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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt

gleichberechtigt einander gegenüber. Ja, es fehlt anscheinend selbst eine Stelle,
die rein äußerlich den Verkehr zwischen den einzelnen Ministerien vermittelte.
Der Ministerpräsident hat Leitungsbefugnisse wohl nur in Angelegenheiten, die
das Staatsministerium als Ganzes betreffen. Will also ein einzelnes Ministerium
Sachen anregen, die ein andres Ressort berühren, dann ist es auf Verhandlungen
wie von Macht zu Macht angewiesen. Ob, wann und wie das andre Ressort
auf die Anregung eingehen will, steht lediglich bei ihm. Daß ein solches
Gegenteil einer einheitlichen Verfassung, wie es das preußische Staatsministerium
aufweist, schon rein verwaltungstechnisch und erst recht politisch zu den größten
Übelständen führen muß, liegt auf der Hand und wird wohl auch nicht ernstlich
bestritten. --

Endlich macht sich auch auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation überall
wiederum der Einfluß der wiederholt erwähnten Veränderungen in den allgemeinen
Verhältnissen geltend. Freiherr von Zedlitz vergleicht gelegentlich die heutige
Verwaltung mit einer Mühle, die zwar noch wie früher klappere, aber nicht
mehr entsprechendes Mehl liefere. Er schließt daraus ohne weiteres, daß der
Bau der Mühle veraltet sei. In Wirklichkeit ist die Mühle im allgemeinen
noch ganz gut imstande, aber es wird ihr jetzt mehr Mahlgut zugeführt, als sie
nach dem Umfang ihres Werks verarbeiten kann, und vor allem können die
Meister die Arbeit nicht mehr richtig einteilen und leiten. Oder ohne Bild:
Behörden von dem heutigen Umfang des Kultusnnnisteriums oder des Arbeits¬
ministeriums oder der Regierungen in Düsseldorf, Arnsberg, Potsdam, Oppeln,
Posen können unmöglich mehr von einem Mann übersehen, geschweige denn
geleitet werden, anch wenn er ein Titane an Geistes- und Arbeitskraft wäre.
Aber dieser Zustand besteht schon lange, und daß dem so ist, kann, wie ich
früher bemerkt habe, nur persönliche Gründe haben. Es ist also in der Tat
insofern ein Zusammenhang zwischen den Mißständen auf den Gebieten des
Geschäftsbetriebs und der Verwaltungsorganisation vorhanden, als sie auf den¬
selben Grundlagen erwachsen, den persönlichen Verhältnissen. Jeden andern
Zusammenhang muß ich leugnen.




Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt

gleichberechtigt einander gegenüber. Ja, es fehlt anscheinend selbst eine Stelle,
die rein äußerlich den Verkehr zwischen den einzelnen Ministerien vermittelte.
Der Ministerpräsident hat Leitungsbefugnisse wohl nur in Angelegenheiten, die
das Staatsministerium als Ganzes betreffen. Will also ein einzelnes Ministerium
Sachen anregen, die ein andres Ressort berühren, dann ist es auf Verhandlungen
wie von Macht zu Macht angewiesen. Ob, wann und wie das andre Ressort
auf die Anregung eingehen will, steht lediglich bei ihm. Daß ein solches
Gegenteil einer einheitlichen Verfassung, wie es das preußische Staatsministerium
aufweist, schon rein verwaltungstechnisch und erst recht politisch zu den größten
Übelständen führen muß, liegt auf der Hand und wird wohl auch nicht ernstlich
bestritten. —

Endlich macht sich auch auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation überall
wiederum der Einfluß der wiederholt erwähnten Veränderungen in den allgemeinen
Verhältnissen geltend. Freiherr von Zedlitz vergleicht gelegentlich die heutige
Verwaltung mit einer Mühle, die zwar noch wie früher klappere, aber nicht
mehr entsprechendes Mehl liefere. Er schließt daraus ohne weiteres, daß der
Bau der Mühle veraltet sei. In Wirklichkeit ist die Mühle im allgemeinen
noch ganz gut imstande, aber es wird ihr jetzt mehr Mahlgut zugeführt, als sie
nach dem Umfang ihres Werks verarbeiten kann, und vor allem können die
Meister die Arbeit nicht mehr richtig einteilen und leiten. Oder ohne Bild:
Behörden von dem heutigen Umfang des Kultusnnnisteriums oder des Arbeits¬
ministeriums oder der Regierungen in Düsseldorf, Arnsberg, Potsdam, Oppeln,
Posen können unmöglich mehr von einem Mann übersehen, geschweige denn
geleitet werden, anch wenn er ein Titane an Geistes- und Arbeitskraft wäre.
Aber dieser Zustand besteht schon lange, und daß dem so ist, kann, wie ich
früher bemerkt habe, nur persönliche Gründe haben. Es ist also in der Tat
insofern ein Zusammenhang zwischen den Mißständen auf den Gebieten des
Geschäftsbetriebs und der Verwaltungsorganisation vorhanden, als sie auf den¬
selben Grundlagen erwachsen, den persönlichen Verhältnissen. Jeden andern
Zusammenhang muß ich leugnen.




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[0137] Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt gleichberechtigt einander gegenüber. Ja, es fehlt anscheinend selbst eine Stelle, die rein äußerlich den Verkehr zwischen den einzelnen Ministerien vermittelte. Der Ministerpräsident hat Leitungsbefugnisse wohl nur in Angelegenheiten, die das Staatsministerium als Ganzes betreffen. Will also ein einzelnes Ministerium Sachen anregen, die ein andres Ressort berühren, dann ist es auf Verhandlungen wie von Macht zu Macht angewiesen. Ob, wann und wie das andre Ressort auf die Anregung eingehen will, steht lediglich bei ihm. Daß ein solches Gegenteil einer einheitlichen Verfassung, wie es das preußische Staatsministerium aufweist, schon rein verwaltungstechnisch und erst recht politisch zu den größten Übelständen führen muß, liegt auf der Hand und wird wohl auch nicht ernstlich bestritten. — Endlich macht sich auch auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation überall wiederum der Einfluß der wiederholt erwähnten Veränderungen in den allgemeinen Verhältnissen geltend. Freiherr von Zedlitz vergleicht gelegentlich die heutige Verwaltung mit einer Mühle, die zwar noch wie früher klappere, aber nicht mehr entsprechendes Mehl liefere. Er schließt daraus ohne weiteres, daß der Bau der Mühle veraltet sei. In Wirklichkeit ist die Mühle im allgemeinen noch ganz gut imstande, aber es wird ihr jetzt mehr Mahlgut zugeführt, als sie nach dem Umfang ihres Werks verarbeiten kann, und vor allem können die Meister die Arbeit nicht mehr richtig einteilen und leiten. Oder ohne Bild: Behörden von dem heutigen Umfang des Kultusnnnisteriums oder des Arbeits¬ ministeriums oder der Regierungen in Düsseldorf, Arnsberg, Potsdam, Oppeln, Posen können unmöglich mehr von einem Mann übersehen, geschweige denn geleitet werden, anch wenn er ein Titane an Geistes- und Arbeitskraft wäre. Aber dieser Zustand besteht schon lange, und daß dem so ist, kann, wie ich früher bemerkt habe, nur persönliche Gründe haben. Es ist also in der Tat insofern ein Zusammenhang zwischen den Mißständen auf den Gebieten des Geschäftsbetriebs und der Verwaltungsorganisation vorhanden, als sie auf den¬ selben Grundlagen erwachsen, den persönlichen Verhältnissen. Jeden andern Zusammenhang muß ich leugnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/137>, abgerufen am 22.07.2024.