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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die fremdem Runstausstellungen in Lcrliu

Tatsache jenes Eklektizismus dürfen wir uns ebenfalls keiner Täuschung hingeben.
Und uuter diesem Gesichtswinkel betrachtet bildet eine mit solch machtvollen
"Aplomb" eingeführte Ausstellung fremder Größen zweiten Ranges bei der dem
Fremden gegenüber so entgegenkommenden und empfänglichen Natur der Deutschen
eine Gefahr, die manch ein "englisierender" Porträtist schon sattsam hat erkennen
lassen.

Diese Ausstellungen weisen aber mich noch einen anderen Zug auf, der für
Deutschland nicht ohne Bedenken ist. Berlin ist die Hauptstadt Preußens und
auch Deutschlands dadurch, daß Berlin die Residenz des Deutschen Kaisers ist. Es
ist natürlich, daß in Berlin der internationale Zuschnitt, der mit der Machtstellung
des Deutschen Reiches fraglos verbunden sein muß, am stärksten lebt und erkennbar
wird. Ausstellungen wie die am Pariser Platz betonen diesen Charakter der Im er
Nationalität der Weltstadt Berlin sehr stark. Andere Residenz- und Hauptstädte
müssen daneben scheinbar noch mehr zu "Provinzstädten" herabsinken. Für unser
Vaterland war es aber bisher von einem gar nicht hoch genug einzuschätzenden
Vorteil, daß überall ein einigermaßen gleichartiges Kulturniveau innegehalten
werden konnte, daß Deutschland keinen "Wasserkopf" wie Frankreich in Paris besaß.
Sehen wir die Stunde kommen, in der auch für unser Vaterland diese Gefahr
heraufzieht? Bei aller Freude an der so großartigen Entwickelung unserer Reichs-
hauptstadt darf Berlin in dein soeben berührten Sinne niemals Deutschland werden.

Endlich fragt man sich: Haben etwa in London, in Paris, in New Aort
solche staatlich inszenierten Ausstellungen von Werken deutscher Meister statt¬
gefunden? Hat man jenen Völkern ein geschlossenes Bild deutscher Künstler
geboten, etwa eines A. Graff, eines Kasp. Friedrich, eines Moritz v. Schwind,
eines Ludwig Richter, um bei Größen zweiten Ranges zu bleiben, oder eines
Menzel? Von solchen Ehrungen deutscher Diener der bildenden Kunst haben nur
nie gehört. Und bei allein Weltbürgertum unserer deutschen Gesinnung scheint
es mir geboten, auf ein "alö ut clef" bei Handlungen der "auswärtigen Politik"
in den bildenden Künsten zu bestehen. Es gibt ein Volk, das zum ersten
Male seit dem Bestehen unseres Planeten eine Weltherrschaft begründet hat, die
sich etwa ans zwei Drittel unseres Erdballes direkt oder indirekt erstreckt. Dies
Volt ist das englische. Es ist Herr der Erde geworden, weil es Herr der Meere
ist. Einem jeden deutschen Seemann ist bekannt, daß ein englischer Seefahrer,
solange es sich mit seiner Sicherheit verträgt, aus seinem Bug liegen bleibt und
gemütsruhig andere -- andere sein läßt. Mir scheint es im Hinblick auf unsere
kunst-politischen Liebenswürdigkeiten, die uns im Grnnde sehr wenig geboten
haben, gerechtfertigt, künstig auch auf uuserem Bug, ohne uns viel um Dritte zu
kümmern, weiter zu liegen. Die Pflege des künstlerischen Sinnes darf nicht auf
das Gebiet des politisch sensationellen verpflanzt werden. Minister Delbrück war
meines Erachtens mit seiner angeblichen Entgleisung, mit der Ablehnung des
Protektorats über die geplante amerikanische Kunstgewcrbeausstellung ini
Berthold yaendcke richtigen Gleise.




