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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Raffael in seiner Bedeutung als Architekt"

ortes des Palazzo aber, den der Verfasser angibt, scheint mir der Stelle in Vasaris
Bericht zu widersprechen, wo jener von einem solchen am Borgo nuovo in Rom
spricht. Wäre Hofmanns Annahme richtig, so hätte Vasari doch als Standort
den Borgo vecchio oder die Piazza ti S. Pietro angeben müssen. Auch wäre
der Gegenbeweis gegen die Annahme, daß sich der Palazzo Naffaeli unter den
Umrissen des Palazzo Convertendi versteckt, durch Messungen leicht genauer zu
geben gewesen, obschon man zugeben muß, daß auch dieser Gegenbeweis noch
nicht einwandfrei ist, da man ja auch annehmen kaiuv daß der Palazzo Naffaeli
erst hat fallen müssen, ehe sein Nachfolger an seine Stelle trat. Zum Glück ist
uns ein sehr guter Stich von Lasreri und eine perspektivische Skizze von Palladio
erhalten, die das eine wenigstens festlegt, daß der Palazzo Naffaeli ein Eck-
gebände gewesen ist. Hat Hofmann recht, so wäre der Palazzo im Jahre 1565
bei der ersten Vergrößerung des Sankt Peterplatzes gefallen, die Palladicmische
Skizze könnte demnach kurz vor dem Abbruch gefertigt sein.

Die andern vom Verfasser herangezognen Bauten sind für die Bewertung
weniger wichtig, wir erhalten nur den allgemeinen Eindruck, daß es der Meister
nicht verschmähte, auch den kleinern Aufgaben, wie zum Beispiel der Palazzettö
des Jacopo ti Brescia oder der Casa Battiferro am Borgo nuovo, von denen
besonders der zuerst genannte Bau wegen seiner schwierigen Ecklösung interessant
ist, seine volle Hingabe zu schenken. Die Erörterungen über Raffaels Besitzungen
hängen mit dem Hauptthema: Raffael in seiner Bedeutung als Architekt, nur
lose zusammen.

Die außerordentliche Arbeit, die vom Verfasser in diesem Werke geleistet
worden ist -- es sind allein im zweiten Teil des Bandes etwa siebzig verschiedne
alte Lagepläne des Borgo zusammengetragen --, ist jedenfalls einer Sache ge¬
widmet, die dieser Mühe wert ist. Ich habe mich jedoch beim Studium des
Eindrucks nicht erwehren können, daß diese Ausführungen an der Bewertung
Raffaels als Architekt, wie sie heute gilt, nichts ändern. Treffend und vorsichtig
genug drückt sich der Verfasser in seiner Schlußzusammenfassung aus, die gewiß
jeder anerkennen wird: "Mit umsichtigen Scharfblick verstand Raffael alles für
sich zu nützen, was die Kunst des Altertums und der neuern Zeit ihm bot. Bald
überflügelte er durch geniale Auffassung und Ausführung seine Lehrer und stellte
sich den größten Meistern des Cinquecento -- einem Leonardo da Vinci, Michel¬
angelo und Vramante -- an die Seite."




Raffael in seiner Bedeutung als Architekt"

ortes des Palazzo aber, den der Verfasser angibt, scheint mir der Stelle in Vasaris
Bericht zu widersprechen, wo jener von einem solchen am Borgo nuovo in Rom
spricht. Wäre Hofmanns Annahme richtig, so hätte Vasari doch als Standort
den Borgo vecchio oder die Piazza ti S. Pietro angeben müssen. Auch wäre
der Gegenbeweis gegen die Annahme, daß sich der Palazzo Naffaeli unter den
Umrissen des Palazzo Convertendi versteckt, durch Messungen leicht genauer zu
geben gewesen, obschon man zugeben muß, daß auch dieser Gegenbeweis noch
nicht einwandfrei ist, da man ja auch annehmen kaiuv daß der Palazzo Naffaeli
erst hat fallen müssen, ehe sein Nachfolger an seine Stelle trat. Zum Glück ist
uns ein sehr guter Stich von Lasreri und eine perspektivische Skizze von Palladio
erhalten, die das eine wenigstens festlegt, daß der Palazzo Naffaeli ein Eck-
gebände gewesen ist. Hat Hofmann recht, so wäre der Palazzo im Jahre 1565
bei der ersten Vergrößerung des Sankt Peterplatzes gefallen, die Palladicmische
Skizze könnte demnach kurz vor dem Abbruch gefertigt sein.

