Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches griffen, war jedenfalls unter Muley Hafid nicht mehr in dem Matze vorhanden Inzwischen war nun aber allerdings jener Beschluß der Vertreter der Mächte Wenn gesagt wurde: der Beschluß enthalte nur eine "Deklaration" über den Der Beschluß vom 20. August war somit für Deutschland politisch gegen¬ Was die Mitwirkung deutscher amtlicher Organe an dem Zustandekommen Ausdrücklich möchte ich hier noch hinweisen auf die beiden Artikel von Hatschek Maßgebliches und Unmaßgebliches griffen, war jedenfalls unter Muley Hafid nicht mehr in dem Matze vorhanden Inzwischen war nun aber allerdings jener Beschluß der Vertreter der Mächte Wenn gesagt wurde: der Beschluß enthalte nur eine „Deklaration" über den Der Beschluß vom 20. August war somit für Deutschland politisch gegen¬ Was die Mitwirkung deutscher amtlicher Organe an dem Zustandekommen Ausdrücklich möchte ich hier noch hinweisen auf die beiden Artikel von Hatschek <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315389"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1734" prev="#ID_1733"> griffen, war jedenfalls unter Muley Hafid nicht mehr in dem Matze vorhanden<lb/> wie vorher, und damit für Deutschland auch jeder Grund dahingefallen, den<lb/> Sultan in Ausführung des Artikels 112 einzuschränken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1735"> Inzwischen war nun aber allerdings jener Beschluß der Vertreter der Mächte<lb/> vom 20, August 1908 gefaßt worden, der vor der Promulgation die Vorlegung<lb/> des Berggesetzes an die Vertreter der Mächte forderte. Auf die juristische<lb/> Bedeutung dieses Beschlusses kommt alles an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1736"> Wenn gesagt wurde: der Beschluß enthalte nur eine „Deklaration" über den<lb/> Sinn des Artikels 112, und die Mächte, die den Artikel 112 beschlossen, seien<lb/> doch zweifellos auch berechtigt, seinen Sinn zu deklarieren, so macht man sich<lb/> doch die Sache gar zu leicht. Der Beschluß von: 20. August enthält keine<lb/> Deklaration, sondern eine Abänderung, ja geradezu eine Aufhebung des Artikels 112.<lb/> Dieser Artikel 112 war von der eigens zu dem Zwecke der Beendigung der den<lb/> Weltfrieden bedrohenden marokkanischen Wirren aus hervorragenden Staats¬<lb/> männern berufenen großen Welt-Konferenz in Algeciras festgestellt worden- die<lb/> Gesandten-Konferenz in Tanger aber war nicht in dein Sinne wie die Konferenz<lb/> von Algeciras eine Vertretung der Mächte und war demgemäß rechtlich nicht<lb/> legitimiert, einen Artikel der Älgeciras-Akte aufzuheben. Das konnte rechtlich nur<lb/> eine neue Konferenz der Mächte nach Art der Algeciras-Konferenz. Dazu kommt<lb/> noch: daß aus dem deutschen Weißbuch nicht mit Sicherheit hervorgeht, ob Abdul<lb/> Asif, der damals noch als Sultan von Marokko angesehen werden muß, den<lb/> Beschluß angenommen hat; das Weißbuch S. 8 sagt nur: die scherisische<lb/> Regierung habe „Kenntnis genommen", das ist aber ganz unzureichnend. Dem<lb/> Nachfolger, Muley Hafid, ist dieser Beschluß wahrscheinlich überhaupt nie zur<lb/> Kenntnis gekommen (Weißbuch S. 9: „er hat ihn wahrscheinlich gar nicht gekannt").</p><lb/> <p xml:id="ID_1737"> Der Beschluß vom 20. August war somit für Deutschland politisch gegen¬<lb/> standslos, seit Muley Hafid Sultan war, der nicht der willenlose Sklave Frankreichs<lb/> war. Rechtlich aber war dieser Beschluß von Anbeginn mit so gewichtigen Mängeln<lb/> behaftet, daß man wirklich nicht versteht, wie Deutschland jetzt in diesem Beschluß<lb/> das entscheidende Moment sehen kann, und zwar in schneidendem Gegensatz zu<lb/> deutschen Interessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1738"> Was die Mitwirkung deutscher amtlicher Organe an dem Zustandekommen<lb/> des Berggesetzes vom 7. Oktober 1908 betrifft, so geht sie doch aus dem Weißbuch<lb/> S. 7 12/13 klar hervor. Die deutschen amtlichen Organe in Marokko haben dann<lb/> weiterhin im Januar 1909 die Rechte der Gebrüder Mannesmann vor dem Sultan<lb/> vertreten. Wenn diese Vertretung durch allerlei Redewendungen der amtlichen<lb/> Aktenstücke als rechtlich bedeutungslos hingestellt werden will, so habe ich abgelehnt,<lb/> darauf einzugehen, weil ich dem Auswärtigen Amt gegenüber die Ausdrücke<lb/> vermeiden möchte, die zur Charakterisierung dieses Verhaltens gebraucht werden<lb/> müßten. Hier handelt es sich nicht um „Wissenschaft" oder um „den Zweck, unter<lb/> allen Umständen recht zu behalten", sondern lediglich um die Zurückweisung des<lb/> Grundsatzes „si kecisti, neZa" aus der deutschen Politik. Wenn die amtlichen<lb/> Organe vom Sultan eine Bestätigung forderten, um zu verhindern, „daß er von<lb/> seiner Zusage etwas abstreitet", so können die schönsten Redewendungen diesem<lb/> amtlichen deutschen Vorgehen keinen andern Sinn geben als den: unter Mitwirkung<lb/> deutscher amtlicher Organe hat der Sultan die verliehenen Rechte neuerdings bestätigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1739"> Ausdrücklich möchte ich hier noch hinweisen auf die beiden Artikel von Hatschek<lb/> in der „National-Zeitung" Ur. 58 und 60, die genau zu dem gleichen Ergebnis<lb/> bezüglich des Diplomaten-Beschlusses vom 20. August und seines Verhältnisses<lb/><note type="byline"> Philipp Zorn</note> zur Algeciras-Akte kommen wie meine Erörterungen. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
griffen, war jedenfalls unter Muley Hafid nicht mehr in dem Matze vorhanden
wie vorher, und damit für Deutschland auch jeder Grund dahingefallen, den
Sultan in Ausführung des Artikels 112 einzuschränken.
