ähnlich ist das Bild in kleineren
Orten der Küstenprovinz. Aller Kleinhandel, die meisten Handwerke, der
Gemüsebau, ein großer Teil der Holzfällerer, die Fischerei und die Lokal¬
schiffahrt befinden sich in chinesischen oder koreanischen Händen, dazu stellen sie
die Fabrikarbeiter in der Mehrzahl der nicht fiskalischen Unternehmen. Zwar
sucht Rußland bei Erteilung von Bergwerks- und Holzkonzessionen die
Verwendung russischer Arbeiter durch Vorschriften zu erzwingen, was aber wohl
auf die Dauer ein vergebliches Bemühen bleiben wird.

Den Ausschlag gibt an allen Orten, wo er in Massen auftritt, die
Billigkeit des chinesischen Arbeiters. Er erhält im Durchschnitt in der
Küstenprovinz ca. 75 Kopeken bis 1 Rbl. gegenüber 1 Rbl. bis 1,50 Rbl.,
die der Russe als Tagelohn fordert. Und immer neuer billiger Ersatz strömt
heran für die, die in ihren Ansprüchen gestiegen sind. Manche Chinesen kommen
übrigens zu recht hohen Arbeitslöhnen: so fand ich in der Küstenprovinz einige


Asiatische Arbeit

und Koreaner, Sinn für zähes Jn-die-Höhe-arbeiten, sonderneherfür einen mühelosem
spekulativen Gewinn. Auch lebt er in allen sozialen Schichten gern über seine
Verhältnisse. Setzt man einen Chinesen und einen Japaner irgendwo in der
Welt auf ein ungenutztes Stück Erde, der Chinese wird meiner Meinung nach in
die Höhe kommen, der Japaner nicht. Anders wird die Sache erst da, wo
Kombinationsvermögen, schwierige Überlegungen, großes Geschick und Geschmack
oder gar Arbeiten in Frage kommen, die technisches Wissen oder Einfügen in
moderne Organisation großen Stils verlangen. Dann klebt der Chinese zu sehr
an Traditionen und Vorurteilen, an seinen alten Gilden und alten Gewohn¬
heiten, während der Japaner mit absoluter Vorurteilslosigkeit in materiellen
Dingen, mit seiner leichten Auffassungsgabe und ungeheuren Nachahmungskunst
sich das Beste aus Vorbildern fortgeschrittener Länder aussucht und in staunens¬
werter Weise verwertet. Deshalb hat z. B. in der Mandschurei Japan Großes
an der Südmandschurischen Bahn und im Hafen von Dalni geleistet; man sieht
aber Japans wirtschaftlichen Einfluß in Mulden schon einige hundert Meter
von der Bahn in nichts versinken. Damit stimmt überein, daß man sogar
in Japan selbst, z. B. in Uokohama, einer Menge chinesischer Handwerker
begegnet. , ,

Ich halte deshalb den Japaner nicht für einen eigentlichen Kolonisator.
Er wird, wie der Franzose, manches große Unternehmen außerhalb seines
Landes planen, organisieren und daraus Renten ziehen können, aber der einzelne
Japaner geht ungern aus seiner Heimat fort, paßt sich auf die Dauer schwer
fremden Verhältnissen an und hat in: ganzen weniger Aussicht, in der Fremde
emporzukommen, als der Chinese.

In der russischen Küstenprovinz Sibiriens, vor allem in Wladiwostok,
treten die Chinesen in solchen Massen auf, daß der russische Charakter des Orts
zurücktreten würde, wenn die starke Garnison und Beamtenschaft ihn nicht
wahrten. Wirtschaftlich ist der Chinese hier gar nicht wegzudenken, ohne daß
das ganze Erwerbsleben stocken würde. Ähnlich ist das Bild in kleineren
Orten der Küstenprovinz. Aller Kleinhandel, die meisten Handwerke, der
Gemüsebau, ein großer Teil der Holzfällerer, die Fischerei und die Lokal¬
schiffahrt befinden sich in chinesischen oder koreanischen Händen, dazu stellen sie
die Fabrikarbeiter in der Mehrzahl der nicht fiskalischen Unternehmen. Zwar
sucht Rußland bei Erteilung von Bergwerks- und Holzkonzessionen die
Verwendung russischer Arbeiter durch Vorschriften zu erzwingen, was aber wohl
auf die Dauer ein vergebliches Bemühen bleiben wird.

