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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Sumurun

ganz undenkbaren Architekturen usw. Kurz -- ein Überbrettl war Smimrun nicht,
ein Brettl auch uicht, höchstens ein Unterbrettl.

Dem Scheich-Theaterdirektor hat der Versuch mit der Tänzerin das Leben
gekostet. Der Bucklige aber ist vom Scheintode erwacht und ist mit Sumurun und
dem Teppichhändler und dem Buckligen und der Tänzerin hinausgehüpft über den
Blumensteg ins neue Leben hinein.

Vergleiche soll man nicht zu Tode Hetzen und Boshciftigkeiten soll man manchmal
unterdrücken. Jeder wird leicht herausfinden, wen man etwa unter dem Aufseher
des Marktes unter den Eunuchen, unter den Alten verstehen kann. Der Vergleich
beginnt auch zu hinken mit dem ernstlichen Tode des Scheichs und seines Sohnes.

Reinhardt lebt und das Publikum auch. Sie sind nicht einmal wesentlich
beschädigt durch die Sumurun-Aufführung. Nur eine heilsame Lehre war diese:
Man soll nichts Widernatürliches ertrotzen wollen und soll sich vor ungerechter
Geringschätzung hüten.

Das Brettl hat seine Berechtigung, so gut wie das Theater, wenn es auch
nicht die gleichen seelischen Werte zu bieten vermag. So verlockend es scheint,
das Brettl "geistig" zu heben -- es geht nicht, weil der Geist nun einmal gar
nichts mit dem Brettl zu schaffen hat und haben soll. Ein Überbrettl in des
Wortes früherer Bedeutung wird nie glücken, wohl aber kann ein Überbrettl
entstehen durch Reinigung des Brettls von allein Gemeinen, Widerwärtigen, das
sich hier und da, ganz überflüssigerweise, auf ihm breit macht. In diesem Sinne
wäre die Auferstehung des Buckligen von: Scheintode wohl denkbar und es wäre
nicht einzusehen, warum ihm die Tänzerin dann ihre Gunst nicht schenken sollte.
Nur der Teppichhändler würde sie stets vergeblich umwerben und den Scheich
wird sie betrügen. Die Verbrettelung des Theaters muß zum Unterbrettl führen,
zu einer ganz traurigen Sache, traurig schon um der Langeweile willen, die ihr
noch unfehlbarer anhaftet als dem Überbrettl.

Der Kassenklemme der heutigen Theater ist mit solchen Erkenntnissen noch
nicht abgeholfen. Aber die Wege zur Abhilfe zeigen sich doch. Entweder Aus¬
harren bei der Kunst. Das ist nur möglich unter Verminderung der ernsten
Bühnen und der Spieltage. In kleinen und mittleren Städten hat es sich längst
erwiesen, daß ein Theater mit kurzer Spielzeit und drei bis vier Spieltagen in
' der Woche allen Ansprüchen genügt. Wer glaubt, daß in der Großstadt verhältnis¬
mäßig viel mehr ernste Theater mit täglichen, fast das ganze Jahr hindurch ein¬
ander ununterbrochen folgenden Vorstellungen bestehen können, der täuscht sich
über die Bedürfnisse der Großstadt, oder, was weit schlimmer ist, er rechnet
damit, daß allabendlich so und so viel tausend Menschen auf ein Theater
"hineinfallen".

Weniger, aber mehr, das muß die Losung werden, auf dem Gebiete des
T Fritz Rumxf heaters, wie auf dem der Kunst überhaupt.




Sumurun

ganz undenkbaren Architekturen usw. Kurz — ein Überbrettl war Smimrun nicht,
ein Brettl auch uicht, höchstens ein Unterbrettl.

Dem Scheich-Theaterdirektor hat der Versuch mit der Tänzerin das Leben
gekostet. Der Bucklige aber ist vom Scheintode erwacht und ist mit Sumurun und
dem Teppichhändler und dem Buckligen und der Tänzerin hinausgehüpft über den
Blumensteg ins neue Leben hinein.

Vergleiche soll man nicht zu Tode Hetzen und Boshciftigkeiten soll man manchmal
unterdrücken. Jeder wird leicht herausfinden, wen man etwa unter dem Aufseher
des Marktes unter den Eunuchen, unter den Alten verstehen kann. Der Vergleich
beginnt auch zu hinken mit dem ernstlichen Tode des Scheichs und seines Sohnes.

Reinhardt lebt und das Publikum auch. Sie sind nicht einmal wesentlich
beschädigt durch die Sumurun-Aufführung. Nur eine heilsame Lehre war diese:
Man soll nichts Widernatürliches ertrotzen wollen und soll sich vor ungerechter
Geringschätzung hüten.

Das Brettl hat seine Berechtigung, so gut wie das Theater, wenn es auch
nicht die gleichen seelischen Werte zu bieten vermag. So verlockend es scheint,
das Brettl „geistig" zu heben — es geht nicht, weil der Geist nun einmal gar
nichts mit dem Brettl zu schaffen hat und haben soll. Ein Überbrettl in des
Wortes früherer Bedeutung wird nie glücken, wohl aber kann ein Überbrettl
entstehen durch Reinigung des Brettls von allein Gemeinen, Widerwärtigen, das
sich hier und da, ganz überflüssigerweise, auf ihm breit macht. In diesem Sinne
wäre die Auferstehung des Buckligen von: Scheintode wohl denkbar und es wäre
nicht einzusehen, warum ihm die Tänzerin dann ihre Gunst nicht schenken sollte.
Nur der Teppichhändler würde sie stets vergeblich umwerben und den Scheich
wird sie betrügen. Die Verbrettelung des Theaters muß zum Unterbrettl führen,
zu einer ganz traurigen Sache, traurig schon um der Langeweile willen, die ihr
noch unfehlbarer anhaftet als dem Überbrettl.

Der Kassenklemme der heutigen Theater ist mit solchen Erkenntnissen noch
nicht abgeholfen. Aber die Wege zur Abhilfe zeigen sich doch. Entweder Aus¬
harren bei der Kunst. Das ist nur möglich unter Verminderung der ernsten
Bühnen und der Spieltage. In kleinen und mittleren Städten hat es sich längst
erwiesen, daß ein Theater mit kurzer Spielzeit und drei bis vier Spieltagen in
' der Woche allen Ansprüchen genügt. Wer glaubt, daß in der Großstadt verhältnis¬
mäßig viel mehr ernste Theater mit täglichen, fast das ganze Jahr hindurch ein¬
ander ununterbrochen folgenden Vorstellungen bestehen können, der täuscht sich
über die Bedürfnisse der Großstadt, oder, was weit schlimmer ist, er rechnet
damit, daß allabendlich so und so viel tausend Menschen auf ein Theater
„hineinfallen".

Weniger, aber mehr, das muß die Losung werden, auf dem Gebiete des
T Fritz Rumxf heaters, wie auf dem der Kunst überhaupt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/451>, abgerufen am 28.09.2024.