Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.Die Tilgung der Reichsschuld durch das Erbrecht des Reiches wichtigsten Pflichten der Familie vom Staat und Reich übernommen sind, Diese Forderungen lassen sich zu nachstehenden Grnndziigen eines Gesetzes § 1. In Ermangelung eines Testamentes werden die Seitenverwandten -- Z 2. Geschwisterkinder sind berechtigt, landwirtschaftliche Grundstücke für Z 3. Die Reichskasse kann Erbschaften ausschlagen, wie andere Erben. § 4. Die Gemeinde, in welcher der Erblasser seinen letzten Wohnsitz Z 5. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen § 6. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf von zwei Wochen nach dem Tage Nach der von mir aufgestellten Berechnung, "Erbrechtsreform" (Berlin So streiten für das Erbrecht des Reiches die stärksten idealen und materiellen Grenzboten in 191021
Die Tilgung der Reichsschuld durch das Erbrecht des Reiches wichtigsten Pflichten der Familie vom Staat und Reich übernommen sind, Diese Forderungen lassen sich zu nachstehenden Grnndziigen eines Gesetzes § 1. In Ermangelung eines Testamentes werden die Seitenverwandten — Z 2. Geschwisterkinder sind berechtigt, landwirtschaftliche Grundstücke für Z 3. Die Reichskasse kann Erbschaften ausschlagen, wie andere Erben. § 4. Die Gemeinde, in welcher der Erblasser seinen letzten Wohnsitz Z 5. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen § 6. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf von zwei Wochen nach dem Tage Nach der von mir aufgestellten Berechnung, „Erbrechtsreform" (Berlin So streiten für das Erbrecht des Reiches die stärksten idealen und materiellen Grenzboten in 191021
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316486"/> <fw type="header" place="top"> Die Tilgung der Reichsschuld durch das Erbrecht des Reiches</fw><lb/> <p xml:id="ID_729" prev="#ID_728"> wichtigsten Pflichten der Familie vom Staat und Reich übernommen sind,<lb/> gebühren diesen Verbänden auch die Rechte, die ehemals die Gegenleistung für<lb/> jene Pflichten bildeten. Nach heutigen: Empfinden ist kein Raum für lachende<lb/> Erben in einem Staatswesen, in dem Millionen vom Ertrage harter Arbeit ihr<lb/> Leben fristen und überdies schwere Pflichten gegen den Staat erfüllen. Deswegen<lb/> sollten endlich die lachenden Erben verschwinden, — wenn sie sich nicht auf<lb/> ausdrückliche testamentarische Einsetzung berufen können, — und ersetzt werden<lb/> durch das Deutsche Reich.</p><lb/> <p xml:id="ID_730"> Diese Forderungen lassen sich zu nachstehenden Grnndziigen eines Gesetzes<lb/> „über das Erbrecht des Reiches" zusammenfassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_731"> § 1. In Ermangelung eines Testamentes werden die Seitenverwandten —<lb/> außer deu Geschwistern — als Erben durch die Reichskasse ersetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_732"> Z 2. Geschwisterkinder sind berechtigt, landwirtschaftliche Grundstücke für<lb/> 90 Prozent ihres Wertes aus dem Nachlasse zu erwerben, wenn" sie dies binnen<lb/> zwei Monaten beantragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_733"> Z 3. Die Reichskasse kann Erbschaften ausschlagen, wie andere Erben.</p><lb/> <p xml:id="ID_734"> § 4. Die Gemeinde, in welcher der Erblasser seinen letzten Wohnsitz<lb/> hatte, ist verpflichtet, unverzüglich durch ihren Vorstand ein Verzeichnis des<lb/> Nachlasses aufzunehmen und alle übrigen zur Feststellung des Nachlasses<lb/> dienlichen Schritte zu tun. Sie erhält dafür 5 Prozent des reinen Nachlasses.</p><lb/> <p xml:id="ID_735"> Z 5. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen<lb/> werden durch Kaiserliche Verordnung erlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_736"> § 6. