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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Die ZZarbarina

Liebe erwiesen hat, und der Dir in allem ein wahrer und treuer Freund gewesen ist!
Komme niemand zu nahe und dulde auch nicht, dasz jemand Dir zu nahe komme!
Du weißt ja, was ich Dir schon oben gesagt habet Zeige bei jeder Gelegenheit die
Trauer darüber, die man Dir bereitet hat, indem man mich aus Deinen lieben Armen
riß! Vertraue dort niemand etwas an außer meinen: Freunde, im Falle Du dazu
kommst, ihn kennen zu lernen! Was Deine Gesundheit anlangt, laß niemand an
Dein Bett treten, wenn Du Dich unwohl fühlen solltest! Das war vordem nicht
Deine Art, und ans Liebe zu mir fange auch jetzt nicht damit an! Ich gebe Dir
keinen Rat, den ich nicht bereit bin, selber zu befolgen, will sagen, soweit es der
Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau zuläßt, und wenn Du dereinst
Deine Freiheit wiedererlangst und Du mich nicht mehr begehrst, so bitte ich Dich,
meinem Rat immer zu folgen. Ich gebe ihn Dir zu Deinem Wohle, denn wenn ich
Dich auch nicht wiedersehen sollte, wovor mich Gott bewahre, würde ich Dir immer
denselben Rat geben.

Aber ich fürchte durchaus nicht, daß wir uns jemals vergessen. Wir haben zu
viele Punkte, in denen Nur uns ungeachtet unserer Trennung und unseres Unglücks
treffen können. Es gibt festere Bande als die Heirat, um uns zu vereinigen: die
Liebe, die Freundschaft und die Ehre. Unsere Verbindung ist zu weit gegangen, als
daß die Zeit sie auflösen sollte, und was mich, mein teuerstes, süßes Weib, anlangt,
ich betrachte Dich genau so, als ob Du schon meine Gemahlin seist, und wir verpflichtet
wären, uns auf einige Zeit zu trennen. Wenn Du Dich so gut aufführst, wie ich
keinen Augenblick bezweifle, wirst Du immer dieselbe sein, die Du mir gewesen bist,
und ich werde Dich mit offenen Armen empfangen, sobald sich erst die Gelegenheit
dazu darbietet. Sie haben geglaubt, uns gegeneinander gleichgültig zu machen,
indem sie uns trennten. Halten wir also um so fester zusammen! Das ist das einzige
Mittel, schließlich alle Schwierigkeiten zu besiegen, die sich unserm Glücke entgegen¬
stellen. Denke daran, meine Seele, daß sich, wenn ich anfange, Dir weniger teuer
zu sein, bei unserm Wiedersehen Deine Liebe für mich Wohl wieder wird entflammen
können, und betrachte nicht unsere Verbindung als eine gewöhnliche Leidenschaft,
sondern als ein fest begründetes Glück für uns beide, für unser ganzes Leben! Das
ist die Art und Weise, wie ich die Dinge ansehe, und so werde ich sie immer ansehen.
Sei immer bei mir, mein Engel, und ich werde Dir nicht fehlenI

