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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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was, sie leben nicht umsonst. Sie kennen die ganze Erde und nützen sie aus.
Sie haben Deutschland ausgeschlachtet, .Motiv' für Motiv'. Es ist thuen einerlei,
sie finden überall Motive'. Sie fahren heute in die Eifel und dann gibt's
Eifcllandschaften in Ol und Aquarell und Lithographie und Radierung; und
morgen fahren sie nach Goppeln, und daun gibt's ganze Wälder von gemalten
Birken, und morgen gibt's Dachauer Moore und übermorgen Hamburger Hafen
mit und ohne Sonnenschein, Dampfer links, Dampfer rechts, morgens und abends.
Alles, alles gibt Geld! Schließlich wird man eine ganz berühmte .Kröte im
großen Sumpf und hat eine Villa oder zwei und hätte es wahrhaftig nicht
mehr nötig."

So schrieb im Innersten aufgewühlt und erzürnt der Maler Emil Rudolf
Weiß 1901, kurz nachdem er deu im königlich bayerischen Schloß zu Schleiß-
heim notdürftig verwahrten Teil des Lebenswerkes von Hans von Marees
gesehen, kennen und bewundern gelernt hatte. Denn er war sich bewußt
geworden, die Werktorsos eines überragend großen .Künstlers wahrgenommen
zu haben, der dauernder Vergessenheit anheimgefallen zu sein schien.

Der ingrimmige Weckruf des Malers Weiß verklang damals ungehört, wie
früher Konrad Fiedlers Schrift über Marsch ohne Wirkung blieb. Erst die schon
Berliner Jahrhundert-Ausstellung in der Nationalgalerie 1906, die auch sonst
noch außerordentlich fruchtbringend wirkte, rüttelte die Deutschen aus ihrer
Gleichgültigkeit gegenüber der künstlerischen Leistung von Marsch' auf und regte
zu einer Überprüfung des traditionellen Urteils über den todstillen Nachbar
Arthur Langhammers in der bayerischen Schloßgalerie an.

Hans von Marsch, in Elberfeld geboren, in Rom gestorben, war einer
der Zufrühgekommcnen, die abseits vom Markt und seinen: Lärm, innerlich
den Zeitgenossen entfremdet, äußerlich von ihnen geschieden, still eigene Wege
gehen. Nach vielen Jahren angestrengtester Arbeit und quälcudster Zweifel --
denn der Weg zur Vollendung führt notwendig dnrch eine Reihe von Un¬
zufriedenheiten -- wähnte sich Marsch endlich dem ersehnten hohen Ziele nahe,
da aber kam der Tod unvermutet heran, nahm dein Künstler den Pinsel aus
der Hand und tippte mit einem kühlen und harten Knochenfinger an des
Erschrockenen warm pochendes und stolzes Herz, und es erstarrte. Tragisch
wie sein Leben war auch das Sterben von Marsch'. Beides soll jedoch hier
nicht erzählt werdeu. Wein des .Künstlers Leben und Sterben unbekannt ist,
möge es ans der Darstellung Meier-Graefes kennen lernen, der auf Grund
authentischer Berichte der Familie, der Schüler und der Freunde Marsch', mit
Benutzung zahlreicher Dokumente, die Geschichte dieses auserlesenen Menschen
im ersten demnächst erscheinenden Bande der großen Marsch-Publikation bieten
wird. Hier soll bellte bloß der Versuch angestellt werden, in skizzenhaften Zügen
darauf hinzuweisen, wodurch sich das künstlerische Lebenswerk von MarLes' mit
der modernen Malerei in einem gewissen Zusammenhang befindet, was ihn in
einem bestimmten Betracht zu einen: ihrer Vorläufer und ersten Meister macht.


was, sie leben nicht umsonst. Sie kennen die ganze Erde und nützen sie aus.
Sie haben Deutschland ausgeschlachtet, .Motiv' für Motiv'. Es ist thuen einerlei,
sie finden überall Motive'. Sie fahren heute in die Eifel und dann gibt's
Eifcllandschaften in Ol und Aquarell und Lithographie und Radierung; und
morgen fahren sie nach Goppeln, und daun gibt's ganze Wälder von gemalten
Birken, und morgen gibt's Dachauer Moore und übermorgen Hamburger Hafen
mit und ohne Sonnenschein, Dampfer links, Dampfer rechts, morgens und abends.
Alles, alles gibt Geld! Schließlich wird man eine ganz berühmte .Kröte im
großen Sumpf und hat eine Villa oder zwei und hätte es wahrhaftig nicht
mehr nötig."

So schrieb im Innersten aufgewühlt und erzürnt der Maler Emil Rudolf
Weiß 1901, kurz nachdem er deu im königlich bayerischen Schloß zu Schleiß-
heim notdürftig verwahrten Teil des Lebenswerkes von Hans von Marees
gesehen, kennen und bewundern gelernt hatte. Denn er war sich bewußt
geworden, die Werktorsos eines überragend großen .Künstlers wahrgenommen
zu haben, der dauernder Vergessenheit anheimgefallen zu sein schien.

Der ingrimmige Weckruf des Malers Weiß verklang damals ungehört, wie
früher Konrad Fiedlers Schrift über Marsch ohne Wirkung blieb. Erst die schon
Berliner Jahrhundert-Ausstellung in der Nationalgalerie 1906, die auch sonst
noch außerordentlich fruchtbringend wirkte, rüttelte die Deutschen aus ihrer
Gleichgültigkeit gegenüber der künstlerischen Leistung von Marsch' auf und regte
zu einer Überprüfung des traditionellen Urteils über den todstillen Nachbar
Arthur Langhammers in der bayerischen Schloßgalerie an.

Hans von Marsch, in Elberfeld geboren, in Rom gestorben, war einer
der Zufrühgekommcnen, die abseits vom Markt und seinen: Lärm, innerlich
den Zeitgenossen entfremdet, äußerlich von ihnen geschieden, still eigene Wege
gehen. Nach vielen Jahren angestrengtester Arbeit und quälcudster Zweifel —
denn der Weg zur Vollendung führt notwendig dnrch eine Reihe von Un¬
zufriedenheiten — wähnte sich Marsch endlich dem ersehnten hohen Ziele nahe,
da aber kam der Tod unvermutet heran, nahm dein Künstler den Pinsel aus
der Hand und tippte mit einem kühlen und harten Knochenfinger an des
Erschrockenen warm pochendes und stolzes Herz, und es erstarrte. Tragisch
wie sein Leben war auch das Sterben von Marsch'. Beides soll jedoch hier
nicht erzählt werdeu. Wein des .Künstlers Leben und Sterben unbekannt ist,
möge es ans der Darstellung Meier-Graefes kennen lernen, der auf Grund
authentischer Berichte der Familie, der Schüler und der Freunde Marsch', mit
Benutzung zahlreicher Dokumente, die Geschichte dieses auserlesenen Menschen
im ersten demnächst erscheinenden Bande der großen Marsch-Publikation bieten
wird. Hier soll bellte bloß der Versuch angestellt werden, in skizzenhaften Zügen
darauf hinzuweisen, wodurch sich das künstlerische Lebenswerk von MarLes' mit
der modernen Malerei in einem gewissen Zusammenhang befindet, was ihn in
einem bestimmten Betracht zu einen: ihrer Vorläufer und ersten Meister macht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/92>, abgerufen am 21.12.2024.