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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Lälscherkünste

sagte es ihm zu und erließ sogleich nach Florenz an Ottaviano dei Medici,
der die Regentschaft führte, den Befehl, das Bild nach Mantua zu senden.
Der schlaue Ottaviano, der keine Lust hatte, sich von dem Gemälde zu trennen,
schrieb dem Papste, der Rahmen des Bildes sei schadhaft und müsse erst er¬
neuert und vergoldet werden. Sei dies geschehen, so werde er das Bild an
den Herzog schicken. Inzwischen ließ er durch Andrea del Sarto in aller
Stille eine Kopie anfertigen, die dann nach Mantua gesandt wurde und das
Entzücken Federigos und seines Hofmalers Giulio Romano, des Lieblings¬
schülers Raffaels, erregte. Zwanzig Jahre später teilte Vasari, der als Schüler
del Sartos dem ganzen Handel beigewohnt hatte, Giulio Romano den Sach¬
verhalt mit, als ihm dieser die Kunstschätze des Hauses Gonzaga zeigte. Und
in der Tat fand man an der von Vasari angegebnen Stelle die Künstlermarke
des Kopisten.

Daß man durchaus nicht immer einen Künstler von den Qualitäten eines
Andrea del Sarto zu bemühen braucht, um Liebhaber irrezuführen, beweist ein
andrer von Roeßler erzählter Fall. Ein kleiner Wiener Händler, in dessen
Laden neben vielem Minderwertigen zuweilen gute Stücke zu sehen waren,
benachrichtigte die Interessenten, daß er wieder einmal eine Kostbarkeit an der
Hand habe, "'s is etwas a Memling oder Roger van der Weyden oder a
Bouts". Die Amateure fanden sich ein und untersuchten das Gemälde, das
auf ein altes, vom Wurm zerfressenes Eichenbrett mit der alten Brandmarke
der Amsterdamer Se. Lukasgilde gemalt zu sein schien. Ein Kommerzienrat
erklärte sich schon bereit, 20000 Kronen dafür zu zahlen, wenn es ein be¬
kannter Kenner, der gerade den Laden betrat, als echt begutachte. "Der Ex¬
perte ging mit dem Bilde an die Ladentür, um es in vollem Tageslicht zu
sehen. Als er zurücktrat, erklärte er: "Das Bild hier ist ein präparierter
Kombinationsdruck auf Papier!" . . . Wie sich nachträglich herausstellte, war
das Bild eine Farbentafel aus dem im Verlag von Fischer <K Franke er¬
scheinenden, von Bode und Friedländer herausgegebnen Sammelwerke von
farbigen Reproduktionen alter Meister. Es war sehr sorgfältig auf ein altes
abgeriebnes Malbrett geklebt, die verräterischen Ränder waren cachiert, die
feine Craquelure, die auch die Reproduktion zeigt, war mit der Radiernadel
vertieft nachgeritzt und mit dunkler Farbe eingerieben, und das Ganze mit
dickem Firnis überstrichen worden."

Angesichts solcher Vorkommnisse, deren Roeßler unzählige mitteilt, kann
man den Sammlern wie den Kunstfreunden überhaupt nur raten, das hier
angezeigte Buch so aufmerksam wie möglich zu lesen, visons moniti!


I- R- h.


Lälscherkünste

sagte es ihm zu und erließ sogleich nach Florenz an Ottaviano dei Medici,
der die Regentschaft führte, den Befehl, das Bild nach Mantua zu senden.
Der schlaue Ottaviano, der keine Lust hatte, sich von dem Gemälde zu trennen,
schrieb dem Papste, der Rahmen des Bildes sei schadhaft und müsse erst er¬
neuert und vergoldet werden. Sei dies geschehen, so werde er das Bild an
den Herzog schicken. Inzwischen ließ er durch Andrea del Sarto in aller
Stille eine Kopie anfertigen, die dann nach Mantua gesandt wurde und das
Entzücken Federigos und seines Hofmalers Giulio Romano, des Lieblings¬
schülers Raffaels, erregte. Zwanzig Jahre später teilte Vasari, der als Schüler
del Sartos dem ganzen Handel beigewohnt hatte, Giulio Romano den Sach¬
verhalt mit, als ihm dieser die Kunstschätze des Hauses Gonzaga zeigte. Und
in der Tat fand man an der von Vasari angegebnen Stelle die Künstlermarke
des Kopisten.

Daß man durchaus nicht immer einen Künstler von den Qualitäten eines
Andrea del Sarto zu bemühen braucht, um Liebhaber irrezuführen, beweist ein
andrer von Roeßler erzählter Fall. Ein kleiner Wiener Händler, in dessen
Laden neben vielem Minderwertigen zuweilen gute Stücke zu sehen waren,
benachrichtigte die Interessenten, daß er wieder einmal eine Kostbarkeit an der
Hand habe, „'s is etwas a Memling oder Roger van der Weyden oder a
Bouts". Die Amateure fanden sich ein und untersuchten das Gemälde, das
auf ein altes, vom Wurm zerfressenes Eichenbrett mit der alten Brandmarke
der Amsterdamer Se. Lukasgilde gemalt zu sein schien. Ein Kommerzienrat
erklärte sich schon bereit, 20000 Kronen dafür zu zahlen, wenn es ein be¬
kannter Kenner, der gerade den Laden betrat, als echt begutachte. „Der Ex¬
perte ging mit dem Bilde an die Ladentür, um es in vollem Tageslicht zu
sehen. Als er zurücktrat, erklärte er: »Das Bild hier ist ein präparierter
Kombinationsdruck auf Papier!« . . . Wie sich nachträglich herausstellte, war
das Bild eine Farbentafel aus dem im Verlag von Fischer <K Franke er¬
scheinenden, von Bode und Friedländer herausgegebnen Sammelwerke von
farbigen Reproduktionen alter Meister. Es war sehr sorgfältig auf ein altes
abgeriebnes Malbrett geklebt, die verräterischen Ränder waren cachiert, die
feine Craquelure, die auch die Reproduktion zeigt, war mit der Radiernadel
vertieft nachgeritzt und mit dunkler Farbe eingerieben, und das Ganze mit
dickem Firnis überstrichen worden."

Angesichts solcher Vorkommnisse, deren Roeßler unzählige mitteilt, kann
man den Sammlern wie den Kunstfreunden überhaupt nur raten, das hier
angezeigte Buch so aufmerksam wie möglich zu lesen, visons moniti!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/428>, abgerufen am 24.07.2024.