Ich habe vergessen. Dich von einer Sache in Kenntnis zu setzen. Es ist die:
wenn man Dir Liebesbriefe schreibt, mußt Du sie wieder versiegeln und unbeantwortet
zurückschicken. Glaube mir, daß man Dir, wenn Du immer diesen Regeln nachlebst,
nichts wird nachsagen können, was man, wie Du weißt, mit großem Unrecht schon
getan hat! Ich glaube, Du tust am besten, meine Liebe, diesen Brief zu verbrennen,
denn Bun (damit meint der Briefschreiber den König!) könnte ihn finden, und Du
weißt, was daraus entstehen würde! Um Gottes willen nimm Dich in acht, daß
niemand das geringste von diesem Brief erfährt, denn unser Glück hängt davon ab,
weil man sonst glauben wird, daß alles, waS Du tust, auf meinen Rat geschieht!
Denke auch daran, was ich Dir in bezug auf alle meine Briefe gesagt habe! Höre
auf mich und sieh ja zu, daß Du allein bist, wenn Du nnr schreibst, denn wenn dies
einmal entdeckt ist, wären wir für immer verloren! Du kannst es vielleicht erlangen,
daß wir uns offen schreiben, jetzt, da ich so fern von Dir bin. Wenn Du nicht
Gelegenheit hast, mündlich zu bitten, schreibe einen Brief, aber nimm Dich Wohl in
acht und sage, daß Du nur gehört habest, es sei uns verboten, einen Briefwechsel
miteinander zu unterhalten, und daß Du jetzt wünschest, daß wir Briefe wechselten,
da ich so weit von Dir entfernt bin. Aber sage nicht, ich hätte es Dir mitgeteilt,
daß es uns verboten sei, einander zu schreiben, weil es den Anschein haben muß, als
wüßtest Du nichts von mir, seitdem ich abgereist bin, und daß Du gern etwas Neues
von mir erfahren wolltest.

Du wirst dies alles äußerst verworren finden, aber ich bin überhaupt kaum
imstande zu schreiben, denn ich bin wahrlich in einer bedauernswerten Lage. Ich
glaube, Du bist von meiner Treue gegen Deine teure Person überzeugt, wenigstens
solltest Du, meine Liebe, es sein. Du kannst gänzlich auf meine Standhaftigkeit,


Die ZZarbarina

Liebe erwiesen hat, und der Dir in allem ein wahrer und treuer Freund gewesen ist!
Komme niemand zu nahe und dulde auch nicht, dasz jemand Dir zu nahe komme!
Du weißt ja, was ich Dir schon oben gesagt habet Zeige bei jeder Gelegenheit die
Trauer darüber, die man Dir bereitet hat, indem man mich aus Deinen lieben Armen
riß! Vertraue dort niemand etwas an außer meinen: Freunde, im Falle Du dazu
kommst, ihn kennen zu lernen! Was Deine Gesundheit anlangt, laß niemand an
Dein Bett treten, wenn Du Dich unwohl fühlen solltest! Das war vordem nicht
Deine Art, und ans Liebe zu mir fange auch jetzt nicht damit an! Ich gebe Dir
keinen Rat, den ich nicht bereit bin, selber zu befolgen, will sagen, soweit es der
Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau zuläßt, und wenn Du dereinst
Deine Freiheit wiedererlangst und Du mich nicht mehr begehrst, so bitte ich Dich,
meinem Rat immer zu folgen. Ich gebe ihn Dir zu Deinem Wohle, denn wenn ich
Dich auch nicht wiedersehen sollte, wovor mich Gott bewahre, würde ich Dir immer
denselben Rat geben.

Aber ich fürchte durchaus nicht, daß wir uns jemals vergessen. Wir haben zu
viele Punkte, in denen Nur uns ungeachtet unserer Trennung und unseres Unglücks
treffen können. Es gibt festere Bande als die Heirat, um uns zu vereinigen: die
Liebe, die Freundschaft und die Ehre. Unsere Verbindung ist zu weit gegangen, als
daß die Zeit sie auflösen sollte, und was mich, mein teuerstes, süßes Weib, anlangt,
ich betrachte Dich genau so, als ob Du schon meine Gemahlin seist, und wir verpflichtet
wären, uns auf einige Zeit zu trennen. Wenn Du Dich so gut aufführst, wie ich
keinen Augenblick bezweifle, wirst Du immer dieselbe sein, die Du mir gewesen bist,
und ich werde Dich mit offenen Armen empfangen, sobald sich erst die Gelegenheit
dazu darbietet. Sie haben geglaubt, uns gegeneinander gleichgültig zu machen,
indem sie uns trennten. Halten wir also um so fester zusammen! Das ist das einzige
Mittel, schließlich alle Schwierigkeiten zu besiegen, die sich unserm Glücke entgegen¬
stellen. Denke daran, meine Seele, daß sich, wenn ich anfange, Dir weniger teuer
zu sein, bei unserm Wiedersehen Deine Liebe für mich Wohl wieder wird entflammen
können, und betrachte nicht unsere Verbindung als eine gewöhnliche Leidenschaft,
sondern als ein fest begründetes Glück für uns beide, für unser ganzes Leben! Das
ist die Art und Weise, wie ich die Dinge ansehe, und so werde ich sie immer ansehen.
Sei immer bei mir, mein Engel, und ich werde Dir nicht fehlenI

