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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Gebet für ein wachsendes Heuer
Verschone mich, Freunde, mit den Koryphäen.
Der laute Ruhm, er macht sie gipfelblind.
Daß gipfelstolz sie nie zur Zeit erspähen.
Wie sie ja längst schon wieder unten sind. Verschone mich mit dem Seienden und Großen,
Der fertig seinen Ruhmesbakel schwingt,
Der, gestern schon vom Postament gestoßen,
Sich heut noch balsamierte Hymnen singt. Wie er sich spreizt und wie er voll Gefallen
Sich sonnen will an kalt gewordnen Ruhm,
Ließ längst ein andrer sich die Brünne schnallen
Und wirft den alten Krempel-Tempel um. Und deu zu sehn in seinem ersten Willen,
Zu wissen, daß er einst die Schlachten schlägt,
Zu sehn, wie arbeitsglühend er im Stillen
Zu neuem Bau schon Stein zu Steine trägt. Wie tausendfältig hier lebendge Säfte
Ein WillenSfeuer siegerstolz durchkreist,
Den morschen Zierat alter Lnuzenschäfte
Ein Schwertschlag lachend in die Ecke schmeißt, Die Zukunft fühlen und dies Feuer kennen,
Das, heimlich wachsend, eignen Glanz gebiert,
Und, muß es an sich selber nicht verbrennen,
Sein Licht einst schenkend an die Welt verliert, -- spring hoch, o Lust! -- so Werdendes zu schauen
An fremdem Leben, geht wie Glück ins Blut.
Wo, Flamme, brennst du hin? Zu Glanz? Zu Grauen?
Ihr Götter, hütet, segnet solche Glut!

Adolf Pettenz


Greuzlwwi II 191022


Gebet für ein wachsendes Heuer
Verschone mich, Freunde, mit den Koryphäen.
Der laute Ruhm, er macht sie gipfelblind.
Daß gipfelstolz sie nie zur Zeit erspähen.
Wie sie ja längst schon wieder unten sind. Verschone mich mit dem Seienden und Großen,
Der fertig seinen Ruhmesbakel schwingt,
Der, gestern schon vom Postament gestoßen,
Sich heut noch balsamierte Hymnen singt. Wie er sich spreizt und wie er voll Gefallen
Sich sonnen will an kalt gewordnen Ruhm,
Ließ längst ein andrer sich die Brünne schnallen
Und wirft den alten Krempel-Tempel um. Und deu zu sehn in seinem ersten Willen,
Zu wissen, daß er einst die Schlachten schlägt,
Zu sehn, wie arbeitsglühend er im Stillen
Zu neuem Bau schon Stein zu Steine trägt. Wie tausendfältig hier lebendge Säfte
Ein WillenSfeuer siegerstolz durchkreist,
Den morschen Zierat alter Lnuzenschäfte
Ein Schwertschlag lachend in die Ecke schmeißt, Die Zukunft fühlen und dies Feuer kennen,
Das, heimlich wachsend, eignen Glanz gebiert,
Und, muß es an sich selber nicht verbrennen,
Sein Licht einst schenkend an die Welt verliert, — spring hoch, o Lust! — so Werdendes zu schauen
An fremdem Leben, geht wie Glück ins Blut.
Wo, Flamme, brennst du hin? Zu Glanz? Zu Grauen?
Ihr Götter, hütet, segnet solche Glut!

Adolf Pettenz


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[0181] [Abbildung] Gebet für ein wachsendes Heuer Verschone mich, Freunde, mit den Koryphäen. Der laute Ruhm, er macht sie gipfelblind. Daß gipfelstolz sie nie zur Zeit erspähen. Wie sie ja längst schon wieder unten sind. Verschone mich mit dem Seienden und Großen, Der fertig seinen Ruhmesbakel schwingt, Der, gestern schon vom Postament gestoßen, Sich heut noch balsamierte Hymnen singt. Wie er sich spreizt und wie er voll Gefallen Sich sonnen will an kalt gewordnen Ruhm, Ließ längst ein andrer sich die Brünne schnallen Und wirft den alten Krempel-Tempel um. Und deu zu sehn in seinem ersten Willen, Zu wissen, daß er einst die Schlachten schlägt, Zu sehn, wie arbeitsglühend er im Stillen Zu neuem Bau schon Stein zu Steine trägt. Wie tausendfältig hier lebendge Säfte Ein WillenSfeuer siegerstolz durchkreist, Den morschen Zierat alter Lnuzenschäfte Ein Schwertschlag lachend in die Ecke schmeißt, Die Zukunft fühlen und dies Feuer kennen, Das, heimlich wachsend, eignen Glanz gebiert, Und, muß es an sich selber nicht verbrennen, Sein Licht einst schenkend an die Welt verliert, — spring hoch, o Lust! — so Werdendes zu schauen An fremdem Leben, geht wie Glück ins Blut. Wo, Flamme, brennst du hin? Zu Glanz? Zu Grauen? Ihr Götter, hütet, segnet solche Glut! Adolf Pettenz Greuzlwwi II 191022

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/181>, abgerufen am 29.06.2024.