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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Die Sprache in ihren" NaturzusammeNhange

schlesische Schiffahrt durch schlechte Tarife und falsche Sparsamkeit geschädigt
werde; daß den Breslauer Beamten und Militärs die Aufnahme in die höchste
Servisklasse versagt bleibe, die viel kleinern Städten zuteil werde; daß der
Staat das Breslauer Fach- und Fortbildungsschulwesen nicht genügend unter¬
stütze und die als notwendig anerkannte Gründung einer technischen Hochschule
verschleppe. (Von andern Seiten vernimmt man auch Klagen über den Lehr¬
körper der Universität; ein Hauptfach zum Beispiel soll so ungenügend besetzt
sein, daß Studenten, die nicht in der Lage sind, eine auswärtige Universität
zu besuchen, entweder sehr spät oder gar nicht ans Ziel kommen.) Ein hoher
Staatsbeamter, dem die berechtigten Forderungen der Schlesier vorgetragen
wurden, habe geantwortet: "Das machen wir wohl im Westen, aber nicht im
Osten." Nicht im Osten, der das Deutsche Reich "gemacht" hat! Die von der
Firma Korn geleitete Volksbewegung ist nicht ergebnislos verlaufen; einige
der geforderten Bahnlinien sind gebaut, der Schiffahrtsweg ist verbessert worden,
und im Oktober 1910 soll die (leider unvollständige) Technische Hochschule er¬
öffnet werden; dem schon vollendeten Gcbäudekomplex fehlt nur noch der innere
Ausbau. Eine Menge Neubauten für Institute, die der moderne Betrieb der
Wissenschaften erfordert, bezeugt die Fürsorge für die Universität. Was im
einzelnen seit 1902 geschaffen worden ist, und was den Breslauern, den
Schlesieru zu wünschen und zu fordern übrig bleibt, das möge deu Mittel- und
Carl I-meses Westdeutschen Grenzbotenlesern ein Berufnerer erzählen.




Die Sprache in ihrem Naturzusammenhange
Zur Jahrhundertfeier der deutschen Sprachwissenschaft
von Lrnst Meyer

untere Jahre sind gerade seit der Begründung der modernen
klassischen Sprachwissenschaft vergangen. Im Jahre 1808 erschien
Friedrich Schlegels Buch über die Sprache und Weisheit der
Inder und gab den Anstoß zu Franz Bopps epochemachender Ent¬
deckung von der Verwandtschaft aller indogermanischen Sprachen
(1816) und zu Jakob Grimms Erforschung der germanischen Sprachen, vor
allem unsrer deutschen Muttersprache. Damit war die historische Sprach¬
wissenschaft eingeleitet, zugleich den Nachfolgern für die Zukunft die Wege
gewiesen. Unwillkürlich fragt man, was diese historische Sprachwissenschaft
"ach Ablauf eines Jahrhunderts geleistet, was sie vor allem an Erkenntnissen
zutage gefördert hat, die die Allgemeinheit interessieren. Mit kühnen Hoffnungen
War die junge Wissenschaft ins Leben getreten, je mehr man sich jedoch in
ihre Probleme vertiefte, um so mehr wich diese siegesgewisse Stimmung der


Die Sprache in ihren» NaturzusammeNhange

schlesische Schiffahrt durch schlechte Tarife und falsche Sparsamkeit geschädigt
werde; daß den Breslauer Beamten und Militärs die Aufnahme in die höchste
Servisklasse versagt bleibe, die viel kleinern Städten zuteil werde; daß der
Staat das Breslauer Fach- und Fortbildungsschulwesen nicht genügend unter¬
stütze und die als notwendig anerkannte Gründung einer technischen Hochschule
verschleppe. (Von andern Seiten vernimmt man auch Klagen über den Lehr¬
körper der Universität; ein Hauptfach zum Beispiel soll so ungenügend besetzt
sein, daß Studenten, die nicht in der Lage sind, eine auswärtige Universität
zu besuchen, entweder sehr spät oder gar nicht ans Ziel kommen.) Ein hoher
Staatsbeamter, dem die berechtigten Forderungen der Schlesier vorgetragen
wurden, habe geantwortet: „Das machen wir wohl im Westen, aber nicht im
Osten." Nicht im Osten, der das Deutsche Reich „gemacht" hat! Die von der
Firma Korn geleitete Volksbewegung ist nicht ergebnislos verlaufen; einige
der geforderten Bahnlinien sind gebaut, der Schiffahrtsweg ist verbessert worden,
und im Oktober 1910 soll die (leider unvollständige) Technische Hochschule er¬
öffnet werden; dem schon vollendeten Gcbäudekomplex fehlt nur noch der innere
Ausbau. Eine Menge Neubauten für Institute, die der moderne Betrieb der
Wissenschaften erfordert, bezeugt die Fürsorge für die Universität. Was im
einzelnen seit 1902 geschaffen worden ist, und was den Breslauern, den
Schlesieru zu wünschen und zu fordern übrig bleibt, das möge deu Mittel- und
Carl I-meses Westdeutschen Grenzbotenlesern ein Berufnerer erzählen.