Ich habe vergessen. Dich von einer Sache in Kenntnis zu setzen. Es ist die:
wenn man Dir Liebesbriefe schreibt, mußt Du sie wieder versiegeln und unbeantwortet
zurückschicken. Glaube mir, daß man Dir, wenn Du immer diesen Regeln nachlebst,
nichts wird nachsagen können, was man, wie Du weißt, mit großem Unrecht schon
getan hat! Ich glaube, Du tust am besten, meine Liebe, diesen Brief zu verbrennen,
denn Bun (damit meint der Briefschreiber den König!) könnte ihn finden, und Du
weißt, was daraus entstehen würde! Um Gottes willen nimm Dich in acht, daß
niemand das geringste von diesem Brief erfährt, denn unser Glück hängt davon ab,
weil man sonst glauben wird, daß alles, waS Du tust, auf meinen Rat geschieht!
Denke auch daran, was ich Dir in bezug auf alle meine Briefe gesagt habe! Höre
auf mich und sieh ja zu, daß Du allein bist, wenn Du nnr schreibst, denn wenn dies
einmal entdeckt ist, wären wir für immer verloren! Du kannst es vielleicht erlangen,
daß wir uns offen schreiben, jetzt, da ich so fern von Dir bin. Wenn Du nicht
Gelegenheit hast, mündlich zu bitten, schreibe einen Brief, aber nimm Dich Wohl in
acht und sage, daß Du nur gehört habest, es sei uns verboten, einen Briefwechsel
miteinander zu unterhalten, und daß Du jetzt wünschest, daß wir Briefe wechselten,
da ich so weit von Dir entfernt bin. Aber sage nicht, ich hätte es Dir mitgeteilt,
daß es uns verboten sei, einander zu schreiben, weil es den Anschein haben muß, als
wüßtest Du nichts von mir, seitdem ich abgereist bin, und daß Du gern etwas Neues
von mir erfahren wolltest.

Du wirst dies alles äußerst verworren finden, aber ich bin überhaupt kaum
imstande zu schreiben, denn ich bin wahrlich in einer bedauernswerten Lage. Ich
glaube, Du bist von meiner Treue gegen Deine teure Person überzeugt, wenigstens
solltest Du, meine Liebe, es sein. Du kannst gänzlich auf meine Standhaftigkeit,


