Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches verstorbenen Freundes für den Druck durchgesehen und in seinen letzten beiden Flachnillnn als Erzieher"). Uns wird geschrieben: Herr Otto Ernst, *) Die obigen Ausführungen waren geschrieben, ehe Herr Otto Ernst seinen mißglückter
Rechtfertigungsversuch in der "B. Z. am Mittag" unternahm. Sie bedürfen keiner Veränderung. Nur sei mitgeteilt, daß die beschimpfenden Äußerungen über Ernst Moritz Nrndt nicht etwa jetzt geschrieben wurden, sondern in einen: früheren Buch von Ernst enthalten sind. Daß sie dadurch rühmlicher werden, kann man nicht behnupteu. Maßgebliches und Unmaßgebliches verstorbenen Freundes für den Druck durchgesehen und in seinen letzten beiden Flachnillnn als Erzieher"). Uns wird geschrieben: Herr Otto Ernst, *) Die obigen Ausführungen waren geschrieben, ehe Herr Otto Ernst seinen mißglückter
Rechtfertigungsversuch in der „B. Z. am Mittag" unternahm. Sie bedürfen keiner Veränderung. Nur sei mitgeteilt, daß die beschimpfenden Äußerungen über Ernst Moritz Nrndt nicht etwa jetzt geschrieben wurden, sondern in einen: früheren Buch von Ernst enthalten sind. Daß sie dadurch rühmlicher werden, kann man nicht behnupteu. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315340"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> verstorbenen Freundes für den Druck durchgesehen und in seinen letzten beiden<lb/> Bänden auch mit der Wahl der Abbildungen unterstützt hat — sicherlich hat Mulder<lb/> seine Gesichtspunkte von einstmals mannigfach revidiert, ohne Zweifel zugunsten<lb/> einer größeren Reife, einer weniger parteiischen Abgeklärtheit. Die Kampfesjahre<lb/> waren auch für ihn wie für die seinerzeit jungdeutsche Malerei vorüber. Lieber¬<lb/> mann bedeutet ihm nicht mehr ein A und O der neueren Entwicklung. Bei aller<lb/> Anerkennung findet er kühl beschränkende Worte . . . „kein Eroberer, kein Pfad¬<lb/> finder" . .. „keins jener Phänomene, deren Kräfte aus unbekannten Quellen zu<lb/> fließen scheinen" . . . „er brachte, von wohlorganisiertem Geschmack geleitet, nur<lb/> das nach Deutschland, was anderwärts durch Courbet, Millet und Israels, durch<lb/> Manet und Degas längst zum Siege geführt war". — Zweitausendachthundert<lb/> Abbildungen im Text sind den drei starken Bänden beigegeben, natürlich jede<lb/> einzelne im kleinsten Format. Wir finden diesen Reichtum der Zahl einer, qualitativ<lb/> vielleicht besseren, Beschränkung des Anschauungsmaterials vorzuziehen. Denn<lb/> irgendwie künstlerischen Ansprüchen können Vervielfältigungen, die solchen ver¬<lb/> hältnismäßig wohlfeilen Werken beigegeben sind, doch nicht genügen: Also ist es<lb/> besser, sich auf Hilfsmittel für die Erinnerung zu beschränken, die dem Beschauer<lb/> hauptsächlich den Anreiz zur Wiederbelebung des schon Gesehenen geben oder zur<lb/> selbsttätigen, phantastischen Weiterbildung einladen, dafür aber dieses Anschauungs¬<lb/> material so mannigfaltig wie möglich zu gestalten. Für den, der lernen will, wie<lb/> für den, der lustwandelnd streift und kostet, ist dieses lichtvolle, von Anschauung<lb/><note type="byline"> Paul Mahn</note> und Leben erfüllte, nie langweilende Werk gleich wertvoll. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Flachnillnn als Erzieher").</head> <p xml:id="ID_1455" next="#ID_1456"> Uns wird geschrieben: Herr Otto Ernst,<lb/> dem in seinen bescheidenen Grenzen manches Hübsche gelang, hat die angesichts<lb/> dieser Grenzen ungeheuerliche Geschmacklosigkeit besessen, den alten Ernst Moritz<lb/> Arndt zu beschimpfen als „Teutomann", als „Patriot, wie er nicht sein soll",<lb/> der mit seinen „widerwärtigen Franzosenfressereien" den „Mund bis zur höchsten<lb/> Unschönheit vollnahm". Herr Ernst greint darüber, daß solch ein Mann noch<lb/> heute der deutschen Jugend als Vorbild gelte. Die gebildete deutsche Jugend,<lb/> soweit sie vaterländisch empfindet, und nicht zum mindesten die Studentenschaft wird<lb/> Herrn Ernst die Quittung für dieses Meisterstück nicht schuldig bleiben, sie wird<lb/> ihn in Zukunft bewerten, wie er es verdient. Herr Ernst hat kürzlich gelegentlich<lb/> einer ganz sachlichen Würdigung mit großer Gereiztheit erklärt, er lasse seine<lb/> „Kinderstube" unter keinen Umständen anzweifeln. Ob er formelle Kinderstube<lb/> hat, kann uns Hekuba sein, von jener seelischen Kinderstube, jener selbstverständ¬<lb/> lichen Ehrfürchtigkeit des deutschen Mannes vor den Treusten seines Volkes, dieser<lb/> seelischen Kinderstube, die auch da noch voller Achtung und Dankbarkeit ist, wo<lb/> sie im einzelnen glaubt mißbilligen zu müssen, von dieser seelischen Kinderstube<lb/> hat der seichte Verunglimpfer Arndts keinen Hauch. Es ist von unfreiwilligem<lb/> Humor, zu sehen, wie sich hier Flachmann als Erzieher aufspielt, wie er mit<lb/> empörender Unkenntnis den freiheitsglühenden gemaßregelten Demokraten Ernst<lb/> Moritz, den Enkel von Leibeigenen, zum „Reaktionär" stempelt, wie ein ^von jedem<lb/> gesunden Volksgefühl verlassener Subalterner mit blutloser Allerweltsweisheit den</p><lb/> <note xml:id="FID_16" place="foot"> *) Die obigen Ausführungen waren geschrieben, ehe Herr Otto Ernst seinen mißglückter<lb/> Rechtfertigungsversuch in der „B. Z. am Mittag" unternahm. Sie bedürfen keiner Veränderung.