Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung

-- der Dichter. Ersetzt er gar noch durch Mangel an Gedanken und Unklarheit
des Ausdruckes, was ihm an Form fehlt, so braucht ihm nur seine Zukunft nicht
bange zu sein. Zunächst versichern wir vom Ban ihm zehn Jahre oder noch länger
bei jedem neuen Werk, daß es "zwar als Ganzes mißlungen genannt werden
müßte, aber voll hoher, dichterischer Schönheit sei". Und mit dieser Abschlags¬
zahlung auf den Ruhm zieht er dann in den Vorhof der Unsterblichkeit, in die
Literaturgeschichte ein.




Die Methode und die Technik der preußischen
Verwaltung')

iue sehr weitgehende Einwirkung ans die Verhältnisse in unsrer
heutigen Verwaltung mißt von Massow einer Veränderung der
Verwaltungsmethode bei, die in den letzten Jahrzehnten ein¬
getreten ist. Er erblickt darin sogar die Hauptursache der jetzigen
unerfreulichen Zustände.

Wie er richtig bemerkt, beruht unsre Verwaltung noch heute durchaus auf
deu Grundlagen, die Friedrich Wilhelm der Erste und Friedrich der Zweite
gelegt haben; alle noch geltenden Vorschriften über den Dienstbetrieb gehen
inhaltlich auf sie oder ihre Zeit zurück. Eine der wichtigsten Forderungen, die
diese beiden Könige aber an ihre Verwaltungsbeamten richteten, war die
genaueste Kenntnis des Landes und seiner Verhältnisse. Die ganze Verwaltung
war aus dieser Grundlage aufgebaut. So schrieb z. B. schon die Instruktion
für das Generaldirektorium vom 20. Dezember 1722 vor, daß die Präsidenten
der Provinzialverwaltungsbehörden ihre Departements so genau kennen sollten,
wie ein Kapitän seine Kompagnie. Ähnlich verlangte Friedrich der Große,
daß seine Kriegsräte die Provinzen "aus- und inwendig kennten". Demgemäß
sollten nach der Instruktion für die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer
von: 22. Juli 1748 die Kammermitglieoer über alle Angelegenheiten ihrer
Provinz so unterrichtet sein, daß sie ohne Rückfragen sofort berichten könnten.

Das Hauptmittel zur Erwerbung so genauer Kenntnisse waren regelmäßige
und planmäßige Bereisungen der Amtsbezirke. Alle Beamten, von deu Präsidenten
bis zu den Ortsbeamten hinunter, waren angewiesen, ihre Amtsbezirke im
ganzen Umfang regelmäßig zu bereisen, der Steuerrad z. B. jährlich zweimal.
Dabei hatten sie nicht bloß die grade schwebenden Angelegenheiten zu unter-



") Vgl. Die Not der Preuß. Vcrw. Grenzboten 1910, Ur. 3 u, 4.
Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung

— der Dichter. Ersetzt er gar noch durch Mangel an Gedanken und Unklarheit
des Ausdruckes, was ihm an Form fehlt, so braucht ihm nur seine Zukunft nicht
bange zu sein. Zunächst versichern wir vom Ban ihm zehn Jahre oder noch länger
bei jedem neuen Werk, daß es „zwar als Ganzes mißlungen genannt werden
müßte, aber voll hoher, dichterischer Schönheit sei". Und mit dieser Abschlags¬
zahlung auf den Ruhm zieht er dann in den Vorhof der Unsterblichkeit, in die
Literaturgeschichte ein.




Die Methode und die Technik der preußischen
Verwaltung')

iue sehr weitgehende Einwirkung ans die Verhältnisse in unsrer
heutigen Verwaltung mißt von Massow einer Veränderung der
Verwaltungsmethode bei, die in den letzten Jahrzehnten ein¬
getreten ist. Er erblickt darin sogar die Hauptursache der jetzigen
unerfreulichen Zustände.