Die fremdem Runstausstellungen in Lcrliu

Tatsache jenes Eklektizismus dürfen wir uns ebenfalls keiner Täuschung hingeben.
Und uuter diesem Gesichtswinkel betrachtet bildet eine mit solch machtvollen
„Aplomb" eingeführte Ausstellung fremder Größen zweiten Ranges bei der dem
Fremden gegenüber so entgegenkommenden und empfänglichen Natur der Deutschen
eine Gefahr, die manch ein „englisierender" Porträtist schon sattsam hat erkennen
lassen.

Diese Ausstellungen weisen aber mich noch einen anderen Zug auf, der für
Deutschland nicht ohne Bedenken ist. Berlin ist die Hauptstadt Preußens und
auch Deutschlands dadurch, daß Berlin die Residenz des Deutschen Kaisers ist. Es
ist natürlich, daß in Berlin der internationale Zuschnitt, der mit der Machtstellung
des Deutschen Reiches fraglos verbunden sein muß, am stärksten lebt und erkennbar
wird. Ausstellungen wie die am Pariser Platz betonen diesen Charakter der Im er
Nationalität der Weltstadt Berlin sehr stark. Andere Residenz- und Hauptstädte
müssen daneben scheinbar noch mehr zu „Provinzstädten" herabsinken. Für unser
Vaterland war es aber bisher von einem gar nicht hoch genug einzuschätzenden
Vorteil, daß überall ein einigermaßen gleichartiges Kulturniveau innegehalten
werden konnte, daß Deutschland keinen „Wasserkopf" wie Frankreich in Paris besaß.
Sehen wir die Stunde kommen, in der auch für unser Vaterland diese Gefahr
heraufzieht? Bei aller Freude an der so großartigen Entwickelung unserer Reichs-
hauptstadt darf Berlin in dein soeben berührten Sinne niemals Deutschland werden.

Endlich fragt man sich: Haben etwa in London, in Paris, in New Aort
solche staatlich inszenierten Ausstellungen von Werken deutscher Meister statt¬
gefunden? Hat man jenen Völkern ein geschlossenes Bild deutscher Künstler
geboten, etwa eines A. Graff, eines Kasp. Friedrich, eines Moritz v. Schwind,
eines Ludwig Richter, um bei Größen zweiten Ranges zu bleiben, oder eines
Menzel? Von solchen Ehrungen deutscher Diener der bildenden Kunst haben nur
nie gehört. Und bei allein Weltbürgertum unserer deutschen Gesinnung scheint
es mir geboten, auf ein „alö ut clef" bei Handlungen der „auswärtigen Politik"
in den bildenden Künsten zu bestehen. Es gibt ein Volk, das zum ersten
Male seit dem Bestehen unseres Planeten eine Weltherrschaft begründet hat, die
sich etwa ans zwei Drittel unseres Erdballes direkt oder indirekt erstreckt. Dies
Volt ist das englische. Es ist Herr der Erde geworden, weil es Herr der Meere
ist. Einem jeden deutschen Seemann ist bekannt, daß ein englischer Seefahrer,
solange es sich mit seiner Sicherheit verträgt, aus seinem Bug liegen bleibt und
gemütsruhig andere — andere sein läßt. Mir scheint es im Hinblick auf unsere
kunst-politischen Liebenswürdigkeiten, die uns im Grnnde sehr wenig geboten
haben, gerechtfertigt, künstig auch auf uuserem Bug, ohne uns viel um Dritte zu
kümmern, weiter zu liegen. Die Pflege des künstlerischen Sinnes darf nicht auf
das Gebiet des politisch sensationellen verpflanzt werden. Minister Delbrück war
meines Erachtens mit seiner angeblichen Entgleisung, mit der Ablehnung des
Protektorats über die geplante amerikanische Kunstgewcrbeausstellung ini
Berthold yaendcke richtigen Gleise.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/107>, abgerufen am 01.07.2024.