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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Macht natürlich unmöglich, sich auf ein Gesetz zu stütze,:, das gegen diese Ver¬
abredung später von einem Sultan von Marokko eigenmächtig erlassen worden ist,
noch dazu von einem Sultan, der damals noch nicht förmlich anerkannt war,
wenngleich er nach marokkanischen Rechtsanschauungen bereits als Inhaber der
rechtmäßigen Herrschergewalt galt. Statt der dnrch diese Lage gegebenen politischen
Notwendigkeit Rechnung zu tragen, versuchten es die Gebrüder Mannesmann mit
der rein formalen Argumentation, daß nur die Algecirasakte maßgebend sei, in der
keine Bestimmung enthalten sei, die den Sultan von Marokko in dem Erlaß eines
Berggesetzes beschränke. Das ist ganz richtig, und deshalb hatte Sultan Abdul
Asif sogleich ein Berggesetz erlassen, das alle deutschen Bewerbungen einfach bei¬
seite schob und die französischen Interessen allein begünstigte. Dagegen protestierte
die deutsche Regierung mit Erfolg! sie hätte das nicht tun können und dürfen,
wenn sie sich damals auf den Standpunkt gestellt hätte, den jetzt die Gutachten
zugunsten der Gebrüder Mannesmann einnehmen. Dann wäre es allerdings da¬
mals um alle Pläne der Herren geschehen gewesen. Wollte die deutsche Regierung
das verhindern, so mußte sie eben alle Mächte zu einer besondern Vereinbarung
über die Minenkonzessionen zusammenzubringen suchen. So kam die erwähnte
Abmachung zustande, und nun kann sich doch unmöglich unsre Regierung auf den
Standpunkt stellen, daß diese Verabredung sie nichts angeht und nur die Algeciras¬
akte für sie besteht. Trotzdem hat das Auswärtige Amt die Verpflichtung anerkannt,
das Interesse der Gebrüder Mannesmann nach Möglichkeit wahrzunehmen, und
diese Verpflichtung wird auch jetzt noch selbstverständlich festgehalten, obwohl die
erwähnten Herren gegen alles Abraten einen förmlichen Feldzug gegen die Regierung
eröffneten und sie dadurch zwingen wollten, einen Weg zu betreten, der notwendiger¬
weise zu einem völligen Fiasko führen müßte. Es ist anerkennenswert, daß sich
das Auswärtige Amt auch durch die heftigsten Angriffe nicht verleiten läßt, alle
Einzelheiten dieses Sachverhalts an die Öffentlichkeit zu bringen, weil eben alles
vermieden werden soll, was vielleicht das Entgegenkommen andrer Mächte ab¬
schwächen und die Interessen der Herren Mannesmann schädigen könnte. Ganz
läßt sich ja diese Wirkung nicht vermeiden, aber das haben die Herren selbst so
gewollt; sie sind vorher darauf hingewiesen worden.

Nebenher gehen nun noch andre Angriffe, die in offiziösen Darlegungen
bereits in vollkommen befriedigender Weise als unhaltbar nachgewiesen worden
sind. Sie beziehen sich auf die Hafenbauten in Tanger und Larasch. Auch
hier liegt den Angriffen eine ungenügende, auf Entstellungen und Mißverständ¬
nissen beruhende Information zugrunde. Dazu gesellt sich nun der Fall Haß,
die Angelegenheit eines in Venezuela tätig gewesenen Deutschen, der dort sein
Recht nicht gefunden haben will, uach endlosen Eingaben zuletzt einen schwer-
beleidigendenVrief an das Auswärtige Amt geschrieben hat und denn nach Einschreiten
der Medizinalbehörde einer Irrenanstalt zur Beobachtung überwiesen worden ist. Wer
jemals in seinem Leben einen Fall von Querulantenwahn kennen gelernt und
beobachtet hat, mußte in der Schilderung der Angelegenheit des unglücklichen Haß
auf den ersten Blick einen typischen Fall dieser Art erkennen, so daß es rätselhaft
bleibt, wie diese Sache zur Unterlage eines Angriffs auf eine Behörde gewählt
werden konnte.