Die Sprache in ihrem Naturzusammenhange
Zur Jahrhundertfeier der deutschen Sprachwissenschaft
von Lrnst Meyer

untere Jahre sind gerade seit der Begründung der modernen
klassischen Sprachwissenschaft vergangen. Im Jahre 1808 erschien
Friedrich Schlegels Buch über die Sprache und Weisheit der
Inder und gab den Anstoß zu Franz Bopps epochemachender Ent¬
deckung von der Verwandtschaft aller indogermanischen Sprachen
(1816) und zu Jakob Grimms Erforschung der germanischen Sprachen, vor
allem unsrer deutschen Muttersprache. Damit war die historische Sprach¬
wissenschaft eingeleitet, zugleich den Nachfolgern für die Zukunft die Wege
gewiesen. Unwillkürlich fragt man, was diese historische Sprachwissenschaft
"ach Ablauf eines Jahrhunderts geleistet, was sie vor allem an Erkenntnissen
zutage gefördert hat, die die Allgemeinheit interessieren. Mit kühnen Hoffnungen
War die junge Wissenschaft ins Leben getreten, je mehr man sich jedoch in
ihre Probleme vertiefte, um so mehr wich diese siegesgewisse Stimmung der


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[0319] Die Sprache in ihren» NaturzusammeNhange schlesische Schiffahrt durch schlechte Tarife und falsche Sparsamkeit geschädigt werde; daß den Breslauer Beamten und Militärs die Aufnahme in die höchste Servisklasse versagt bleibe, die viel kleinern Städten zuteil werde; daß der Staat das Breslauer Fach- und Fortbildungsschulwesen nicht genügend unter¬ stütze und die als notwendig anerkannte Gründung einer technischen Hochschule verschleppe. (Von andern Seiten vernimmt man auch Klagen über den Lehr¬ körper der Universität; ein Hauptfach zum Beispiel soll so ungenügend besetzt sein, daß Studenten, die nicht in der Lage sind, eine auswärtige Universität zu besuchen, entweder sehr spät oder gar nicht ans Ziel kommen.) Ein hoher Staatsbeamter, dem die berechtigten Forderungen der Schlesier vorgetragen wurden, habe geantwortet: „Das machen wir wohl im Westen, aber nicht im Osten." Nicht im Osten, der das Deutsche Reich „gemacht" hat! Die von der Firma Korn geleitete Volksbewegung ist nicht ergebnislos verlaufen; einige der geforderten Bahnlinien sind gebaut, der Schiffahrtsweg ist verbessert worden, und im Oktober 1910 soll die (leider unvollständige) Technische Hochschule er¬ öffnet werden; dem schon vollendeten Gcbäudekomplex fehlt nur noch der innere Ausbau. Eine Menge Neubauten für Institute, die der moderne Betrieb der Wissenschaften erfordert, bezeugt die Fürsorge für die Universität. Was im einzelnen seit 1902 geschaffen worden ist, und was den Breslauern, den Schlesieru zu wünschen und zu fordern übrig bleibt, das möge deu Mittel- und Carl I-meses Westdeutschen Grenzbotenlesern ein Berufnerer erzählen. Die Sprache in ihrem Naturzusammenhange Zur Jahrhundertfeier der deutschen Sprachwissenschaft von Lrnst Meyer untere Jahre sind gerade seit der Begründung der modernen klassischen Sprachwissenschaft vergangen. Im Jahre 1808 erschien Friedrich Schlegels Buch über die Sprache und Weisheit der Inder und gab den Anstoß zu Franz Bopps epochemachender Ent¬ deckung von der Verwandtschaft aller indogermanischen Sprachen (1816) und zu Jakob Grimms Erforschung der germanischen Sprachen, vor allem unsrer deutschen Muttersprache. Damit war die historische Sprach¬ wissenschaft eingeleitet, zugleich den Nachfolgern für die Zukunft die Wege gewiesen. Unwillkürlich fragt man, was diese historische Sprachwissenschaft "ach Ablauf eines Jahrhunderts geleistet, was sie vor allem an Erkenntnissen zutage gefördert hat, die die Allgemeinheit interessieren. Mit kühnen Hoffnungen War die junge Wissenschaft ins Leben getreten, je mehr man sich jedoch in ihre Probleme vertiefte, um so mehr wich diese siegesgewisse Stimmung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/319>, abgerufen am 24.07.2024.