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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die Verwaltung der geistigen Güter

allerhöchsten Bedeutung. Sind sie aber das, so muß das politische Interesse
sich auch auf die "Urheber" der kulturellen Werte erstrecken und die Frage nach
der Verwaltung der geistigen Güter wird eine Frage von nationalem Rang.

Wie entlohnt das Urhebergesetz den Produzenten des künstlerischen Metalls?
Wir brauchen diese Frage nur zu beantworten, um sofort mitten in das ganze
Problem Hineinzugeraten. Das Urheberrecht gibt ihn: die Verfügung über den
geschäftlichen Ertrag seiner Arbeit, es gibt ihm aber nichts, wenn dieser Ertrag
etwa ausbleiben sollte. Wenn also der geschäftliche Ertrag in einem geraden
Verhältnis zum kulturellen Wert stehen sollte, ist das Urheberrecht in der besten
Ordnung, wenn das aber nicht der Fall sein sollte, gibt es dem Produzenten
eine Anweisung auf das leere Nichts. Es braucht an dieser Stelle keiner
langen Ausführungen, um dem Leser die Überzeugung beizubringen, daß in der
Tat gerade der originale Urheber auf das leere Nichts verwiesen wird. Der
originale Künstler ist zunächst dem Publikum fremd, eben weil er original ist;
das liegt im Begriff. Wer mit einem Selbst daherkomme, darf nicht so ohne
weiteres auf den Beifall der anderen rechnen; sein Selbst muß erst in langer
und langsamer Eroberung von ihnen Besitz ergreifen, bevor in immer mehr
Menschen die Sehnsucht nach der persönlichen Bereicherung erwacht. Bleibt
aber der Beifall aus, so auch der geschäftliche Erfolg, und der kulturelle Produzent
steht ratlos mit seiner Anweisung auf das Nichts in den Händen. Wer aber
bringt, was dem Publikum bereits vertraut ist, wer also im Grunde gar nichts
bringt, dem erschallt der Beifall, dem winkt der geschäftliche Erfolg und den
bekränzt das moderne Urheberrecht. Avenarius hat sehr lehrreiche Beispiele
zusammengebracht, die dem konkreten Leben entnommen sind und die Wirkungen
des Urheberrechtes in sehr bitterer Weise illustrieren. Eins davon bietet dem
Beschauer dieses Bild: "Ein Denker ist in Armut gestorben. Golderz sieht nur
für den Kenner nach Gold aus; seine Bücher gingen nicht; sie waren für das
Verständnis der vielen zu schwer. Aber an drei Stellen im Reich sind Tiegel
aufgebaut, bei denen sitzen nützlich Beflissene, die ausschmelzen, und was sie
gewinnen, in gangbare Münze prägen. Die fährt nun für ihre Rechnung
durch tausend Kanäle über Land, während schöne Waren im Tausch dafür
heimschwimmen. Reines Gold sind ihre Münzen ja nicht, aber doch gehalt¬
volle Legierung. Die Hinterlassenen dessen, der den Gehalt gegeben hat, fragen
sich, wieviel mehr er wohl hätte schaffen können, wenn ihn von der Fron an
irgendeinem Ämtchen der fünfte Teil des Geldes gerettet hätte, das seine
Ummünzer und Verwerter nun einsäckeln." Man wird nicht behaupten wollen,
daß dieses Verhältnis zwischen dem originalen Produzenten und den Ummünzern
ihreni wirklichen inneren Verhältnis entspricht. Nichtsdestoweniger aber liefert
der Fall nicht ein vereinzeltes, sondern das typische Bild, und damit ist über
das Urheberrecht vom Standpunkt des Produzenten aus der Stab gebrochen.

Die psychologisch unabänderliche Tatsache aber, daß der originale Künstler
zunächst in der Welt ein Fremder ist, führt noch zu anderen, ebenso unerfreulichen


Die Verwaltung der geistigen Güter

allerhöchsten Bedeutung. Sind sie aber das, so muß das politische Interesse
sich auch auf die „Urheber" der kulturellen Werte erstrecken und die Frage nach
der Verwaltung der geistigen Güter wird eine Frage von nationalem Rang.

