Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.vom Erbrecht der Rinder durch anderweitige Verwendung der vier Fünftel erzielt werden könnten. Man Das sind unbestreitbare Wahrheiten, für die die Erfahrung des täglichen Legen solche Erwägungen den Gedanken an eine zweckmäßige Änderung vom Erbrecht der Rinder durch anderweitige Verwendung der vier Fünftel erzielt werden könnten. Man Das sind unbestreitbare Wahrheiten, für die die Erfahrung des täglichen Legen solche Erwägungen den Gedanken an eine zweckmäßige Änderung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316567"/> <fw type="header" place="top"> vom Erbrecht der Rinder</fw><lb/> <p xml:id="ID_1128" prev="#ID_1127"> durch anderweitige Verwendung der vier Fünftel erzielt werden könnten. Man<lb/> solle aufhören zu glauben, das Beste, das man für den Gegenstand seiner<lb/> Zuneigung tun könne, bestehe darin, immer mehr Geld für ihn aufzuhäufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1129"> Das sind unbestreitbare Wahrheiten, für die die Erfahrung des täglichen<lb/> Lebens die Beweise liefert. Menschlich ist es gewiß begreiflich, wenn Eltern<lb/> sich unausgesetzt bemühen, ihren Kindern eine behagliche Existenz zu sichern,<lb/> wenn sie meinen, jedes Tausend Mark mehr, das sie ihnen hinterlassen, verbürge<lb/> sicherer das Lebensglück ihrer Kinder. Und es ist doch ein verhängnisvoller<lb/> Irrtum. Die Eltern selbst haben in der überwiegenden Mehrzahl das Glück<lb/> ihres Lebeus nicht im bequemen Genuß vorhandenen Reichtums, sondern in<lb/> angestrengter Tätigkeit, in der Freude am Erwerb, an der Fürsorge für ihre<lb/> Familie gefunden. In bester Absicht bringen sie ihre Kinder um dieses Glücks¬<lb/> gefühl, indem sie ihnen ein fertiges Vermögen in den Schoß werfen. Die Not<lb/> treibt zur Arbeit, nicht der Überfluß. Der Kaufmann setzt sich erst dann zur<lb/> Ruhe, wenn er genug zu leben hat; der Beamte läßt sich pensionieren, sobald<lb/> er durch seine Tätigkeit den Höchstbetrag der Pension erreicht hat. Ist aber<lb/> das regelmäßige Ziel der Lebensarbeit durch die Freigebigkeit der Eltern von<lb/> vornherein gegeben, so wird damit dem Sohne der stärkste Antrieb, die eigene<lb/> Persönlichkeit im Kampf des Lebens einzusetzen, entzogen; wenn er sich sagt<lb/> und glaubt, was andere ihm sagen, daß er es ja nicht nötig habe, zu arbeiten,<lb/> so kann man ihm kaum verdenken, daß er danach handelt. Großer Besitz lahmt<lb/> naturgemäß die Arbeitslust und damit die Arbeitskraft. Daher kommt es, daß<lb/> in so vielen Fällen die mit reichen: Erbe ausgerüsteten Kinder in: Leben nicht<lb/> vorwärtskommen, daß erworbener Reichtum erfahrungsgemäß mehrere Gene¬<lb/> rationen selten überdauert. Das Gegenteil vou dem, was die Liebe der Eltern<lb/> anstrebt, wird erreicht. Gewiß gibt es auch Verhältnisse, in denen bei großen<lb/> Mitteln die Arbeit als Selbstzweck erscheint, in denen starker Schaffensdrang<lb/> immer neue materielle und ideale Werte erzeugt, — aber die Regel ist das nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1130" next="#ID_1131"> Legen solche Erwägungen den Gedanken an eine zweckmäßige Änderung<lb/> des Erbrechts nahe, so erhebt sich das Bedenken, ob es recht ist, an eine so<lb/> ehrwürdige Institution zu rühren, ob man damit nicht auf eine schiefe Ebene<lb/> kommt, auf der es kein Halten mehr gibt. Zugegeben ist, daß Änderungen auf<lb/> wichtigen Rechtsgebieten nur sehr behutsam vorgenommen werden sollen. Doch<lb/> darf man bezweifeln, ob das in Deutschland derzeit geltende Erbrecht besonderen<lb/> Anspruch auf pietätvolle Erhaltung, auf Unfehlbarkeit erheben kann. Auf<lb/> deutschem Boden ist es nicht gewachsen. Es besteht im wesentlichen aus römisch¬<lb/> byzantinischen Gesetzen, wie sie im sechsten Jahrhundert zusammengestellt wurden.<lb/> Aus einer beklagenswerten Überschätzung der ausländischen Erzeugnisse unter¬<lb/> blieb auch die notwendige Fortentwickelung des fremden Rechts. Obwohl sich<lb/> seit einem halben Jahrtausend auf dem Gebiete des Verkehrs, der Familien-<lb/> und Gemeindeverhältnisse gründliche Umwälzungen vollzogen haben, obwohl die<lb/> staatlichen Leistungen und Bedürfnisse unendlich gewachsen sind, blieb das Erb-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
vom Erbrecht der Rinder
durch anderweitige Verwendung der vier Fünftel erzielt werden könnten. Man
solle aufhören zu glauben, das Beste, das man für den Gegenstand seiner
Zuneigung tun könne, bestehe darin, immer mehr Geld für ihn aufzuhäufen.
