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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Jugendschriften

Darum sind jedem Liede die Noten beigegeben, und der Tonsatz überschreitet
nicht den Umfang der kindlichen Stimme. Neben vielen kleinern Illustrationen
sind auf jeder zweiten Seite wohlgelungne Vollbilder, die den Kindern in
entzückender Art den Inhalt der Lieder veranschaulichen. Der Maler Ernst
Liebermann und der Komponist Bernhard Scholz haben sich zusammengetan,
um mit diesem Buche den Kindern einen heitern Spielgeführten in die Kinder¬
stube zu schicken. Jeder Band dieser Sammlung, die bisher in vier Bünden
ist, kostet gut gebunden eine Mark. Durch den überaus billigen Preis wird
dieses Buch hoffentlich auch in weniger bemittelten Kreisen Einkehr halten.

Daß sich die Kunst auch der Kinderspiele bemächtigt hat, ist ein weiterer
Fortschritt in dem Bemühen, dem Kinde alles Unschöne fernzuhalten, und es
ist sehr erfreulich, daß sich die humorvollen Künstler Arpad Schund Hammer,
Otto Gebhardt und Carl Kappstein der Ausführung der Bilderspiele angenommen
haben. Bei dem Quartettspiel: Kinderreime*) habe ich es erlebt, wie ein sieben¬
jähriges Mädchen bat: "Bitte, nicht so schnell spielen, ich muß mir erst die
Bilder besehen, sie sind zu schön." - ' !

Eine ganz andre Art von Kunst als die vorhergenannten Maler gibt Ernst
Kreidolf. Wir kennen ihn aus den "Schlafenden Bäumen", den "Blumenmärchen",
"Wiesenzwergen" u. a. und haben uns an seiner innigen, feinen Art, die Dinge zu
geben, ergötzt. Seine tiefste, künstlerisch feinste Schöpfung aber sind die "Sommer¬
vögel"**). Das Leben und Sterben der Schmetterlinge zieht Bild für Bild an uns
vorüber. Kreidolf gibt jeder Art ihre persönliche Färbung, nicht nur^ was
ihr buntschillerndes, märchenschönes Gewand betrifft, sondern mich ihr ihnen
besonders eignes Wesen wird uns durch den Gesichtsausdruck, die Art ihrer
Beschäftigung und den begleitenden Text erläutert. Ein Kunstwerk wie dieses
ist schwer zu beschreiben, es analysieren hieße es verkleinern. Allein schon das
Vorsatzpapier mit den schlaftrunkner, traumbefangnen Sommervögeln, denen die
Mondsichel und glitzernde Sterne leuchten, während sie sich auf schwanken Ähren
schaukeln lassen, ist ein ästhetischer Genuß. Kreidolfs Werke eignen sich ebenso
für Erwachsne wie für Kinder, natürlich werden diese keineswegs schon die
große Kunst des Meisters als solche erfassen können, doch dies gerade ist
vielleicht ein Grund mehr, sie oft und oft mit ihr bekannt zu machen.

"Das Beste ist für Kinder gerade gut genug"; wenn die Verfasser der
Jugendschriften, die Illustratoren, die Verleger und auch die Eltern nach diesem
Grundsatz handeln, so dürfen wir hoffen, daß unsre Kinder freundlichere und
innigere Erinnerungen an ihre Bücherfreunde mit ins Leben hinübernehmen,
als es uns selbst vergönnt war.






*) Verlag von Jos. Scholz in Mainz.
**) Verlag von Hermann und Frievr. Schaffstein in Köln.
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Jugendschriften

Darum sind jedem Liede die Noten beigegeben, und der Tonsatz überschreitet
nicht den Umfang der kindlichen Stimme. Neben vielen kleinern Illustrationen
sind auf jeder zweiten Seite wohlgelungne Vollbilder, die den Kindern in
entzückender Art den Inhalt der Lieder veranschaulichen. Der Maler Ernst
Liebermann und der Komponist Bernhard Scholz haben sich zusammengetan,
um mit diesem Buche den Kindern einen heitern Spielgeführten in die Kinder¬
stube zu schicken. Jeder Band dieser Sammlung, die bisher in vier Bünden
ist, kostet gut gebunden eine Mark. Durch den überaus billigen Preis wird
dieses Buch hoffentlich auch in weniger bemittelten Kreisen Einkehr halten.

Daß sich die Kunst auch der Kinderspiele bemächtigt hat, ist ein weiterer
Fortschritt in dem Bemühen, dem Kinde alles Unschöne fernzuhalten, und es
ist sehr erfreulich, daß sich die humorvollen Künstler Arpad Schund Hammer,
Otto Gebhardt und Carl Kappstein der Ausführung der Bilderspiele angenommen
haben. Bei dem Quartettspiel: Kinderreime*) habe ich es erlebt, wie ein sieben¬
jähriges Mädchen bat: „Bitte, nicht so schnell spielen, ich muß mir erst die
Bilder besehen, sie sind zu schön." - ' !