Wie er richtig bemerkt, beruht unsre Verwaltung noch heute durchaus auf
deu Grundlagen, die Friedrich Wilhelm der Erste und Friedrich der Zweite
gelegt haben; alle noch geltenden Vorschriften über den Dienstbetrieb gehen
inhaltlich auf sie oder ihre Zeit zurück. Eine der wichtigsten Forderungen, die
diese beiden Könige aber an ihre Verwaltungsbeamten richteten, war die
genaueste Kenntnis des Landes und seiner Verhältnisse. Die ganze Verwaltung
war aus dieser Grundlage aufgebaut. So schrieb z. B. schon die Instruktion
für das Generaldirektorium vom 20. Dezember 1722 vor, daß die Präsidenten
der Provinzialverwaltungsbehörden ihre Departements so genau kennen sollten,
wie ein Kapitän seine Kompagnie. Ähnlich verlangte Friedrich der Große,
daß seine Kriegsräte die Provinzen „aus- und inwendig kennten". Demgemäß
sollten nach der Instruktion für die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer
von: 22. Juli 1748 die Kammermitglieoer über alle Angelegenheiten ihrer
Provinz so unterrichtet sein, daß sie ohne Rückfragen sofort berichten könnten.

Das Hauptmittel zur Erwerbung so genauer Kenntnisse waren regelmäßige
und planmäßige Bereisungen der Amtsbezirke. Alle Beamten, von deu Präsidenten
bis zu den Ortsbeamten hinunter, waren angewiesen, ihre Amtsbezirke im
ganzen Umfang regelmäßig zu bereisen, der Steuerrad z. B. jährlich zweimal.
Dabei hatten sie nicht bloß die grade schwebenden Angelegenheiten zu unter-



