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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wer alles ernst nimmt, wird eine komische Figur.




Die Wohltätigkeit mancher Frauen tut manchem Menschen weh.




Früher schwuren Liebende sich ewige Treue und glaubten fest an die Un¬
wandelbarkeit ihrer Gefühle. Jetzt sagen sie sich ganz nüchtern: "Wenn wir uns
über sind, wollen wir es uns offen sagen." Und doch hegen sie dieselben Empfindungen,
dasselbe heiße Sehnen nach Glück wie ihre Voreltern . . .




Die Erwartung des Glückes läßt uns in stolzer Freude lächeln, aber die
Gewißheit macht uns ernst und demütig. Wem dann nicht zumute ist, als ob es
unverdient käme, der ist in Wahrheit des Glückes nicht wert.




Das beste Mittel gegen Menschenverachtung ist Menschenhilfe. Wer könnte
die Welt hassen, der er genützt hat!


Hildegard volge


Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

(Die Wahlrechtsstatistik in Preußen und der "rote Preußentag". Die reichs-
ländische Regierung und die Bischöfe.)

In dieser Woche beginnen die Arbeiten des preußischen Landtags, und damit
tritt auch die Frage der Wahlrechtsreform in ein neues Stadium. Doch kann an
dieser Stelle darüber erst gesprochen werden, wenn die Thronrede vorliegt, was
in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht der Fall ist.
Einstweilen hat die preußische Stacitsrcgierung die Ergebnisse ihrer statistischen
Untersuchungen über die Wirkungen des geltenden Wahlrechts veröffentlicht. Diese
Untersuchungen konnten natürlich nichts völlig Neues bringen; sie konnten nur
genaueres Zahlenmaterial geben, woraus jeder sich das, was er braucht, entnehmen
kann. Überwiegend ist das als Versuch gedeutet worden, das bestehende Wahlrecht
SU stützen, was von der einen Seite mit bitterm Grimm, von der andern mit
stark unterstrichner Genugtuung vermerkt wurde. Weder das eine noch das andre
erscheint uns genügend gerechtfertigt. Wir meinen vielmehr, die veröffentlichte
Statistik enthält zwar über einige umstrittene Punkte bestimmtere Feststellungen,
im ganzen aber durchaus keine Meinung, sondern nur Material, und jeder kann
daraus die Schlüsse ziehen, die er für richtig hält. In der letzten Woche lst es
besonders der Parteitag der preußischen Sozialdemokraten gewesen, wohe: wehe
Frage erörtert wurde. Nicht gerade in einer Form, die auch dem Gegner hätte


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wer alles ernst nimmt, wird eine komische Figur.




Die Wohltätigkeit mancher Frauen tut manchem Menschen weh.




Früher schwuren Liebende sich ewige Treue und glaubten fest an die Un¬
wandelbarkeit ihrer Gefühle. Jetzt sagen sie sich ganz nüchtern: „Wenn wir uns
über sind, wollen wir es uns offen sagen." Und doch hegen sie dieselben Empfindungen,
dasselbe heiße Sehnen nach Glück wie ihre Voreltern . . .




Die Erwartung des Glückes läßt uns in stolzer Freude lächeln, aber die
Gewißheit macht uns ernst und demütig. Wem dann nicht zumute ist, als ob es
unverdient käme, der ist in Wahrheit des Glückes nicht wert.




Das beste Mittel gegen Menschenverachtung ist Menschenhilfe. Wer könnte
die Welt hassen, der er genützt hat!


Hildegard volge


Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

(Die Wahlrechtsstatistik in Preußen und der „rote Preußentag". Die reichs-
ländische Regierung und die Bischöfe.)

In dieser Woche beginnen die Arbeiten des preußischen Landtags, und damit
tritt auch die Frage der Wahlrechtsreform in ein neues Stadium. Doch kann an
dieser Stelle darüber erst gesprochen werden, wenn die Thronrede vorliegt, was
in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht der Fall ist.
Einstweilen hat die preußische Stacitsrcgierung die Ergebnisse ihrer statistischen
Untersuchungen über die Wirkungen des geltenden Wahlrechts veröffentlicht. Diese
Untersuchungen konnten natürlich nichts völlig Neues bringen; sie konnten nur
genaueres Zahlenmaterial geben, woraus jeder sich das, was er braucht, entnehmen
kann. Überwiegend ist das als Versuch gedeutet worden, das bestehende Wahlrecht
SU stützen, was von der einen Seite mit bitterm Grimm, von der andern mit
stark unterstrichner Genugtuung vermerkt wurde. Weder das eine noch das andre
erscheint uns genügend gerechtfertigt. Wir meinen vielmehr, die veröffentlichte
Statistik enthält zwar über einige umstrittene Punkte bestimmtere Feststellungen,
im ganzen aber durchaus keine Meinung, sondern nur Material, und jeder kann
daraus die Schlüsse ziehen, die er für richtig hält. In der letzten Woche lst es
besonders der Parteitag der preußischen Sozialdemokraten gewesen, wohe: wehe
Frage erörtert wurde. Nicht gerade in einer Form, die auch dem Gegner hätte


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[0097] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wer alles ernst nimmt, wird eine komische Figur. Die Wohltätigkeit mancher Frauen tut manchem Menschen weh. Früher schwuren Liebende sich ewige Treue und glaubten fest an die Un¬ wandelbarkeit ihrer Gefühle. Jetzt sagen sie sich ganz nüchtern: „Wenn wir uns über sind, wollen wir es uns offen sagen." Und doch hegen sie dieselben Empfindungen, dasselbe heiße Sehnen nach Glück wie ihre Voreltern . . . Die Erwartung des Glückes läßt uns in stolzer Freude lächeln, aber die Gewißheit macht uns ernst und demütig. Wem dann nicht zumute ist, als ob es unverdient käme, der ist in Wahrheit des Glückes nicht wert. Das beste Mittel gegen Menschenverachtung ist Menschenhilfe. Wer könnte die Welt hassen, der er genützt hat! Hildegard volge Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Die Wahlrechtsstatistik in Preußen und der „rote Preußentag". Die reichs- ländische Regierung und die Bischöfe.) In dieser Woche beginnen die Arbeiten des preußischen Landtags, und damit tritt auch die Frage der Wahlrechtsreform in ein neues Stadium. Doch kann an dieser Stelle darüber erst gesprochen werden, wenn die Thronrede vorliegt, was in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht der Fall ist. Einstweilen hat die preußische Stacitsrcgierung die Ergebnisse ihrer statistischen Untersuchungen über die Wirkungen des geltenden Wahlrechts veröffentlicht. Diese Untersuchungen konnten natürlich nichts völlig Neues bringen; sie konnten nur genaueres Zahlenmaterial geben, woraus jeder sich das, was er braucht, entnehmen kann. Überwiegend ist das als Versuch gedeutet worden, das bestehende Wahlrecht SU stützen, was von der einen Seite mit bitterm Grimm, von der andern mit stark unterstrichner Genugtuung vermerkt wurde. Weder das eine noch das andre erscheint uns genügend gerechtfertigt. Wir meinen vielmehr, die veröffentlichte Statistik enthält zwar über einige umstrittene Punkte bestimmtere Feststellungen, im ganzen aber durchaus keine Meinung, sondern nur Material, und jeder kann daraus die Schlüsse ziehen, die er für richtig hält. In der letzten Woche lst es besonders der Parteitag der preußischen Sozialdemokraten gewesen, wohe: wehe Frage erörtert wurde. Nicht gerade in einer Form, die auch dem Gegner hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/97>, abgerufen am 21.12.2024.