Inzwischen war nun aber allerdings jener Beschluß der Vertreter der Mächte
vom 20, August 1908 gefaßt worden, der vor der Promulgation die Vorlegung
des Berggesetzes an die Vertreter der Mächte forderte. Auf die juristische
Bedeutung dieses Beschlusses kommt alles an.
Wenn gesagt wurde: der Beschluß enthalte nur eine „Deklaration" über den
Sinn des Artikels 112, und die Mächte, die den Artikel 112 beschlossen, seien
doch zweifellos auch berechtigt, seinen Sinn zu deklarieren, so macht man sich
doch die Sache gar zu leicht. Der Beschluß von: 20. August enthält keine
Deklaration, sondern eine Abänderung, ja geradezu eine Aufhebung des Artikels 112.
Dieser Artikel 112 war von der eigens zu dem Zwecke der Beendigung der den
Weltfrieden bedrohenden marokkanischen Wirren aus hervorragenden Staats¬
männern berufenen großen Welt-Konferenz in Algeciras festgestellt worden- die
Gesandten-Konferenz in Tanger aber war nicht in dein Sinne wie die Konferenz
von Algeciras eine Vertretung der Mächte und war demgemäß rechtlich nicht
legitimiert, einen Artikel der Älgeciras-Akte aufzuheben. Das konnte rechtlich nur
eine neue Konferenz der Mächte nach Art der Algeciras-Konferenz. Dazu kommt
noch: daß aus dem deutschen Weißbuch nicht mit Sicherheit hervorgeht, ob Abdul
Asif, der damals noch als Sultan von Marokko angesehen werden muß, den
Beschluß angenommen hat; das Weißbuch S. 8 sagt nur: die scherisische
Regierung habe „Kenntnis genommen", das ist aber ganz unzureichnend. Dem
Nachfolger, Muley Hafid, ist dieser Beschluß wahrscheinlich überhaupt nie zur
Kenntnis gekommen (Weißbuch S. 9: „er hat ihn wahrscheinlich gar nicht gekannt").
Der Beschluß vom 20. August war somit für Deutschland politisch gegen¬
standslos, seit Muley Hafid Sultan war, der nicht der willenlose Sklave Frankreichs
war. Rechtlich aber war dieser Beschluß von Anbeginn mit so gewichtigen Mängeln
behaftet, daß man wirklich nicht versteht, wie Deutschland jetzt in diesem Beschluß
das entscheidende Moment sehen kann, und zwar in schneidendem Gegensatz zu
deutschen Interessen.
Was die Mitwirkung deutscher amtlicher Organe an dem Zustandekommen
des Berggesetzes vom 7. Oktober 1908 betrifft, so geht sie doch aus dem Weißbuch
S. 7 12/13 klar hervor. Die deutschen amtlichen Organe in Marokko haben dann
weiterhin im Januar 1909 die Rechte der Gebrüder Mannesmann vor dem Sultan
vertreten. Wenn diese Vertretung durch allerlei Redewendungen der amtlichen
Aktenstücke als rechtlich bedeutungslos hingestellt werden will, so habe ich abgelehnt,
darauf einzugehen, weil ich dem Auswärtigen Amt gegenüber die Ausdrücke
vermeiden möchte, die zur Charakterisierung dieses Verhaltens gebraucht werden
müßten. Hier handelt es sich nicht um „Wissenschaft" oder um „den Zweck, unter
allen Umständen recht zu behalten", sondern lediglich um die Zurückweisung des
Grundsatzes „si kecisti, neZa" aus der deutschen Politik. Wenn die amtlichen
Organe vom Sultan eine Bestätigung forderten, um zu verhindern, „daß er von
seiner Zusage etwas abstreitet", so können die schönsten Redewendungen diesem
amtlichen deutschen Vorgehen keinen andern Sinn geben als den: unter Mitwirkung
deutscher amtlicher Organe hat der Sultan die verliehenen Rechte neuerdings bestätigt.
Ausdrücklich möchte ich hier noch hinweisen auf die beiden Artikel von Hatschek
in der „National-Zeitung" Ur. 58 und 60, die genau zu dem gleichen Ergebnis
bezüglich des Diplomaten-Beschlusses vom 20. August und seines Verhältnisses
Philipp Zorn zur Algeciras-Akte kommen wie meine Erörterungen.
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