Wie entlohnt das Urhebergesetz den Produzenten des künstlerischen Metalls?
Wir brauchen diese Frage nur zu beantworten, um sofort mitten in das ganze
Problem Hineinzugeraten. Das Urheberrecht gibt ihn: die Verfügung über den
geschäftlichen Ertrag seiner Arbeit, es gibt ihm aber nichts, wenn dieser Ertrag
etwa ausbleiben sollte. Wenn also der geschäftliche Ertrag in einem geraden
Verhältnis zum kulturellen Wert stehen sollte, ist das Urheberrecht in der besten
Ordnung, wenn das aber nicht der Fall sein sollte, gibt es dem Produzenten
eine Anweisung auf das leere Nichts. Es braucht an dieser Stelle keiner
langen Ausführungen, um dem Leser die Überzeugung beizubringen, daß in der
Tat gerade der originale Urheber auf das leere Nichts verwiesen wird. Der
originale Künstler ist zunächst dem Publikum fremd, eben weil er original ist;
das liegt im Begriff. Wer mit einem Selbst daherkomme, darf nicht so ohne
weiteres auf den Beifall der anderen rechnen; sein Selbst muß erst in langer
und langsamer Eroberung von ihnen Besitz ergreifen, bevor in immer mehr
Menschen die Sehnsucht nach der persönlichen Bereicherung erwacht. Bleibt
aber der Beifall aus, so auch der geschäftliche Erfolg, und der kulturelle Produzent
steht ratlos mit seiner Anweisung auf das Nichts in den Händen. Wer aber
bringt, was dem Publikum bereits vertraut ist, wer also im Grunde gar nichts
bringt, dem erschallt der Beifall, dem winkt der geschäftliche Erfolg und den
bekränzt das moderne Urheberrecht. Avenarius hat sehr lehrreiche Beispiele
zusammengebracht, die dem konkreten Leben entnommen sind und die Wirkungen
des Urheberrechtes in sehr bitterer Weise illustrieren. Eins davon bietet dem
Beschauer dieses Bild: „Ein Denker ist in Armut gestorben. Golderz sieht nur
für den Kenner nach Gold aus; seine Bücher gingen nicht; sie waren für das
Verständnis der vielen zu schwer. Aber an drei Stellen im Reich sind Tiegel
aufgebaut, bei denen sitzen nützlich Beflissene, die ausschmelzen, und was sie
gewinnen, in gangbare Münze prägen. Die fährt nun für ihre Rechnung
durch tausend Kanäle über Land, während schöne Waren im Tausch dafür
heimschwimmen. Reines Gold sind ihre Münzen ja nicht, aber doch gehalt¬
volle Legierung. Die Hinterlassenen dessen, der den Gehalt gegeben hat, fragen
sich, wieviel mehr er wohl hätte schaffen können, wenn ihn von der Fron an
irgendeinem Ämtchen der fünfte Teil des Geldes gerettet hätte, das seine
Ummünzer und Verwerter nun einsäckeln." Man wird nicht behaupten wollen,
daß dieses Verhältnis zwischen dem originalen Produzenten und den Ummünzern
ihreni wirklichen inneren Verhältnis entspricht. Nichtsdestoweniger aber liefert
der Fall nicht ein vereinzeltes, sondern das typische Bild, und damit ist über
das Urheberrecht vom Standpunkt des Produzenten aus der Stab gebrochen.

Die psychologisch unabänderliche Tatsache aber, daß der originale Künstler
zunächst in der Welt ein Fremder ist, führt noch zu anderen, ebenso unerfreulichen


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[0121] Die Verwaltung der geistigen Güter allerhöchsten Bedeutung. Sind sie aber das, so muß das politische Interesse sich auch auf die „Urheber" der kulturellen Werte erstrecken und die Frage nach der Verwaltung der geistigen Güter wird eine Frage von nationalem Rang. Wie entlohnt das Urhebergesetz den Produzenten des künstlerischen Metalls? Wir brauchen diese Frage nur zu beantworten, um sofort mitten in das ganze Problem Hineinzugeraten. Das Urheberrecht gibt ihn: die Verfügung über den geschäftlichen Ertrag seiner Arbeit, es gibt ihm aber nichts, wenn dieser Ertrag etwa ausbleiben sollte. Wenn also der geschäftliche Ertrag in einem geraden Verhältnis zum kulturellen Wert stehen sollte, ist das Urheberrecht in der besten Ordnung, wenn das aber nicht der Fall sein sollte, gibt es dem Produzenten eine Anweisung auf das leere Nichts. Es braucht an dieser Stelle keiner langen Ausführungen, um dem Leser die Überzeugung beizubringen, daß in der Tat gerade der originale Urheber auf das leere Nichts verwiesen wird. Der originale Künstler ist zunächst dem Publikum fremd, eben weil er original ist; das liegt im Begriff. Wer mit einem Selbst daherkomme, darf nicht so ohne weiteres auf den Beifall der anderen rechnen; sein Selbst muß erst in langer und langsamer Eroberung von ihnen Besitz ergreifen, bevor in immer mehr Menschen die Sehnsucht nach der persönlichen Bereicherung erwacht. Bleibt aber der Beifall aus, so auch der geschäftliche Erfolg, und der kulturelle Produzent steht ratlos mit seiner Anweisung auf das Nichts in den Händen. Wer aber bringt, was dem Publikum bereits vertraut ist, wer also im Grunde gar nichts bringt, dem erschallt der Beifall, dem winkt der geschäftliche Erfolg und den bekränzt das moderne Urheberrecht. Avenarius hat sehr lehrreiche Beispiele zusammengebracht, die dem konkreten Leben entnommen sind und die Wirkungen des Urheberrechtes in sehr bitterer Weise illustrieren. Eins davon bietet dem Beschauer dieses Bild: „Ein Denker ist in Armut gestorben. Golderz sieht nur für den Kenner nach Gold aus; seine Bücher gingen nicht; sie waren für das Verständnis der vielen zu schwer. Aber an drei Stellen im Reich sind Tiegel aufgebaut, bei denen sitzen nützlich Beflissene, die ausschmelzen, und was sie gewinnen, in gangbare Münze prägen. Die fährt nun für ihre Rechnung durch tausend Kanäle über Land, während schöne Waren im Tausch dafür heimschwimmen. Reines Gold sind ihre Münzen ja nicht, aber doch gehalt¬ volle Legierung. Die Hinterlassenen dessen, der den Gehalt gegeben hat, fragen sich, wieviel mehr er wohl hätte schaffen können, wenn ihn von der Fron an irgendeinem Ämtchen der fünfte Teil des Geldes gerettet hätte, das seine Ummünzer und Verwerter nun einsäckeln." Man wird nicht behaupten wollen, daß dieses Verhältnis zwischen dem originalen Produzenten und den Ummünzern ihreni wirklichen inneren Verhältnis entspricht. Nichtsdestoweniger aber liefert der Fall nicht ein vereinzeltes, sondern das typische Bild, und damit ist über das Urheberrecht vom Standpunkt des Produzenten aus der Stab gebrochen. Die psychologisch unabänderliche Tatsache aber, daß der originale Künstler zunächst in der Welt ein Fremder ist, führt noch zu anderen, ebenso unerfreulichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/121>, abgerufen am 22.07.2024.