Eine ganz andre Art von Kunst als die vorhergenannten Maler gibt Ernst
Kreidolf. Wir kennen ihn aus den „Schlafenden Bäumen", den „Blumenmärchen",
„Wiesenzwergen" u. a. und haben uns an seiner innigen, feinen Art, die Dinge zu
geben, ergötzt. Seine tiefste, künstlerisch feinste Schöpfung aber sind die „Sommer¬
vögel"**). Das Leben und Sterben der Schmetterlinge zieht Bild für Bild an uns
vorüber. Kreidolf gibt jeder Art ihre persönliche Färbung, nicht nur^ was
ihr buntschillerndes, märchenschönes Gewand betrifft, sondern mich ihr ihnen
besonders eignes Wesen wird uns durch den Gesichtsausdruck, die Art ihrer
Beschäftigung und den begleitenden Text erläutert. Ein Kunstwerk wie dieses
ist schwer zu beschreiben, es analysieren hieße es verkleinern. Allein schon das
Vorsatzpapier mit den schlaftrunkner, traumbefangnen Sommervögeln, denen die
Mondsichel und glitzernde Sterne leuchten, während sie sich auf schwanken Ähren
schaukeln lassen, ist ein ästhetischer Genuß. Kreidolfs Werke eignen sich ebenso
für Erwachsne wie für Kinder, natürlich werden diese keineswegs schon die
große Kunst des Meisters als solche erfassen können, doch dies gerade ist
vielleicht ein Grund mehr, sie oft und oft mit ihr bekannt zu machen.

„Das Beste ist für Kinder gerade gut genug"; wenn die Verfasser der
Jugendschriften, die Illustratoren, die Verleger und auch die Eltern nach diesem
Grundsatz handeln, so dürfen wir hoffen, daß unsre Kinder freundlichere und
innigere Erinnerungen an ihre Bücherfreunde mit ins Leben hinübernehmen,
als es uns selbst vergönnt war.






*) Verlag von Jos. Scholz in Mainz.
**) Verlag von Hermann und Frievr. Schaffstein in Köln.
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[0372] Jugendschriften Darum sind jedem Liede die Noten beigegeben, und der Tonsatz überschreitet nicht den Umfang der kindlichen Stimme. Neben vielen kleinern Illustrationen sind auf jeder zweiten Seite wohlgelungne Vollbilder, die den Kindern in entzückender Art den Inhalt der Lieder veranschaulichen. Der Maler Ernst Liebermann und der Komponist Bernhard Scholz haben sich zusammengetan, um mit diesem Buche den Kindern einen heitern Spielgeführten in die Kinder¬ stube zu schicken. Jeder Band dieser Sammlung, die bisher in vier Bünden ist, kostet gut gebunden eine Mark. Durch den überaus billigen Preis wird dieses Buch hoffentlich auch in weniger bemittelten Kreisen Einkehr halten. Daß sich die Kunst auch der Kinderspiele bemächtigt hat, ist ein weiterer Fortschritt in dem Bemühen, dem Kinde alles Unschöne fernzuhalten, und es ist sehr erfreulich, daß sich die humorvollen Künstler Arpad Schund Hammer, Otto Gebhardt und Carl Kappstein der Ausführung der Bilderspiele angenommen haben. Bei dem Quartettspiel: Kinderreime*) habe ich es erlebt, wie ein sieben¬ jähriges Mädchen bat: „Bitte, nicht so schnell spielen, ich muß mir erst die Bilder besehen, sie sind zu schön." - ' ! Eine ganz andre Art von Kunst als die vorhergenannten Maler gibt Ernst Kreidolf. Wir kennen ihn aus den „Schlafenden Bäumen", den „Blumenmärchen", „Wiesenzwergen" u. a. und haben uns an seiner innigen, feinen Art, die Dinge zu geben, ergötzt. Seine tiefste, künstlerisch feinste Schöpfung aber sind die „Sommer¬ vögel"**). Das Leben und Sterben der Schmetterlinge zieht Bild für Bild an uns vorüber. Kreidolf gibt jeder Art ihre persönliche Färbung, nicht nur^ was ihr buntschillerndes, märchenschönes Gewand betrifft, sondern mich ihr ihnen besonders eignes Wesen wird uns durch den Gesichtsausdruck, die Art ihrer Beschäftigung und den begleitenden Text erläutert. Ein Kunstwerk wie dieses ist schwer zu beschreiben, es analysieren hieße es verkleinern. Allein schon das Vorsatzpapier mit den schlaftrunkner, traumbefangnen Sommervögeln, denen die Mondsichel und glitzernde Sterne leuchten, während sie sich auf schwanken Ähren schaukeln lassen, ist ein ästhetischer Genuß. Kreidolfs Werke eignen sich ebenso für Erwachsne wie für Kinder, natürlich werden diese keineswegs schon die große Kunst des Meisters als solche erfassen können, doch dies gerade ist vielleicht ein Grund mehr, sie oft und oft mit ihr bekannt zu machen. „Das Beste ist für Kinder gerade gut genug"; wenn die Verfasser der Jugendschriften, die Illustratoren, die Verleger und auch die Eltern nach diesem Grundsatz handeln, so dürfen wir hoffen, daß unsre Kinder freundlichere und innigere Erinnerungen an ihre Bücherfreunde mit ins Leben hinübernehmen, als es uns selbst vergönnt war. *) Verlag von Jos. Scholz in Mainz. **) Verlag von Hermann und Frievr. Schaffstein in Köln. ''"'-»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/372>, abgerufen am 24.07.2024.