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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Mutualismus und Neuprotektionismus

wie Arbeiterversicherung, Schiedsverfahren zur Beilegung von Arbeiterstreitig¬
keiten, Einwandrungsgesetzgebuug betraut, die bekanntlich in andern demokratischen
Bundesstaaten meist den Einzelregierungen überlassen bleiben. So war in allen
Teilen der Boden gesichert und wohlvorbereitet, auf dem der Commonwealth
den Tempel des Neuprotektionismus errichten konnte.

Die ersten Bauversuche können übergangen werden. Es genügt eine Über¬
sicht über den Komplex der jüngsten Gesetze, in denen sich der zielbewußt
gewordne Geist dieser Wirtschaftspolitik widerspiegelt, nämlich:

1. die Lu^r Lormt^ ^oth von 1903 und 1905,
2. der Lommonvealtd Loneili-Mein Ävü ^rditration ^ot von 1904,
3. der rrgckk8 NarKs ^et von 1905,
4. der L!c>inmsr<Zö L.ot von 1905,
5. der ^ustraliim In<Zit8tiiss ?r68örvg,einen ^vt von 1906,
6. die Larvester ^als von 1906 und 1907,
7^ der VilLtories ^vt von 1908.

Das erste Einwandrungsgesetz des Bundes, der InuniZration ReLtrietion ^.et
von 1901, überbot an Schärfe alle bisher von den Einzelstaaten erlassenen
Gesetze gleicher Art. Durch die Bestimmung, daß jedem der Zutritt zum Bundes¬
gebiet verwehrt werden kann, der nicht imstande ist, fünfzig Worte nach Diktat
in irgendeiner europäische" Sprache zu schreiben, wurde den ostasiatischen
Völkern die Tür zum Bundesgebiet überhaupt versperrt, nicht minder aber auch
die Möglichkeit gegeben, jeden Europäer fernzuhalten, wenn es beliebt wurde.
Mit diesem Akt korrespondiert der ?aoiöe Island I^dourers ^vt von 1901,
der die Einwandrung der Südseemalaien von 1904 schlechthin verbot und
außerdem bestimmte, daß die mit diesen Farbigen geschlossenen Kontrakte bis
zu demselben Jahr zu lösen und daß die Entlassener zu repatriieren seien. Das
Gesetz richtete seine Spitze gegen die Malaienarbeit in der Queensländer Zucker¬
industrie. Um die Plantagenbesitzer für die Belastung zu entschädigen, die sich
aus der Beschränkung auf die teure weiße Arbeit ergab, griff man zum Staats-
prümiensystem, verband aber damit zugleich eine gesetzliche Regelung der Löhne.
So wurden die Luxar Laune? ^.öls vorbildlich für die eigenartige Verquickung
von Rassen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie sie dem Neuprotektionismus
eigen ist. Die Zuckerprämiengesetze gewähren eine staatliche Vergütung auf allen
von weißen Arbeitern hergestellten Zucker, jedoch nur unter der Bedingung,
daß die Löhne eine "angemessene" Höhe erreichen.

Derartige Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zugunsten einzelner
Industrien hatten natürlich die Wirkung, daß andre Gewerbe dieselben Unter¬
stützungen verlangten. Besonders energisch ging in dieser Richtung der mächtige
Larvester*) eomdius vor, ein von den Unternehmern der landwirtschaftlichen



*) Der Name rührt von der Marke üsivsstsr 8tiippsr" (Erntemaschinen mit Abstreis-
vvrrichtung) her. ^ ,. i ,
Grenzboten IV 1909 4,"
Mutualismus und Neuprotektionismus

wie Arbeiterversicherung, Schiedsverfahren zur Beilegung von Arbeiterstreitig¬
keiten, Einwandrungsgesetzgebuug betraut, die bekanntlich in andern demokratischen
Bundesstaaten meist den Einzelregierungen überlassen bleiben. So war in allen
Teilen der Boden gesichert und wohlvorbereitet, auf dem der Commonwealth
den Tempel des Neuprotektionismus errichten konnte.

Die ersten Bauversuche können übergangen werden. Es genügt eine Über¬
sicht über den Komplex der jüngsten Gesetze, in denen sich der zielbewußt
gewordne Geist dieser Wirtschaftspolitik widerspiegelt, nämlich:

1. die Lu^r Lormt^ ^oth von 1903 und 1905,
2. der Lommonvealtd Loneili-Mein Ävü ^rditration ^ot von 1904,
3. der rrgckk8 NarKs ^et von 1905,
4. der L!c>inmsr<Zö L.ot von 1905,
5. der ^ustraliim In<Zit8tiiss ?r68örvg,einen ^vt von 1906,
6. die Larvester ^als von 1906 und 1907,
7^ der VilLtories ^vt von 1908.