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[0081] Die ZZarbarina Liebe erwiesen hat, und der Dir in allem ein wahrer und treuer Freund gewesen ist! Komme niemand zu nahe und dulde auch nicht, dasz jemand Dir zu nahe komme! Du weißt ja, was ich Dir schon oben gesagt habet Zeige bei jeder Gelegenheit die Trauer darüber, die man Dir bereitet hat, indem man mich aus Deinen lieben Armen riß! Vertraue dort niemand etwas an außer meinen: Freunde, im Falle Du dazu kommst, ihn kennen zu lernen! Was Deine Gesundheit anlangt, laß niemand an Dein Bett treten, wenn Du Dich unwohl fühlen solltest! Das war vordem nicht Deine Art, und ans Liebe zu mir fange auch jetzt nicht damit an! Ich gebe Dir keinen Rat, den ich nicht bereit bin, selber zu befolgen, will sagen, soweit es der Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau zuläßt, und wenn Du dereinst Deine Freiheit wiedererlangst und Du mich nicht mehr begehrst, so bitte ich Dich, meinem Rat immer zu folgen. Ich gebe ihn Dir zu Deinem Wohle, denn wenn ich Dich auch nicht wiedersehen sollte, wovor mich Gott bewahre, würde ich Dir immer denselben Rat geben. Aber ich fürchte durchaus nicht, daß wir uns jemals vergessen. Wir haben zu viele Punkte, in denen Nur uns ungeachtet unserer Trennung und unseres Unglücks treffen können. Es gibt festere Bande als die Heirat, um uns zu vereinigen: die Liebe, die Freundschaft und die Ehre. Unsere Verbindung ist zu weit gegangen, als daß die Zeit sie auflösen sollte, und was mich, mein teuerstes, süßes Weib, anlangt, ich betrachte Dich genau so, als ob Du schon meine Gemahlin seist, und wir verpflichtet wären, uns auf einige Zeit zu trennen. Wenn Du Dich so gut aufführst, wie ich keinen Augenblick bezweifle, wirst Du immer dieselbe sein, die Du mir gewesen bist, und ich werde Dich mit offenen Armen empfangen, sobald sich erst die Gelegenheit dazu darbietet. Sie haben geglaubt, uns gegeneinander gleichgültig zu machen, indem sie uns trennten. Halten wir also um so fester zusammen! Das ist das einzige Mittel, schließlich alle Schwierigkeiten zu besiegen, die sich unserm Glücke entgegen¬ stellen. Denke daran, meine Seele, daß sich, wenn ich anfange, Dir weniger teuer zu sein, bei unserm Wiedersehen Deine Liebe für mich Wohl wieder wird entflammen können, und betrachte nicht unsere Verbindung als eine gewöhnliche Leidenschaft, sondern als ein fest begründetes Glück für uns beide, für unser ganzes Leben! Das ist die Art und Weise, wie ich die Dinge ansehe, und so werde ich sie immer ansehen. Sei immer bei mir, mein Engel, und ich werde Dir nicht fehlenI Ich habe vergessen. Dich von einer Sache in Kenntnis zu setzen. Es ist die: wenn man Dir Liebesbriefe schreibt, mußt Du sie wieder versiegeln und unbeantwortet zurückschicken. Glaube mir, daß man Dir, wenn Du immer diesen Regeln nachlebst, nichts wird nachsagen können, was man, wie Du weißt, mit großem Unrecht schon getan hat! Ich glaube, Du tust am besten, meine Liebe, diesen Brief zu verbrennen, denn Bun (damit meint der Briefschreiber den König!) könnte ihn finden, und Du weißt, was daraus entstehen würde! Um Gottes willen nimm Dich in acht, daß niemand das geringste von diesem Brief erfährt, denn unser Glück hängt davon ab, weil man sonst glauben wird, daß alles, waS Du tust, auf meinen Rat geschieht! Denke auch daran, was ich Dir in bezug auf alle meine Briefe gesagt habe! Höre auf mich und sieh ja zu, daß Du allein bist, wenn Du nnr schreibst, denn wenn dies einmal entdeckt ist, wären wir für immer verloren! Du kannst es vielleicht erlangen, daß wir uns offen schreiben, jetzt, da ich so fern von Dir bin. Wenn Du nicht Gelegenheit hast, mündlich zu bitten, schreibe einen Brief, aber nimm Dich Wohl in acht und sage, daß Du nur gehört habest, es sei uns verboten, einen Briefwechsel miteinander zu unterhalten, und daß Du jetzt wünschest, daß wir Briefe wechselten, da ich so weit von Dir entfernt bin. Aber sage nicht, ich hätte es Dir mitgeteilt, daß es uns verboten sei, einander zu schreiben, weil es den Anschein haben muß, als wüßtest Du nichts von mir, seitdem ich abgereist bin, und daß Du gern etwas Neues von mir erfahren wolltest. Du wirst dies alles äußerst verworren finden, aber ich bin überhaupt kaum imstande zu schreiben, denn ich bin wahrlich in einer bedauernswerten Lage. Ich glaube, Du bist von meiner Treue gegen Deine teure Person überzeugt, wenigstens solltest Du, meine Liebe, es sein. Du kannst gänzlich auf meine Standhaftigkeit,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/81>, abgerufen am 24.07.2024.