Wir müssen also zu dem Schluß kommen, daß die scharfe und fortgesetzte
Kritik der Tätigkeit des Auswärtigen Amts, wie sie gerade von nationaler Seite
jetzt geübt worden ist, keinen genügenden Tatsachen unterlegen hat und daher tief
bedauert werden muß. Direkt verstimmend wirkt dabei der vielfach hervortretende
Zug ins .Kleinliche, persönlich Gehässige. So will man Herrn von Schoen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Macht natürlich unmöglich, sich auf ein Gesetz zu stütze,:, das gegen diese Ver¬
abredung später von einem Sultan von Marokko eigenmächtig erlassen worden ist,
noch dazu von einem Sultan, der damals noch nicht förmlich anerkannt war,
wenngleich er nach marokkanischen Rechtsanschauungen bereits als Inhaber der
rechtmäßigen Herrschergewalt galt. Statt der dnrch diese Lage gegebenen politischen
Notwendigkeit Rechnung zu tragen, versuchten es die Gebrüder Mannesmann mit
der rein formalen Argumentation, daß nur die Algecirasakte maßgebend sei, in der
keine Bestimmung enthalten sei, die den Sultan von Marokko in dem Erlaß eines
Berggesetzes beschränke. Das ist ganz richtig, und deshalb hatte Sultan Abdul
Asif sogleich ein Berggesetz erlassen, das alle deutschen Bewerbungen einfach bei¬
seite schob und die französischen Interessen allein begünstigte. Dagegen protestierte
die deutsche Regierung mit Erfolg! sie hätte das nicht tun können und dürfen,
wenn sie sich damals auf den Standpunkt gestellt hätte, den jetzt die Gutachten
zugunsten der Gebrüder Mannesmann einnehmen. Dann wäre es allerdings da¬
mals um alle Pläne der Herren geschehen gewesen. Wollte die deutsche Regierung
das verhindern, so mußte sie eben alle Mächte zu einer besondern Vereinbarung
über die Minenkonzessionen zusammenzubringen suchen. So kam die erwähnte
Abmachung zustande, und nun kann sich doch unmöglich unsre Regierung auf den
Standpunkt stellen, daß diese Verabredung sie nichts angeht und nur die Algeciras¬
akte für sie besteht. Trotzdem hat das Auswärtige Amt die Verpflichtung anerkannt,
das Interesse der Gebrüder Mannesmann nach Möglichkeit wahrzunehmen, und
diese Verpflichtung wird auch jetzt noch selbstverständlich festgehalten, obwohl die
erwähnten Herren gegen alles Abraten einen förmlichen Feldzug gegen die Regierung
eröffneten und sie dadurch zwingen wollten, einen Weg zu betreten, der notwendiger¬
weise zu einem völligen Fiasko führen müßte. Es ist anerkennenswert, daß sich
das Auswärtige Amt auch durch die heftigsten Angriffe nicht verleiten läßt, alle
Einzelheiten dieses Sachverhalts an die Öffentlichkeit zu bringen, weil eben alles
vermieden werden soll, was vielleicht das Entgegenkommen andrer Mächte ab¬
schwächen und die Interessen der Herren Mannesmann schädigen könnte. Ganz
läßt sich ja diese Wirkung nicht vermeiden, aber das haben die Herren selbst so
gewollt; sie sind vorher darauf hingewiesen worden.

Nebenher gehen nun noch andre Angriffe, die in offiziösen Darlegungen
bereits in vollkommen befriedigender Weise als unhaltbar nachgewiesen worden
sind. Sie beziehen sich auf die Hafenbauten in Tanger und Larasch. Auch
hier liegt den Angriffen eine ungenügende, auf Entstellungen und Mißverständ¬
nissen beruhende Information zugrunde. Dazu gesellt sich nun der Fall Haß,
die Angelegenheit eines in Venezuela tätig gewesenen Deutschen, der dort sein
Recht nicht gefunden haben will, uach endlosen Eingaben zuletzt einen schwer-
beleidigendenVrief an das Auswärtige Amt geschrieben hat und denn nach Einschreiten
der Medizinalbehörde einer Irrenanstalt zur Beobachtung überwiesen worden ist. Wer
jemals in seinem Leben einen Fall von Querulantenwahn kennen gelernt und
beobachtet hat, mußte in der Schilderung der Angelegenheit des unglücklichen Haß
auf den ersten Blick einen typischen Fall dieser Art erkennen, so daß es rätselhaft
bleibt, wie diese Sache zur Unterlage eines Angriffs auf eine Behörde gewählt
werden konnte.