Das erste Einwandrungsgesetz des Bundes, der InuniZration ReLtrietion ^.et
von 1901, überbot an Schärfe alle bisher von den Einzelstaaten erlassenen
Gesetze gleicher Art. Durch die Bestimmung, daß jedem der Zutritt zum Bundes¬
gebiet verwehrt werden kann, der nicht imstande ist, fünfzig Worte nach Diktat
in irgendeiner europäische» Sprache zu schreiben, wurde den ostasiatischen
Völkern die Tür zum Bundesgebiet überhaupt versperrt, nicht minder aber auch
die Möglichkeit gegeben, jeden Europäer fernzuhalten, wenn es beliebt wurde.
Mit diesem Akt korrespondiert der ?aoiöe Island I^dourers ^vt von 1901,
der die Einwandrung der Südseemalaien von 1904 schlechthin verbot und
außerdem bestimmte, daß die mit diesen Farbigen geschlossenen Kontrakte bis
zu demselben Jahr zu lösen und daß die Entlassener zu repatriieren seien. Das
Gesetz richtete seine Spitze gegen die Malaienarbeit in der Queensländer Zucker¬
industrie. Um die Plantagenbesitzer für die Belastung zu entschädigen, die sich
aus der Beschränkung auf die teure weiße Arbeit ergab, griff man zum Staats-
prümiensystem, verband aber damit zugleich eine gesetzliche Regelung der Löhne.
So wurden die Luxar Laune? ^.öls vorbildlich für die eigenartige Verquickung
von Rassen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie sie dem Neuprotektionismus
eigen ist. Die Zuckerprämiengesetze gewähren eine staatliche Vergütung auf allen
von weißen Arbeitern hergestellten Zucker, jedoch nur unter der Bedingung,
daß die Löhne eine „angemessene" Höhe erreichen.

Derartige Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zugunsten einzelner
Industrien hatten natürlich die Wirkung, daß andre Gewerbe dieselben Unter¬
stützungen verlangten. Besonders energisch ging in dieser Richtung der mächtige
Larvester*) eomdius vor, ein von den Unternehmern der landwirtschaftlichen



*) Der Name rührt von der Marke üsivsstsr 8tiippsr« (Erntemaschinen mit Abstreis-
vvrrichtung) her. ^ ,. i ,
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[0357] Mutualismus und Neuprotektionismus wie Arbeiterversicherung, Schiedsverfahren zur Beilegung von Arbeiterstreitig¬ keiten, Einwandrungsgesetzgebuug betraut, die bekanntlich in andern demokratischen Bundesstaaten meist den Einzelregierungen überlassen bleiben. So war in allen Teilen der Boden gesichert und wohlvorbereitet, auf dem der Commonwealth den Tempel des Neuprotektionismus errichten konnte. Die ersten Bauversuche können übergangen werden. Es genügt eine Über¬ sicht über den Komplex der jüngsten Gesetze, in denen sich der zielbewußt gewordne Geist dieser Wirtschaftspolitik widerspiegelt, nämlich: 1. die Lu^r Lormt^ ^oth von 1903 und 1905, 2. der Lommonvealtd Loneili-Mein Ävü ^rditration ^ot von 1904, 3. der rrgckk8 NarKs ^et von 1905, 4. der L!c>inmsr<Zö L.ot von 1905, 5. der ^ustraliim In<Zit8tiiss ?r68örvg,einen ^vt von 1906, 6. die Larvester ^als von 1906 und 1907, 7^ der VilLtories ^vt von 1908. Das erste Einwandrungsgesetz des Bundes, der InuniZration ReLtrietion ^.et von 1901, überbot an Schärfe alle bisher von den Einzelstaaten erlassenen Gesetze gleicher Art. Durch die Bestimmung, daß jedem der Zutritt zum Bundes¬ gebiet verwehrt werden kann, der nicht imstande ist, fünfzig Worte nach Diktat in irgendeiner europäische» Sprache zu schreiben, wurde den ostasiatischen Völkern die Tür zum Bundesgebiet überhaupt versperrt, nicht minder aber auch die Möglichkeit gegeben, jeden Europäer fernzuhalten, wenn es beliebt wurde. Mit diesem Akt korrespondiert der ?aoiöe Island I^dourers ^vt von 1901, der die Einwandrung der Südseemalaien von 1904 schlechthin verbot und außerdem bestimmte, daß die mit diesen Farbigen geschlossenen Kontrakte bis zu demselben Jahr zu lösen und daß die Entlassener zu repatriieren seien. Das Gesetz richtete seine Spitze gegen die Malaienarbeit in der Queensländer Zucker¬ industrie. Um die Plantagenbesitzer für die Belastung zu entschädigen, die sich aus der Beschränkung auf die teure weiße Arbeit ergab, griff man zum Staats- prümiensystem, verband aber damit zugleich eine gesetzliche Regelung der Löhne. So wurden die Luxar Laune? ^.öls vorbildlich für die eigenartige Verquickung von Rassen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie sie dem Neuprotektionismus eigen ist. Die Zuckerprämiengesetze gewähren eine staatliche Vergütung auf allen von weißen Arbeitern hergestellten Zucker, jedoch nur unter der Bedingung, daß die Löhne eine „angemessene" Höhe erreichen. Derartige Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zugunsten einzelner Industrien hatten natürlich die Wirkung, daß andre Gewerbe dieselben Unter¬ stützungen verlangten. Besonders energisch ging in dieser Richtung der mächtige Larvester*) eomdius vor, ein von den Unternehmern der landwirtschaftlichen *) Der Name rührt von der Marke üsivsstsr 8tiippsr« (Erntemaschinen mit Abstreis- vvrrichtung) her. ^ ,. i , Grenzboten IV 1909 4,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/357>, abgerufen am 24.07.2024.