Den Ausschlag gibt an allen Orten, wo er in Massen auftritt, die
Billigkeit des chinesischen Arbeiters. Er erhält im Durchschnitt in der
Küstenprovinz ca. 75 Kopeken bis 1 Rbl. gegenüber 1 Rbl. bis 1,50 Rbl.,
die der Russe als Tagelohn fordert. Und immer neuer billiger Ersatz strömt
heran für die, die in ihren Ansprüchen gestiegen sind. Manche Chinesen kommen
übrigens zu recht hohen Arbeitslöhnen: so fand ich in der Küstenprovinz einige


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[0298] Asiatische Arbeit und Koreaner, Sinn für zähes Jn-die-Höhe-arbeiten, sonderneherfür einen mühelosem spekulativen Gewinn. Auch lebt er in allen sozialen Schichten gern über seine Verhältnisse. Setzt man einen Chinesen und einen Japaner irgendwo in der Welt auf ein ungenutztes Stück Erde, der Chinese wird meiner Meinung nach in die Höhe kommen, der Japaner nicht. Anders wird die Sache erst da, wo Kombinationsvermögen, schwierige Überlegungen, großes Geschick und Geschmack oder gar Arbeiten in Frage kommen, die technisches Wissen oder Einfügen in moderne Organisation großen Stils verlangen. Dann klebt der Chinese zu sehr an Traditionen und Vorurteilen, an seinen alten Gilden und alten Gewohn¬ heiten, während der Japaner mit absoluter Vorurteilslosigkeit in materiellen Dingen, mit seiner leichten Auffassungsgabe und ungeheuren Nachahmungskunst sich das Beste aus Vorbildern fortgeschrittener Länder aussucht und in staunens¬ werter Weise verwertet. Deshalb hat z. B. in der Mandschurei Japan Großes an der Südmandschurischen Bahn und im Hafen von Dalni geleistet; man sieht aber Japans wirtschaftlichen Einfluß in Mulden schon einige hundert Meter von der Bahn in nichts versinken. Damit stimmt überein, daß man sogar in Japan selbst, z. B. in Uokohama, einer Menge chinesischer Handwerker begegnet. , , Ich halte deshalb den Japaner nicht für einen eigentlichen Kolonisator. Er wird, wie der Franzose, manches große Unternehmen außerhalb seines Landes planen, organisieren und daraus Renten ziehen können, aber der einzelne Japaner geht ungern aus seiner Heimat fort, paßt sich auf die Dauer schwer fremden Verhältnissen an und hat in: ganzen weniger Aussicht, in der Fremde emporzukommen, als der Chinese. In der russischen Küstenprovinz Sibiriens, vor allem in Wladiwostok, treten die Chinesen in solchen Massen auf, daß der russische Charakter des Orts zurücktreten würde, wenn die starke Garnison und Beamtenschaft ihn nicht wahrten. Wirtschaftlich ist der Chinese hier gar nicht wegzudenken, ohne daß das ganze Erwerbsleben stocken würde. Ähnlich ist das Bild in kleineren Orten der Küstenprovinz. Aller Kleinhandel, die meisten Handwerke, der Gemüsebau, ein großer Teil der Holzfällerer, die Fischerei und die Lokal¬ schiffahrt befinden sich in chinesischen oder koreanischen Händen, dazu stellen sie die Fabrikarbeiter in der Mehrzahl der nicht fiskalischen Unternehmen. Zwar sucht Rußland bei Erteilung von Bergwerks- und Holzkonzessionen die Verwendung russischer Arbeiter durch Vorschriften zu erzwingen, was aber wohl auf die Dauer ein vergebliches Bemühen bleiben wird. Den Ausschlag gibt an allen Orten, wo er in Massen auftritt, die Billigkeit des chinesischen Arbeiters. Er erhält im Durchschnitt in der Küstenprovinz ca. 75 Kopeken bis 1 Rbl. gegenüber 1 Rbl. bis 1,50 Rbl., die der Russe als Tagelohn fordert. Und immer neuer billiger Ersatz strömt heran für die, die in ihren Ansprüchen gestiegen sind. Manche Chinesen kommen übrigens zu recht hohen Arbeitslöhnen: so fand ich in der Küstenprovinz einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/298>, abgerufen am 23.07.2024.