") Vgl. Die Not der Preuß. Vcrw. Grenzboten 1910, Ur. 3 u, 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315211"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> &#x2014; der Dichter. Ersetzt er gar noch durch Mangel an Gedanken und Unklarheit<lb/>
des Ausdruckes, was ihm an Form fehlt, so braucht ihm nur seine Zukunft nicht<lb/>
bange zu sein. Zunächst versichern wir vom Ban ihm zehn Jahre oder noch länger<lb/>
bei jedem neuen Werk, daß es &#x201E;zwar als Ganzes mißlungen genannt werden<lb/>
müßte, aber voll hoher, dichterischer Schönheit sei". Und mit dieser Abschlags¬<lb/>
zahlung auf den Ruhm zieht er dann in den Vorhof der Unsterblichkeit, in die<lb/>
Literaturgeschichte ein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Methode und die Technik der preußischen<lb/>
Verwaltung')</head><lb/>
          <p xml:id="ID_812"> iue sehr weitgehende Einwirkung ans die Verhältnisse in unsrer<lb/>
heutigen Verwaltung mißt von Massow einer Veränderung der<lb/>
Verwaltungsmethode bei, die in den letzten Jahrzehnten ein¬<lb/>
getreten ist. Er erblickt darin sogar die Hauptursache der jetzigen<lb/>
unerfreulichen Zustände.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_813"> Wie er richtig bemerkt, beruht unsre Verwaltung noch heute durchaus auf<lb/>
deu Grundlagen, die Friedrich Wilhelm der Erste und Friedrich der Zweite<lb/>
gelegt haben; alle noch geltenden Vorschriften über den Dienstbetrieb gehen<lb/>
inhaltlich auf sie oder ihre Zeit zurück. Eine der wichtigsten Forderungen, die<lb/>
diese beiden Könige aber an ihre Verwaltungsbeamten richteten, war die<lb/>
genaueste Kenntnis des Landes und seiner Verhältnisse. Die ganze Verwaltung<lb/>
war aus dieser Grundlage aufgebaut. So schrieb z. B. schon die Instruktion<lb/>
für das Generaldirektorium vom 20. Dezember 1722 vor, daß die Präsidenten<lb/>
der Provinzialverwaltungsbehörden ihre Departements so genau kennen sollten,<lb/>
wie ein Kapitän seine Kompagnie. Ähnlich verlangte Friedrich der Große,<lb/>
daß seine Kriegsräte die Provinzen &#x201E;aus- und inwendig kennten". Demgemäß<lb/>
sollten nach der Instruktion für die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer<lb/>
von: 22. Juli 1748 die Kammermitglieoer über alle Angelegenheiten ihrer<lb/>
Provinz so unterrichtet sein, daß sie ohne Rückfragen sofort berichten könnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_814" next="#ID_815"> Das Hauptmittel zur Erwerbung so genauer Kenntnisse waren regelmäßige<lb/>
und planmäßige Bereisungen der Amtsbezirke. Alle Beamten, von deu Präsidenten<lb/>
bis zu den Ortsbeamten hinunter, waren angewiesen, ihre Amtsbezirke im<lb/>
ganzen Umfang regelmäßig zu bereisen, der Steuerrad z. B. jährlich zweimal.<lb/>
Dabei hatten sie nicht bloß die grade schwebenden Angelegenheiten zu unter-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> ") Vgl. Die Not der Preuß. Vcrw.  Grenzboten 1910, Ur. 3 u, 4.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung — der Dichter. Ersetzt er gar noch durch Mangel an Gedanken und Unklarheit des Ausdruckes, was ihm an Form fehlt, so braucht ihm nur seine Zukunft nicht bange zu sein. Zunächst versichern wir vom Ban ihm zehn Jahre oder noch länger bei jedem neuen Werk, daß es „zwar als Ganzes mißlungen genannt werden müßte, aber voll hoher, dichterischer Schönheit sei". Und mit dieser Abschlags¬ zahlung auf den Ruhm zieht er dann in den Vorhof der Unsterblichkeit, in die Literaturgeschichte ein. Die Methode und die Technik der preußischen Verwaltung') iue sehr weitgehende Einwirkung ans die Verhältnisse in unsrer heutigen Verwaltung mißt von Massow einer Veränderung der Verwaltungsmethode bei, die in den letzten Jahrzehnten ein¬ getreten ist. Er erblickt darin sogar die Hauptursache der jetzigen unerfreulichen Zustände. Wie er richtig bemerkt, beruht unsre Verwaltung noch heute durchaus auf deu Grundlagen, die Friedrich Wilhelm der Erste und Friedrich der Zweite gelegt haben; alle noch geltenden Vorschriften über den Dienstbetrieb gehen inhaltlich auf sie oder ihre Zeit zurück. Eine der wichtigsten Forderungen, die diese beiden Könige aber an ihre Verwaltungsbeamten richteten, war die genaueste Kenntnis des Landes und seiner Verhältnisse. Die ganze Verwaltung war aus dieser Grundlage aufgebaut. So schrieb z. B. schon die Instruktion für das Generaldirektorium vom 20. Dezember 1722 vor, daß die Präsidenten der Provinzialverwaltungsbehörden ihre Departements so genau kennen sollten, wie ein Kapitän seine Kompagnie. Ähnlich verlangte Friedrich der Große, daß seine Kriegsräte die Provinzen „aus- und inwendig kennten". Demgemäß sollten nach der Instruktion für die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer von: 22. Juli 1748 die Kammermitglieoer über alle Angelegenheiten ihrer Provinz so unterrichtet sein, daß sie ohne Rückfragen sofort berichten könnten. Das Hauptmittel zur Erwerbung so genauer Kenntnisse waren regelmäßige und planmäßige Bereisungen der Amtsbezirke. Alle Beamten, von deu Präsidenten bis zu den Ortsbeamten hinunter, waren angewiesen, ihre Amtsbezirke im ganzen Umfang regelmäßig zu bereisen, der Steuerrad z. B. jährlich zweimal. Dabei hatten sie nicht bloß die grade schwebenden Angelegenheiten zu unter- ") Vgl. Die Not der Preuß. Vcrw. Grenzboten 1910, Ur. 3 u, 4.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/214>, abgerufen am 04.07.2024.