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf von zwei Wochen nach dem Tage<lb/> der Verkündung im Reichs-Gesetz-Blatt in Kraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_737"> Nach der von mir aufgestellten Berechnung, „Erbrechtsreform" (Berlin<lb/> 1908, I. Guttentag), S. 47 ff., beläuft sich die Mehreinnahme aus der<lb/> Reform auf nahezu 500 Millionen jährlich, wovon nach Z 4 des obigen<lb/> Entwurfes nahezu 25 Millionen jährlich den Wohnsitz-Gemeinden zufallen<lb/> würden. Der Ertrag aus dem Reichserbrecht reicht mithin aus, um unter<lb/> Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen in acht Jahren die ganze<lb/> Reichsschuld abzutragen. Die Nichtigkeit der Berechnung ist angesichts des<lb/> überraschenden Ergebnisses gelegentlich in Zweifel gezogen worden, ohne nähere<lb/> Begründung. Wer aber weiß, daß laut der amtlichen Materialien im ganzen<lb/> 5700 Millionen jährlich in Deutschland vererbt werden, dem wird es nicht<lb/> unmöglich erscheinen, daß davon 500 Millionen den lachenden Erben zugunsten<lb/> der Gesamtheit entzogen werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_738"> So streiten für das Erbrecht des Reiches die stärksten idealen und materiellen<lb/> Mächte, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe, aber auch der natürliche Egoismus<lb/> jedes einzelnen, der kein Opfer zu bringen hat, um eine schnelle, gründliche<lb/> Besserung der Finanzlage und damit eine Erleichterung der Steuerlast herbei¬<lb/> zuführen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten in 191021</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
Die Tilgung der Reichsschuld durch das Erbrecht des Reiches
wichtigsten Pflichten der Familie vom Staat und Reich übernommen sind,
gebühren diesen Verbänden auch die Rechte, die ehemals die Gegenleistung für
jene Pflichten bildeten. Nach heutigen: Empfinden ist kein Raum für lachende
Erben in einem Staatswesen, in dem Millionen vom Ertrage harter Arbeit ihr
Leben fristen und überdies schwere Pflichten gegen den Staat erfüllen. Deswegen
sollten endlich die lachenden Erben verschwinden, — wenn sie sich nicht auf
ausdrückliche testamentarische Einsetzung berufen können, — und ersetzt werden
durch das Deutsche Reich.
Diese Forderungen lassen sich zu nachstehenden Grnndziigen eines Gesetzes
„über das Erbrecht des Reiches" zusammenfassen.
§ 1. In Ermangelung eines Testamentes werden die Seitenverwandten —
außer deu Geschwistern — als Erben durch die Reichskasse ersetzt.
Z 2. Geschwisterkinder sind berechtigt, landwirtschaftliche Grundstücke für
90 Prozent ihres Wertes aus dem Nachlasse zu erwerben, wenn" sie dies binnen
zwei Monaten beantragen.
Z 3. Die Reichskasse kann Erbschaften ausschlagen, wie andere Erben.
§ 4. Die Gemeinde, in welcher der Erblasser seinen letzten Wohnsitz
hatte, ist verpflichtet, unverzüglich durch ihren Vorstand ein Verzeichnis des
Nachlasses aufzunehmen und alle übrigen zur Feststellung des Nachlasses
dienlichen Schritte zu tun. Sie erhält dafür 5 Prozent des reinen Nachlasses.
Z 5. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen
werden durch Kaiserliche Verordnung erlassen.
§ 6. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf von zwei Wochen nach dem Tage
der Verkündung im Reichs-Gesetz-Blatt in Kraft.
Nach der von mir aufgestellten Berechnung, „Erbrechtsreform" (Berlin
1908, I. Guttentag), S. 47 ff., beläuft sich die Mehreinnahme aus der
Reform auf nahezu 500 Millionen jährlich, wovon nach Z 4 des obigen
Entwurfes nahezu 25 Millionen jährlich den Wohnsitz-Gemeinden zufallen
würden. Der Ertrag aus dem Reichserbrecht reicht mithin aus, um unter
Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen in acht Jahren die ganze
Reichsschuld abzutragen. Die Nichtigkeit der Berechnung ist angesichts des
überraschenden Ergebnisses gelegentlich in Zweifel gezogen worden, ohne nähere
Begründung. Wer aber weiß, daß laut der amtlichen Materialien im ganzen
5700 Millionen jährlich in Deutschland vererbt werden, dem wird es nicht
unmöglich erscheinen, daß davon 500 Millionen den lachenden Erben zugunsten
der Gesamtheit entzogen werden können.
So streiten für das Erbrecht des Reiches die stärksten idealen und materiellen
Mächte, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe, aber auch der natürliche Egoismus
jedes einzelnen, der kein Opfer zu bringen hat, um eine schnelle, gründliche
Besserung der Finanzlage und damit eine Erleichterung der Steuerlast herbei¬
zuführen.
Grenzboten in 191021
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |