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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Die Bibel in neuer Gestalt

ein unentbehrliches Handbuch derer werden, die sich um ein geschichtliches Ver¬
ständnis des Alten Testaments bemühen.

Neben dieser Übersetzung des Alten Testaments können wir zugleich noch
eine des Neuen Testaments empfehlen, die eben erschienene von Bernhard Weiß
(Das Neue Testament in Luthers Übersetzung nach dem Grundtext berichtigt
und verbessert von v. B. Weiß. Leipzig, Hinrichs, 1909. Gebunden zwei Mark).
Auch hier handelt es sich nicht um ein ganz neues Werk; Weiß hat den hier
gebotnen Text im wesentlichen schon früher in einer größern Ausgabe mit Er¬
läuterungen veröffentlicht (Hinrichs, 1907. Zwei Bände, gebunden je sechs Mark).
Aber erst durch diese Textausgabe ist eine weite Verbreitung dieser Übersetzung
ermöglicht. Das Eigentümliche der Ausgabe ist, daß es sich dabei nicht wie
bei Weizsäcker und andern um eine ganz selbständige Übertragung in moderner
Redeweise handelt, sondern um den Versuch, eine der heutigen Kenntnis des
Grundtextes voll entsprechende Übertragung des Neuen Testaments zu bieten,
die sich doch, soweit nur irgend möglich, an den Lutherschen Text anschließt.
Weiß will damit den vielen Gemeindegliedern, die an der alten ihnen so ver¬
traut gewordnen Sprache Luthers hängen und doch alles irrige und mißver¬
ständliche verbessert haben möchten, eine Ausgabe bieten, die ihnen wirklich zur
Grundlage ihrer Erbauung dienen kann und doch anch dem wissenschaftlichen
Verständnis unsrer Zeit entspricht. Es war wohl kaum ein andrer zu solchem
Unternehmen so berufen wie Bernhard Weiß, der ehrwürdige gelehrte und fein¬
sinnige Kenner des Neuen Testaments, und sein Werk darf allen denen, die
eine solche Ausgabe bisher vermißt haben, aufs wärmste empfohlen werden.
Nur ein paar kleine Fragezeichen. Ist Luk. 2, 11 die Verbesserung "ein ge¬
salbter Herr" statt Luthers "Christus der Herr" glücklich? Zu lesen ist wohl
eigentlich wie 2, 26 "der Gesalbte des Herrn". Warum schreibt Weiß in
Luk. 2, 14 "Frieden auf Erden" statt Luthers richtigem "Friede auf Erden"?
Kann man eine Übersetzung wie die von Rom. 4, 1 verstehn? Unbedingt sind
doch hier die ersten Worte, wie stets bei Paulus, ein Satz für sich: "Was
sollen wir nun sagen?" Doch im ganzen darf die Neugestaltung des Lutherschen
Textes durch Weiß als eine außerordentlich wertvolle Vorarbeit für eine neue
"revidierte Bibel" bezeichnet werden, die hoffentlich recht bald einmal von den
evangelischen Landeskirchen in Angriff genommen wird.

Mit besondrer Freude weisen wir endlich noch hin auf die für das christ¬
liche Haus bestimmte Bibelbearbeitung, die wir dem jüngst heimgegangnen
obersten Geistlichen der preußischen Armee, Feldpropst 0. Richter, verdanken
(Die Bibel in Hausandachten. Berlin, Reimer, 1908. Zwei starke Bünde,
gebunden je 4,75 Mark). Rosegger rühmt es einmal als einen der großen
Vorzüge des deutschen Protestantismus vor dem Katholizismus, daß es unge¬
zählte evangelische Christenhäuser gebe, in denen sich die Familie zur Haus¬
andacht sammle und der Vater als rechter Hauspriester den Seinen aus der
Bibel vorlese. Wenn nun auch diese Sitte im evangelischen Deutschland weiten


Die Bibel in neuer Gestalt

ein unentbehrliches Handbuch derer werden, die sich um ein geschichtliches Ver¬
ständnis des Alten Testaments bemühen.

Neben dieser Übersetzung des Alten Testaments können wir zugleich noch
eine des Neuen Testaments empfehlen, die eben erschienene von Bernhard Weiß
(Das Neue Testament in Luthers Übersetzung nach dem Grundtext berichtigt
und verbessert von v. B. Weiß. Leipzig, Hinrichs, 1909. Gebunden zwei Mark).
Auch hier handelt es sich nicht um ein ganz neues Werk; Weiß hat den hier
gebotnen Text im wesentlichen schon früher in einer größern Ausgabe mit Er¬
läuterungen veröffentlicht (Hinrichs, 1907. Zwei Bände, gebunden je sechs Mark).
Aber erst durch diese Textausgabe ist eine weite Verbreitung dieser Übersetzung
ermöglicht. Das Eigentümliche der Ausgabe ist, daß es sich dabei nicht wie
bei Weizsäcker und andern um eine ganz selbständige Übertragung in moderner
Redeweise handelt, sondern um den Versuch, eine der heutigen Kenntnis des
Grundtextes voll entsprechende Übertragung des Neuen Testaments zu bieten,
die sich doch, soweit nur irgend möglich, an den Lutherschen Text anschließt.
Weiß will damit den vielen Gemeindegliedern, die an der alten ihnen so ver¬
traut gewordnen Sprache Luthers hängen und doch alles irrige und mißver¬
ständliche verbessert haben möchten, eine Ausgabe bieten, die ihnen wirklich zur
Grundlage ihrer Erbauung dienen kann und doch anch dem wissenschaftlichen
Verständnis unsrer Zeit entspricht. Es war wohl kaum ein andrer zu solchem
Unternehmen so berufen wie Bernhard Weiß, der ehrwürdige gelehrte und fein¬
sinnige Kenner des Neuen Testaments, und sein Werk darf allen denen, die
eine solche Ausgabe bisher vermißt haben, aufs wärmste empfohlen werden.
Nur ein paar kleine Fragezeichen. Ist Luk. 2, 11 die Verbesserung „ein ge¬
salbter Herr" statt Luthers „Christus der Herr" glücklich? Zu lesen ist wohl
eigentlich wie 2, 26 „der Gesalbte des Herrn". Warum schreibt Weiß in
Luk. 2, 14 „Frieden auf Erden" statt Luthers richtigem „Friede auf Erden"?
Kann man eine Übersetzung wie die von Rom. 4, 1 verstehn? Unbedingt sind
doch hier die ersten Worte, wie stets bei Paulus, ein Satz für sich: „Was
sollen wir nun sagen?" Doch im ganzen darf die Neugestaltung des Lutherschen
Textes durch Weiß als eine außerordentlich wertvolle Vorarbeit für eine neue
„revidierte Bibel" bezeichnet werden, die hoffentlich recht bald einmal von den
evangelischen Landeskirchen in Angriff genommen wird.

