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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Mein Gebet

Lebensfrage. Ein neuer Krieg, ob Sieg oder Niederlage, wäre für Japan ein
Unglück, denn er würde zu seiner Durchführung ungeheure Geldsummen er¬
fordern, die weder das Inland bieten könnte, noch das Ausland leihen wollte.
Angenommen aber, die Unmöglichkeit wäre zur Möglichkeit geworden, der Krieg
geführt und neues Gebiet erworben, was dann? Statt aus den neuen Erwerbungen
Geld zu ziehen, müßte Japan Geld in sie hineinstecken. Das Geld fehlte für
diesen Zweck, es fehlte auch zur Unterhaltung von Armee und Marine, die
Schiffe würden rösten, ohne durch neue ersetzt zu werden. Es käme zum Staats¬
bankrott. Wenn selbst England, das reichste Land der Erde, an den Kohle"
des Bureukrieges schwer trägt, so hat Japan alle Ursache, einen neuen Krieg
nicht vom Zaune zu brechen.


',, *


Mein Gebet
Ich bete nicht nur um Sonnenschein
Wie meine Basen und Vettern,
Ich bete auch, daß es mir ums Haupt
Mitunter soll stürmen und wettern. Ich will hinter vollen Schüsseln nicht
In sorgloser Ruhe sitzen;
O nein, ich will um mein Stückchen Brot
In ehrlicher Arbeit schwitzen. Und sollten des Schaffells Früchte mir
Verhageln mal vor der Ernte --:
Mich traf im Leben kein Ungemach,
Von dem ich nicht auch etwas lernte. Drum bet' ich nicht nur um Sonnenschein
Wie meine Vettern und Basen.
Komm, Sturm, du kannst auf dem Wetterhorn
Mir heilt noch ein Stücklein blasen.

I. Weiskirch-Llberfeld


Mein Gebet

Lebensfrage. Ein neuer Krieg, ob Sieg oder Niederlage, wäre für Japan ein
Unglück, denn er würde zu seiner Durchführung ungeheure Geldsummen er¬
fordern, die weder das Inland bieten könnte, noch das Ausland leihen wollte.
Angenommen aber, die Unmöglichkeit wäre zur Möglichkeit geworden, der Krieg
geführt und neues Gebiet erworben, was dann? Statt aus den neuen Erwerbungen
Geld zu ziehen, müßte Japan Geld in sie hineinstecken. Das Geld fehlte für
diesen Zweck, es fehlte auch zur Unterhaltung von Armee und Marine, die
Schiffe würden rösten, ohne durch neue ersetzt zu werden. Es käme zum Staats¬
bankrott. Wenn selbst England, das reichste Land der Erde, an den Kohle»
des Bureukrieges schwer trägt, so hat Japan alle Ursache, einen neuen Krieg
nicht vom Zaune zu brechen.


',, *


Mein Gebet
Ich bete nicht nur um Sonnenschein
Wie meine Basen und Vettern,
Ich bete auch, daß es mir ums Haupt
Mitunter soll stürmen und wettern. Ich will hinter vollen Schüsseln nicht
In sorgloser Ruhe sitzen;
O nein, ich will um mein Stückchen Brot
In ehrlicher Arbeit schwitzen. Und sollten des Schaffells Früchte mir
Verhageln mal vor der Ernte —:
Mich traf im Leben kein Ungemach,
Von dem ich nicht auch etwas lernte. Drum bet' ich nicht nur um Sonnenschein
Wie meine Vettern und Basen.
Komm, Sturm, du kannst auf dem Wetterhorn
Mir heilt noch ein Stücklein blasen.

I. Weiskirch-Llberfeld


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[0078] Mein Gebet Lebensfrage. Ein neuer Krieg, ob Sieg oder Niederlage, wäre für Japan ein Unglück, denn er würde zu seiner Durchführung ungeheure Geldsummen er¬ fordern, die weder das Inland bieten könnte, noch das Ausland leihen wollte. Angenommen aber, die Unmöglichkeit wäre zur Möglichkeit geworden, der Krieg geführt und neues Gebiet erworben, was dann? Statt aus den neuen Erwerbungen Geld zu ziehen, müßte Japan Geld in sie hineinstecken. Das Geld fehlte für diesen Zweck, es fehlte auch zur Unterhaltung von Armee und Marine, die Schiffe würden rösten, ohne durch neue ersetzt zu werden. Es käme zum Staats¬ bankrott. Wenn selbst England, das reichste Land der Erde, an den Kohle» des Bureukrieges schwer trägt, so hat Japan alle Ursache, einen neuen Krieg nicht vom Zaune zu brechen. ',, * Mein Gebet Ich bete nicht nur um Sonnenschein Wie meine Basen und Vettern, Ich bete auch, daß es mir ums Haupt Mitunter soll stürmen und wettern. Ich will hinter vollen Schüsseln nicht In sorgloser Ruhe sitzen; O nein, ich will um mein Stückchen Brot In ehrlicher Arbeit schwitzen. Und sollten des Schaffells Früchte mir Verhageln mal vor der Ernte —: Mich traf im Leben kein Ungemach, Von dem ich nicht auch etwas lernte. Drum bet' ich nicht nur um Sonnenschein Wie meine Vettern und Basen. Komm, Sturm, du kannst auf dem Wetterhorn Mir heilt noch ein Stücklein blasen. I. Weiskirch-Llberfeld

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/78>, abgerufen am 21.12.2024.