Das sind unbestreitbare Wahrheiten, für die die Erfahrung des täglichen
Lebens die Beweise liefert. Menschlich ist es gewiß begreiflich, wenn Eltern
sich unausgesetzt bemühen, ihren Kindern eine behagliche Existenz zu sichern,
wenn sie meinen, jedes Tausend Mark mehr, das sie ihnen hinterlassen, verbürge
sicherer das Lebensglück ihrer Kinder. Und es ist doch ein verhängnisvoller
Irrtum. Die Eltern selbst haben in der überwiegenden Mehrzahl das Glück
ihres Lebeus nicht im bequemen Genuß vorhandenen Reichtums, sondern in
angestrengter Tätigkeit, in der Freude am Erwerb, an der Fürsorge für ihre
Familie gefunden. In bester Absicht bringen sie ihre Kinder um dieses Glücks¬
gefühl, indem sie ihnen ein fertiges Vermögen in den Schoß werfen. Die Not
treibt zur Arbeit, nicht der Überfluß. Der Kaufmann setzt sich erst dann zur
Ruhe, wenn er genug zu leben hat; der Beamte läßt sich pensionieren, sobald
er durch seine Tätigkeit den Höchstbetrag der Pension erreicht hat. Ist aber
das regelmäßige Ziel der Lebensarbeit durch die Freigebigkeit der Eltern von
vornherein gegeben, so wird damit dem Sohne der stärkste Antrieb, die eigene
Persönlichkeit im Kampf des Lebens einzusetzen, entzogen; wenn er sich sagt
und glaubt, was andere ihm sagen, daß er es ja nicht nötig habe, zu arbeiten,
so kann man ihm kaum verdenken, daß er danach handelt. Großer Besitz lahmt
naturgemäß die Arbeitslust und damit die Arbeitskraft. Daher kommt es, daß
in so vielen Fällen die mit reichen: Erbe ausgerüsteten Kinder in: Leben nicht
vorwärtskommen, daß erworbener Reichtum erfahrungsgemäß mehrere Gene¬
rationen selten überdauert. Das Gegenteil vou dem, was die Liebe der Eltern
anstrebt, wird erreicht. Gewiß gibt es auch Verhältnisse, in denen bei großen
Mitteln die Arbeit als Selbstzweck erscheint, in denen starker Schaffensdrang
immer neue materielle und ideale Werte erzeugt, — aber die Regel ist das nicht.
Legen solche Erwägungen den Gedanken an eine zweckmäßige Änderung
des Erbrechts nahe, so erhebt sich das Bedenken, ob es recht ist, an eine so
ehrwürdige Institution zu rühren, ob man damit nicht auf eine schiefe Ebene
kommt, auf der es kein Halten mehr gibt. Zugegeben ist, daß Änderungen auf
wichtigen Rechtsgebieten nur sehr behutsam vorgenommen werden sollen. Doch
darf man bezweifeln, ob das in Deutschland derzeit geltende Erbrecht besonderen
Anspruch auf pietätvolle Erhaltung, auf Unfehlbarkeit erheben kann. Auf
deutschem Boden ist es nicht gewachsen. Es besteht im wesentlichen aus römisch¬
byzantinischen Gesetzen, wie sie im sechsten Jahrhundert zusammengestellt wurden.
Aus einer beklagenswerten Überschätzung der ausländischen Erzeugnisse unter¬
blieb auch die notwendige Fortentwickelung des fremden Rechts. Obwohl sich
seit einem halben Jahrtausend auf dem Gebiete des Verkehrs, der Familien-
und Gemeindeverhältnisse gründliche Umwälzungen vollzogen haben, obwohl die
staatlichen Leistungen und Bedürfnisse unendlich gewachsen sind, blieb das Erb-
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