<lb/> Nur sei mitgeteilt, daß die beschimpfenden Äußerungen über Ernst Moritz Nrndt nicht etwa<lb/> jetzt geschrieben wurden, sondern in einen: früheren Buch von Ernst enthalten sind. Daß sie<lb/> dadurch rühmlicher werden, kann man nicht behnupteu.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
verstorbenen Freundes für den Druck durchgesehen und in seinen letzten beiden
Bänden auch mit der Wahl der Abbildungen unterstützt hat — sicherlich hat Mulder
seine Gesichtspunkte von einstmals mannigfach revidiert, ohne Zweifel zugunsten
einer größeren Reife, einer weniger parteiischen Abgeklärtheit. Die Kampfesjahre
waren auch für ihn wie für die seinerzeit jungdeutsche Malerei vorüber. Lieber¬
mann bedeutet ihm nicht mehr ein A und O der neueren Entwicklung. Bei aller
Anerkennung findet er kühl beschränkende Worte . . . „kein Eroberer, kein Pfad¬
finder" . .. „keins jener Phänomene, deren Kräfte aus unbekannten Quellen zu
fließen scheinen" . . . „er brachte, von wohlorganisiertem Geschmack geleitet, nur
das nach Deutschland, was anderwärts durch Courbet, Millet und Israels, durch
Manet und Degas längst zum Siege geführt war". — Zweitausendachthundert
Abbildungen im Text sind den drei starken Bänden beigegeben, natürlich jede
einzelne im kleinsten Format. Wir finden diesen Reichtum der Zahl einer, qualitativ
vielleicht besseren, Beschränkung des Anschauungsmaterials vorzuziehen. Denn
irgendwie künstlerischen Ansprüchen können Vervielfältigungen, die solchen ver¬
hältnismäßig wohlfeilen Werken beigegeben sind, doch nicht genügen: Also ist es
besser, sich auf Hilfsmittel für die Erinnerung zu beschränken, die dem Beschauer
hauptsächlich den Anreiz zur Wiederbelebung des schon Gesehenen geben oder zur
selbsttätigen, phantastischen Weiterbildung einladen, dafür aber dieses Anschauungs¬
material so mannigfaltig wie möglich zu gestalten. Für den, der lernen will, wie
für den, der lustwandelnd streift und kostet, ist dieses lichtvolle, von Anschauung
Paul Mahn und Leben erfüllte, nie langweilende Werk gleich wertvoll.
Flachnillnn als Erzieher"). Uns wird geschrieben: Herr Otto Ernst,
dem in seinen bescheidenen Grenzen manches Hübsche gelang, hat die angesichts
dieser Grenzen ungeheuerliche Geschmacklosigkeit besessen, den alten Ernst Moritz
Arndt zu beschimpfen als „Teutomann", als „Patriot, wie er nicht sein soll",
der mit seinen „widerwärtigen Franzosenfressereien" den „Mund bis zur höchsten
Unschönheit vollnahm". Herr Ernst greint darüber, daß solch ein Mann noch
heute der deutschen Jugend als Vorbild gelte. Die gebildete deutsche Jugend,
soweit sie vaterländisch empfindet, und nicht zum mindesten die Studentenschaft wird
Herrn Ernst die Quittung für dieses Meisterstück nicht schuldig bleiben, sie wird
ihn in Zukunft bewerten, wie er es verdient. Herr Ernst hat kürzlich gelegentlich
einer ganz sachlichen Würdigung mit großer Gereiztheit erklärt, er lasse seine
„Kinderstube" unter keinen Umständen anzweifeln. Ob er formelle Kinderstube
hat, kann uns Hekuba sein, von jener seelischen Kinderstube, jener selbstverständ¬
lichen Ehrfürchtigkeit des deutschen Mannes vor den Treusten seines Volkes, dieser
seelischen Kinderstube, die auch da noch voller Achtung und Dankbarkeit ist, wo
sie im einzelnen glaubt mißbilligen zu müssen, von dieser seelischen Kinderstube
hat der seichte Verunglimpfer Arndts keinen Hauch. Es ist von unfreiwilligem
Humor, zu sehen, wie sich hier Flachmann als Erzieher aufspielt, wie er mit
empörender Unkenntnis den freiheitsglühenden gemaßregelten Demokraten Ernst
Moritz, den Enkel von Leibeigenen, zum „Reaktionär" stempelt, wie ein ^von jedem
gesunden Volksgefühl verlassener Subalterner mit blutloser Allerweltsweisheit den
*) Die obigen Ausführungen waren geschrieben, ehe Herr Otto Ernst seinen mißglückter
Rechtfertigungsversuch in der „B. Z. am Mittag" unternahm. Sie bedürfen keiner Veränderung.
Nur sei mitgeteilt, daß die beschimpfenden Äußerungen über Ernst Moritz Nrndt nicht etwa
jetzt geschrieben wurden, sondern in einen: früheren Buch von Ernst enthalten sind. Daß sie
dadurch rühmlicher werden, kann man nicht behnupteu.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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