Wir müssen also zu dem Schluß kommen, daß die scharfe und fortgesetzte
Kritik der Tätigkeit des Auswärtigen Amts, wie sie gerade von nationaler Seite
jetzt geübt worden ist, keinen genügenden Tatsachen unterlegen hat und daher tief
bedauert werden muß. Direkt verstimmend wirkt dabei der vielfach hervortretende
Zug ins .Kleinliche, persönlich Gehässige. So will man Herrn von Schoen


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[0100] Maßgebliches und Unmaßgebliches Macht natürlich unmöglich, sich auf ein Gesetz zu stütze,:, das gegen diese Ver¬ abredung später von einem Sultan von Marokko eigenmächtig erlassen worden ist, noch dazu von einem Sultan, der damals noch nicht förmlich anerkannt war, wenngleich er nach marokkanischen Rechtsanschauungen bereits als Inhaber der rechtmäßigen Herrschergewalt galt. Statt der dnrch diese Lage gegebenen politischen Notwendigkeit Rechnung zu tragen, versuchten es die Gebrüder Mannesmann mit der rein formalen Argumentation, daß nur die Algecirasakte maßgebend sei, in der keine Bestimmung enthalten sei, die den Sultan von Marokko in dem Erlaß eines Berggesetzes beschränke. Das ist ganz richtig, und deshalb hatte Sultan Abdul Asif sogleich ein Berggesetz erlassen, das alle deutschen Bewerbungen einfach bei¬ seite schob und die französischen Interessen allein begünstigte. Dagegen protestierte die deutsche Regierung mit Erfolg! sie hätte das nicht tun können und dürfen, wenn sie sich damals auf den Standpunkt gestellt hätte, den jetzt die Gutachten zugunsten der Gebrüder Mannesmann einnehmen. Dann wäre es allerdings da¬ mals um alle Pläne der Herren geschehen gewesen. Wollte die deutsche Regierung das verhindern, so mußte sie eben alle Mächte zu einer besondern Vereinbarung über die Minenkonzessionen zusammenzubringen suchen. So kam die erwähnte Abmachung zustande, und nun kann sich doch unmöglich unsre Regierung auf den Standpunkt stellen, daß diese Verabredung sie nichts angeht und nur die Algeciras¬ akte für sie besteht. Trotzdem hat das Auswärtige Amt die Verpflichtung anerkannt, das Interesse der Gebrüder Mannesmann nach Möglichkeit wahrzunehmen, und diese Verpflichtung wird auch jetzt noch selbstverständlich festgehalten, obwohl die erwähnten Herren gegen alles Abraten einen förmlichen Feldzug gegen die Regierung eröffneten und sie dadurch zwingen wollten, einen Weg zu betreten, der notwendiger¬ weise zu einem völligen Fiasko führen müßte. Es ist anerkennenswert, daß sich das Auswärtige Amt auch durch die heftigsten Angriffe nicht verleiten läßt, alle Einzelheiten dieses Sachverhalts an die Öffentlichkeit zu bringen, weil eben alles vermieden werden soll, was vielleicht das Entgegenkommen andrer Mächte ab¬ schwächen und die Interessen der Herren Mannesmann schädigen könnte. Ganz läßt sich ja diese Wirkung nicht vermeiden, aber das haben die Herren selbst so gewollt; sie sind vorher darauf hingewiesen worden. Nebenher gehen nun noch andre Angriffe, die in offiziösen Darlegungen bereits in vollkommen befriedigender Weise als unhaltbar nachgewiesen worden sind. Sie beziehen sich auf die Hafenbauten in Tanger und Larasch. Auch hier liegt den Angriffen eine ungenügende, auf Entstellungen und Mißverständ¬ nissen beruhende Information zugrunde. Dazu gesellt sich nun der Fall Haß, die Angelegenheit eines in Venezuela tätig gewesenen Deutschen, der dort sein Recht nicht gefunden haben will, uach endlosen Eingaben zuletzt einen schwer- beleidigendenVrief an das Auswärtige Amt geschrieben hat und denn nach Einschreiten der Medizinalbehörde einer Irrenanstalt zur Beobachtung überwiesen worden ist. Wer jemals in seinem Leben einen Fall von Querulantenwahn kennen gelernt und beobachtet hat, mußte in der Schilderung der Angelegenheit des unglücklichen Haß auf den ersten Blick einen typischen Fall dieser Art erkennen, so daß es rätselhaft bleibt, wie diese Sache zur Unterlage eines Angriffs auf eine Behörde gewählt werden konnte. Wir müssen also zu dem Schluß kommen, daß die scharfe und fortgesetzte Kritik der Tätigkeit des Auswärtigen Amts, wie sie gerade von nationaler Seite jetzt geübt worden ist, keinen genügenden Tatsachen unterlegen hat und daher tief bedauert werden muß. Direkt verstimmend wirkt dabei der vielfach hervortretende Zug ins .Kleinliche, persönlich Gehässige. So will man Herrn von Schoen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/100>, abgerufen am 22.12.2024.