Die andern vom Verfasser herangezognen Bauten sind für die Bewertung
weniger wichtig, wir erhalten nur den allgemeinen Eindruck, daß es der Meister
nicht verschmähte, auch den kleinern Aufgaben, wie zum Beispiel der Palazzettö
des Jacopo ti Brescia oder der Casa Battiferro am Borgo nuovo, von denen
besonders der zuerst genannte Bau wegen seiner schwierigen Ecklösung interessant
ist, seine volle Hingabe zu schenken. Die Erörterungen über Raffaels Besitzungen
hängen mit dem Hauptthema: Raffael in seiner Bedeutung als Architekt, nur
lose zusammen.

Die außerordentliche Arbeit, die vom Verfasser in diesem Werke geleistet
worden ist — es sind allein im zweiten Teil des Bandes etwa siebzig verschiedne
alte Lagepläne des Borgo zusammengetragen —, ist jedenfalls einer Sache ge¬
widmet, die dieser Mühe wert ist. Ich habe mich jedoch beim Studium des
Eindrucks nicht erwehren können, daß diese Ausführungen an der Bewertung
Raffaels als Architekt, wie sie heute gilt, nichts ändern. Treffend und vorsichtig
genug drückt sich der Verfasser in seiner Schlußzusammenfassung aus, die gewiß
jeder anerkennen wird: „Mit umsichtigen Scharfblick verstand Raffael alles für
sich zu nützen, was die Kunst des Altertums und der neuern Zeit ihm bot. Bald
überflügelte er durch geniale Auffassung und Ausführung seine Lehrer und stellte
sich den größten Meistern des Cinquecento — einem Leonardo da Vinci, Michel¬
angelo und Vramante — an die Seite."




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[0143] Raffael in seiner Bedeutung als Architekt" ortes des Palazzo aber, den der Verfasser angibt, scheint mir der Stelle in Vasaris Bericht zu widersprechen, wo jener von einem solchen am Borgo nuovo in Rom spricht. Wäre Hofmanns Annahme richtig, so hätte Vasari doch als Standort den Borgo vecchio oder die Piazza ti S. Pietro angeben müssen. Auch wäre der Gegenbeweis gegen die Annahme, daß sich der Palazzo Naffaeli unter den Umrissen des Palazzo Convertendi versteckt, durch Messungen leicht genauer zu geben gewesen, obschon man zugeben muß, daß auch dieser Gegenbeweis noch nicht einwandfrei ist, da man ja auch annehmen kaiuv daß der Palazzo Naffaeli erst hat fallen müssen, ehe sein Nachfolger an seine Stelle trat. Zum Glück ist uns ein sehr guter Stich von Lasreri und eine perspektivische Skizze von Palladio erhalten, die das eine wenigstens festlegt, daß der Palazzo Naffaeli ein Eck- gebände gewesen ist. Hat Hofmann recht, so wäre der Palazzo im Jahre 1565 bei der ersten Vergrößerung des Sankt Peterplatzes gefallen, die Palladicmische Skizze könnte demnach kurz vor dem Abbruch gefertigt sein. Die andern vom Verfasser herangezognen Bauten sind für die Bewertung weniger wichtig, wir erhalten nur den allgemeinen Eindruck, daß es der Meister nicht verschmähte, auch den kleinern Aufgaben, wie zum Beispiel der Palazzettö des Jacopo ti Brescia oder der Casa Battiferro am Borgo nuovo, von denen besonders der zuerst genannte Bau wegen seiner schwierigen Ecklösung interessant ist, seine volle Hingabe zu schenken. Die Erörterungen über Raffaels Besitzungen hängen mit dem Hauptthema: Raffael in seiner Bedeutung als Architekt, nur lose zusammen. Die außerordentliche Arbeit, die vom Verfasser in diesem Werke geleistet worden ist — es sind allein im zweiten Teil des Bandes etwa siebzig verschiedne alte Lagepläne des Borgo zusammengetragen —, ist jedenfalls einer Sache ge¬ widmet, die dieser Mühe wert ist. Ich habe mich jedoch beim Studium des Eindrucks nicht erwehren können, daß diese Ausführungen an der Bewertung Raffaels als Architekt, wie sie heute gilt, nichts ändern. Treffend und vorsichtig genug drückt sich der Verfasser in seiner Schlußzusammenfassung aus, die gewiß jeder anerkennen wird: „Mit umsichtigen Scharfblick verstand Raffael alles für sich zu nützen, was die Kunst des Altertums und der neuern Zeit ihm bot. Bald überflügelte er durch geniale Auffassung und Ausführung seine Lehrer und stellte sich den größten Meistern des Cinquecento — einem Leonardo da Vinci, Michel¬ angelo und Vramante — an die Seite."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/143>, abgerufen am 24.07.2024.