Mit besondrer Freude weisen wir endlich noch hin auf die für das christ¬
liche Haus bestimmte Bibelbearbeitung, die wir dem jüngst heimgegangnen
obersten Geistlichen der preußischen Armee, Feldpropst 0. Richter, verdanken
(Die Bibel in Hausandachten. Berlin, Reimer, 1908. Zwei starke Bünde,
gebunden je 4,75 Mark). Rosegger rühmt es einmal als einen der großen
Vorzüge des deutschen Protestantismus vor dem Katholizismus, daß es unge¬
zählte evangelische Christenhäuser gebe, in denen sich die Familie zur Haus¬
andacht sammle und der Vater als rechter Hauspriester den Seinen aus der
Bibel vorlese. Wenn nun auch diese Sitte im evangelischen Deutschland weiten


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[0462] Die Bibel in neuer Gestalt ein unentbehrliches Handbuch derer werden, die sich um ein geschichtliches Ver¬ ständnis des Alten Testaments bemühen. Neben dieser Übersetzung des Alten Testaments können wir zugleich noch eine des Neuen Testaments empfehlen, die eben erschienene von Bernhard Weiß (Das Neue Testament in Luthers Übersetzung nach dem Grundtext berichtigt und verbessert von v. B. Weiß. Leipzig, Hinrichs, 1909. Gebunden zwei Mark). Auch hier handelt es sich nicht um ein ganz neues Werk; Weiß hat den hier gebotnen Text im wesentlichen schon früher in einer größern Ausgabe mit Er¬ läuterungen veröffentlicht (Hinrichs, 1907. Zwei Bände, gebunden je sechs Mark). Aber erst durch diese Textausgabe ist eine weite Verbreitung dieser Übersetzung ermöglicht. Das Eigentümliche der Ausgabe ist, daß es sich dabei nicht wie bei Weizsäcker und andern um eine ganz selbständige Übertragung in moderner Redeweise handelt, sondern um den Versuch, eine der heutigen Kenntnis des Grundtextes voll entsprechende Übertragung des Neuen Testaments zu bieten, die sich doch, soweit nur irgend möglich, an den Lutherschen Text anschließt. Weiß will damit den vielen Gemeindegliedern, die an der alten ihnen so ver¬ traut gewordnen Sprache Luthers hängen und doch alles irrige und mißver¬ ständliche verbessert haben möchten, eine Ausgabe bieten, die ihnen wirklich zur Grundlage ihrer Erbauung dienen kann und doch anch dem wissenschaftlichen Verständnis unsrer Zeit entspricht. Es war wohl kaum ein andrer zu solchem Unternehmen so berufen wie Bernhard Weiß, der ehrwürdige gelehrte und fein¬ sinnige Kenner des Neuen Testaments, und sein Werk darf allen denen, die eine solche Ausgabe bisher vermißt haben, aufs wärmste empfohlen werden. Nur ein paar kleine Fragezeichen. Ist Luk. 2, 11 die Verbesserung „ein ge¬ salbter Herr" statt Luthers „Christus der Herr" glücklich? Zu lesen ist wohl eigentlich wie 2, 26 „der Gesalbte des Herrn". Warum schreibt Weiß in Luk. 2, 14 „Frieden auf Erden" statt Luthers richtigem „Friede auf Erden"? Kann man eine Übersetzung wie die von Rom. 4, 1 verstehn? Unbedingt sind doch hier die ersten Worte, wie stets bei Paulus, ein Satz für sich: „Was sollen wir nun sagen?" Doch im ganzen darf die Neugestaltung des Lutherschen Textes durch Weiß als eine außerordentlich wertvolle Vorarbeit für eine neue „revidierte Bibel" bezeichnet werden, die hoffentlich recht bald einmal von den evangelischen Landeskirchen in Angriff genommen wird. Mit besondrer Freude weisen wir endlich noch hin auf die für das christ¬ liche Haus bestimmte Bibelbearbeitung, die wir dem jüngst heimgegangnen obersten Geistlichen der preußischen Armee, Feldpropst 0. Richter, verdanken (Die Bibel in Hausandachten. Berlin, Reimer, 1908. Zwei starke Bünde, gebunden je 4,75 Mark). Rosegger rühmt es einmal als einen der großen Vorzüge des deutschen Protestantismus vor dem Katholizismus, daß es unge¬ zählte evangelische Christenhäuser gebe, in denen sich die Familie zur Haus¬ andacht sammle und der Vater als rechter Hauspriester den Seinen aus der Bibel vorlese. Wenn nun auch diese Sitte im evangelischen Deutschland weiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/462>, abgerufen am 24.07.2024.